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+++ Aktualisiert: 29. Juli 2020, 11:00 Uhr +++

Fleischindustrie soll auf Werkverträge und Leiharbeit verzichten

Beschäftigte in einem Schlachthof in der Zerlegung
am Mittwoch, 29.07.2020 - 11:00 (Jetzt kommentieren)

Das Kabinett hat einen Gesetzentwurf zum Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit in der Fleischindustrie beschlossen.

Ende Mai hatte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil angekündigt, in der Fleischindustrie „aufzuräumen“ und unwürdige Beschäftigungsverhältnisse zu beenden. Heute hat das Kabinett dem Entwurf eines "Gesetzes zur Verbesserung des Vollzugs im Arbeitsschutz" zugestimmt.

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Fleischwirtschaft ab dem 1. Januar 2021 in der Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung kein Fremdpersonal auf der Grundlage von Werkverträgen mehr einsetzen darf. Ab dem 1. April 2021 soll in diesem Bereich auch die Arbeitnehmerüberlassung verboten werden.

Werkverträge und Leiharbeit durch ein Netz von Subunternehmern sollen dann der Vergangenheit angehören. Für das Fleischerhandwerk mit bis zu 49 Beschäftigten ist eine Ausnahme vorgesehen.

Klöckner sieht Stärkung des regionalen Fleischerhandwerks

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner erklärte, mit dem Beschluss werde "der unhaltbaren Praxis des Subunternehmertums in der Fleischwirtschaft ein Riegel vorgeschoben". Die Ausnahmen für kleine und mittlere Unternehmen sorgten dafür, dass es nicht zu einer noch größeren Zentralisierung der Fleischwirtschaft komme. Damit werde das regionale Fleischerhandwerk gestärkt.

Arbeitsminister Hubertus Heil meinte, das Wirrwarr bei den Beschäftigungsverhältnissen müsse ein Ende haben. Heil unterstrich, "das Problem ist nicht die Fleischerei auf dem Land, sondern das Problem sind die Fleischfabriken". Mit einer Abwanderung der Fleischindustrie oder nennenswerten Preiseffekten durch höhere Lohnkosten rechnet der Arbeitsminister nicht. Er betonte, die Regelungen seien verfassungskonform und entsprächen dem EU-Recht, hier habe das Kabinett "sauber gearbeitet".

Mindestanforderungen für die Unterbringung gelten auch für Erntehelfer

Das Gesetz zielt auch darauf ab, die Arbeitsschutzkontrollen in der Wirtschaft insgesamt, nicht nur in der Fleischindustrie, deutlich zu erhöhen. Ab 2026 sollen die Behörden der Länder in ihrem Zuständigkeitsbereich jeweils mindestens 5 Prozent der Betriebe kontrollieren. Bisher macht das Arbeitsschutzgesetz keine Vorgaben über die Anzahl und Häufigkeit von Betriebsbesichtigungen. Der Bund rechnet damit, dass zur Erfüllung der erwünschten Kontrolldichte bundesweit 630 zusätzliche Kontrolleure benötigt werden. Die maximal möglichen Bußgelder bei Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz werden von bisher 15.000 Euro auf 30.000 Euro verdoppelt.

Die Fleischwirtschaft soll verpflichtet werden, die Arbeitszeiten in den Betrieben elektronisch zu erfassen.

Außerdem müssen Unternehmen bei der Unterbringung ihrer Beschäftigten in Gemeinschaftsunterkünften bestimmte Mindeststandards einhalten. Heil wies darauf hin, dass diese Anforderungen für alle Wirtschaftszweige gelten würden, auch für die Unterbringung von Saisonarbeitskräften in der Landwirtschaft. "Niemand soll in verschimmelten oder überbelegten Wohnungen leben müssen", so der SPD-Politiker.

Bis zu 100 Prozent Fremdpersonal an den Schlachtbändern

Mit dem heute vom Bundeskabinett gebilligten Gesetzentwurf soll das am 20. Mai beschlossene „Arbeitsschutzprogramm für die Fleischwirtschaft“ umgesetzt werden. Nach der Sommerpause stehen die Beratungen in Bundestag und Bundesrat an. Das Gesetz ist durch die Länder zustimmungspflichtig im Bundesrat.

Das Arbeitsministerium geht in seinem Entwurf ausführlich auf die zahlreich dokumentierten Verfehlungen der Fleischindustrie bei der Beschäftigung vornehmlich osteuropäischer Hilfskräfte und deren Unterbringung ein, die häufig als „nicht menschenwürdig“ zu bezeichnen sei. Vielfach gehe der Anteil des Fremdpersonals in der Fleischindustrie über 50 Prozent hinaus, in manchen Betrieben würden bis zu 100 Prozent Werkvertragsarbeitnehmer beschäftigt.

Zahlreiche Verstöße gegen das Arbeitszeitrecht aufgedeckt

Eine Schwerpunktprüfung der Behörden in Nordrhein-Westfalen in Großbetrieben mit 17.000 Arbeitsplätzen habe im vorigen Jahr 8.800 Rechtsverstöße aufgedeckt, davon allein rund 5.900 gegen das Arbeitszeitrecht. Die Finanzkontrollbehörden hätten zudem Fälle festgestellt, in welchen Lohn für persönliche Schutzausrüstung, Miete oder für Fahrservice entgegen der rechtlichen Bestimmungen einbehalten worden sei.

Das Arbeitsministerium hebt hervor, dass die Selbstverpflichtungen der Branche nicht zu der erhofften Verbesserung der Arbeitsbedingungen geführt hätten. Durch die Gesetzesänderungen sei kein signifikanter Anstieg der Verbraucherpreise zu erwarten.

Anm.d.Red.: Dies ist die aktualisierte Version einer früheren Meldung zu der geplanten Gesetzesänderung vom 23. Juli 2020.

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