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Flächenfraß: So will Bayern den Flächenbedarf senken

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am Freitag, 28.12.2018 - 05:00 (Jetzt kommentieren)

Bayerns neue Koalition aus CSU und Freien Wählern hat sich für die nächste Legislaturperiode viel vorgenommen. Ferkelkastration, Anbindehaltung, Agrarreform oder Landfraß sind nur einige der Themen. Im Exklusivinterveiw mit agrarheute erläutert Agrarministerin Michaela Kaniber, was sie vorhat.

Bayerns neue Koalition aus CSU und Freien Wählern hat sich für die nächste Legislaturperiode viel vorgenommen. Agrarministerin Michaela Kaniber will bei der Ferkelkastration die Lokalanästhesie ermöglichen. Für die ersten Hektare soll es nach 2020 mehr Geld geben, sagt sie im Interview in der Januarausgabe des agrarheute-Magazins. Für die Anbindehaltung von Rindern gibt sie jedoch keine Ewigkeitsgarantie, stemmt sich aber gegen einen harten Strukturbruch unter den Rinderhaltern. Und für Naturkatastrophen wie Dürre sollen Landwirte künftig selbst Risikovorsorge betreiben.

Auf agrarheute online berichten wir, wie die bayerische Agrarministerin den Flächenverbrauch eindämmen und die Ökofläche in Bayern verdoppeln will.   

agrarheute: Bayern hat die höchsten Grundstückpreise. Wie wollen Sie Ihr Ziel in der Koalition erreichen, den Flächenverbrauch auf 5 ha täglich zu senken?

Kaniber: Das ist eine der größten Herausforderungen überhaupt. Dazu haben wir neu die Entsiegelungsprämie in der Koalition beschlossen. Daneben laufen bereits mehrere Initiativen zum Wiederbeleben der Dorfkerne, wie „Innen statt Außen“ oder „Dorf vital“ in der Dorferneuerung, um das Umnutzen von Gebäuden und das Nachverdichten zu ermöglichen. Über die Integrierte Ländliche Entwicklung lässt sich die interkommunale Zusammenarbeit intensivieren.

Wichtig sind aber auch flächensparende Kompensationsmaßnahmen, wie wir das im Eigentumspakt Bayern festgeschrieben haben. Ausgleichsflächen sollen hier nicht komplett aus der Nutzung fallen, Landwirte sollen sie wenigstens noch extensiv nutzen können.

Zudem müssen wir uns überlegen, wie wir Flächen sparen können. Müssen Gewerbeflächen auf dem Lande immer einen oberirdischen Parkplatz haben? Können Discountmärkte auch mehrstöckig sein, um zusätzlich Büro- und Wohnräume zu schaffen?

Weniger Ausgleichsflächen nötig

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Wird es Änderungen beim Faktor für Ausgleichsflächen geben?

Kaniber: Im Eigentumspakt Bayern haben wir festgehalten, dass man bei Natur- und Umweltmaßnahmen wie Hochwasserschutz vom Verhältnis Eingriff zu Ausgleich von 1 zu 0,4 abweichen kann. Es wäre ja Wahnsinn, wenn wir unsere Bauern auch bei solchen Maßnahmen zweimal belasten würden: einmal für die Maßnahme selbst und dann auch noch für die Ausgleichsflächen. Noch steht das alles auf dem Papier, das müssen wir jetzt rasch in die Praxis umsetzen.

Das hört sich nach viel Freiwilligkeit ein, aber nichts Verpflichtendes?

Kaniber: Wir als bürgerliche Koalition müssen die Kommunen mitnehmen, und dürfen sie nicht bevormunden oder beschneiden. Dazu haben wir, wie ich sagte, einige Instrumente für die Kommunen zur Verfügung gestellt, mit denen sie Flächen sparen können. Wir hoffen auf eine sehr gute Zusammenarbeit.

Unterstützen Sie die BMEL-Initiative, Anteilsverkäufe von GmbHs stärker zu regulieren, damit Landwirte nicht umgangen werden?  

Kaniber: Glücklicherweise sind solche Verkäufe in Bayern eher selten. Daher ist das Problem, anders wie im Norden und Osten, bei uns noch nicht drängend. Ich kann mir aber gut vorstellen, diesen Gedanken mitzutragen. Landwirtschaftliche Flächen dürfen nicht zum Spielball der Investoren werden und die Bodenpreise nach oben treiben.

Mehr Ökolandbau bedeutet keine Flächenverknappung

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Gleichzeitig wollen Sie aber den Anteil des Ökolandbaus in Bayern verdoppeln. Derzeit sind es rund 330.000 ha und 10.000 Biobauern. Damit sorgen Sie doch für einen höheren Flächenbedarf.

Kaniber: Das sehe ich nicht so. Nach wie vor ist auch in Bayern die Nachfrage nach Ökoprodukten weit höher als die heimische Erzeugung. Es liegt im Interesse unserer Bauern, wenn wir die Abhängigkeit von Importen verringern und die Wertschöpfungsmöglichkeiten zu uns holen. Mehr Öko entlastet auch die konventionellen Märkte. Also profitieren alle.  

Wie wollen sie das machen?

Kaniber: Indem ich unsere Öko-Modellregionen weiter voranbringe. Es gab im Herbst Ausschreibungen für sechs weitere Regionen. Ich überlege gerade, ob wir in Bayern ein Ökoboard, eine Art Marktbeobachtungsstelle wie auf EU-Ebene, einrichten, um das Marktgeschehen genau im Blick zu haben. So können wir schneller auf Entwicklungen reagieren und neue Wertschöpfungsketten unterstützen.

Was ich nicht will, dass ich Landwirte über eine zu hohe Förderung in die Umstellung locke, wenn der Markt dafür nicht vorhanden ist. Ein Preisverfall bei Bioprodukten wäre kontraproduktiv. Wichtig ist, dass wir den Ökolandbau am Markt entlang entwickeln.

Direktvermarker noch stärker vernetzen

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Sie wollen die Regeln zur Direktvermarktung flexibilisieren. Was können die Landwirte hier erwarten? Wird das Aufstellen Milchzapfsäulen erleichtert?

Kaniber: Die Koalition sieht in der Regional- und Direktvermarktung noch große Chancen für Bayerns Bauern, eine höhere Wertschöpfung zu erzielen. Dazu gehören unter anderem Milchtankstellen oder Hofläden. Ich weiß aber auch, dass gerade für Direktvermarkter die bürokratischen Auflagen teilweise enorm sind. Hier müssen wir dicke Bretter bohren, um Bürokratie abzubauen. Ich lasse derzeit prüfen, wo wir ansetzen können, um die Direktvermarktung voranzubringen – eventuell auch über eine bessere finanzielle Ausstattung.

Planen Sie Zuschüsse für das Gründen von regionalen Vermarktungsstrukturen?

Kaniber: Mein Haus unterstützt den Auf- und Ausbau der Regionalvermarktung auf vielfältige Weise. Sei es über unser Qualitätssiegel „Geprüfte Qualität – Bayern“, Internetplattformen wie „Wirt sucht Bauer“ oder auch unser Regionalportal, wo die Verbraucher Direktvermarkter in ihrer Region finden.

Zusammen mit dem Bauernverband organisieren wir die großen Bauernmarktmeilen in München und Nürnberg, die jedes Jahr auf sehr großen Zuspruch in der städtischen Bevölkerung stoßen. Regionale Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen fördern wir gezielt über unser Programm „VuVregio“ mit einem Zuschuss auch für kleinere Investitionen.

Ich will aber noch stärker die Vernetzungen über Internetplattformen bis auf Landkreisebene herunter fördern. Hier kann der Verbraucher schneller und leichter finden, wo er beispielsweise seine Milch, seine Kartoffeln oder sein Fleisch einkaufen kann.

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