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Offener Brief

Fleischverzicht als Klimarettung?

Fleischverzehr: Junge isst Burger
am Freitag, 20.08.2021 - 15:30 (2 Kommentare)

Die BILD-Zeitung empfiehlt, weitgehend auf Fleisch und Fisch zu verzichten. Der Bauernverband Schleswig-Holstein argumentiert dagegen und entkräftet viele Aussagen zur Umweltwirkung von Fleisch.

Thema Fleischverzicht: Sönke Hauschild, LBV Schleswig-Holstein

Die BILD berichtet über skandalöse Zustände im REWE-Schlachtbetrieb Wilhelm Brandenburg. Sie zitiert dabei den Hessischen Rundfunk (hr) und der wiederum beruft sich auf Protokolle der behördlichen Kontrollen. So weit, so eklig und hoffentlich jetzt fest im Blick der zuständigen Stellen.

Um den Beitrag ein wenig aufzupeppen, erklärt die BILD, Fisch und Fleisch in der Ernährung seien ohnehin fragwürdig und zählt dazu fünf Argumente auf.

Sönke Hauschild, verantwortlich für die Sozialen Medien beim Landesbauernverband Schleswig-Holstein, hat sich auf Facebook in einem offenen Brief mit den einzelnen Punkten auseinandergesetzt. Wir veröffentlichen diesen Brief hier und stellen die Argumente beider Seiten zur Diskussion.

 

OFFENER BRIEF AN DIE BILDREDAKTION

In einem Artikel, der thematisch nur am Rande damit zu tun hat, nennt BILD fünf Gründe, warum wir weniger Fleisch und Fisch essen sollten: Ressourcenverbrauch, Bedrohung der Artenvielfalt, Wasserverschmutzung, Überfischung und den Wasserverbrauch durch die Tierhaltung.

Liebe Redaktion, warum das falsch ist, sagen wir Euch hier. Macht es bitte beim nächsten Mal besser: weniger Meinung, mehr Fakten. Wir bekommen derzeit niedrigste Preise für unsere Produkte, weil mehr Tierwohl, Klimaschutz und Nachhaltigkeit allein auf dem Rücken unserer Betriebe ausgetragen werden. Wir erleben damit eine echte Wirtschaftsklimakatastrophe. Da sollte zumindest das Meinungsklima stimmen!

Ackerland statt Grünfutterfläche? Bringt mehr Nach- als Vorteile!

1. Fleisch verbraucht – verglichen mit pflanzlicher Nahrung – enorme Ressourcen, unter anderem an Fläche.

Fleisch muss nicht komplett vom Tisch verschwinden, sagt der Wissenschaftler Urs Niggli, der aktuell den Welternährungsgipfel in New York vorbereitet.

Zwei Drittel der globalen Nutzfläche sind Dauergrünland. Man könnte dort, wo es möglich ist, Bäume anpflanzen, würde dann aber zu wenig Lebensmittel erzeugen. Wir können die Menschheit nicht vegan ernähren, so Niggli. Dafür mangelt es an Ackerland. Würden wir Grünland zu Ackerland umwandeln, wäre das eine ökologische Katastrophe, denn das würde enorme Mengen CO₂ freisetzen und die Biodiversität treffen.

Treibhausgasemissionen aus der hiesigen Tierhaltung gering

2. Durch unseren Fleischverzicht lässt sich der CO₂-Ausstoß deutlich verringern.

Der Anteil Deutschlands an den weltweiten Treibhausgas (THG)-Emissionen beträgt 2 Prozent. Der THG-Anteil der Landwirtschaft in Deutschland beträgt 8 Prozent (Quelle: Umweltbundesamt), also 0,16 Prozent der weltweiten Treibausgase. Davon stammt die Hälfte aus der Tierhaltung und davon ist ein Großteil biogenes Methan, das sich in einem ewigen Kreislauf befindet.

Bei einer Reduzierung der Fleisch- und Milchproduktion in der EU-27 um 50 Prozent könnten die gesamten THG-Emissionen sogar um 1,4 Prozent steigen – durch Leakage-Effekte, also einer weltweiten Umschichtung von Produktion und Verbrauch bei Agrargütern.

Tierische Nahrungsmittel sind hochwertig

Tierische Lebensmittel sind aufgrund der Nährstoffdichte unschlagbar: Ty Beal, Ernährungswissenschaftler der Global Alliance for Improved Nutrition hat Lebensmittel nach ihrer Dichte in sechs Nährstoffe sortiert, die den Menschen weltweit am häufigsten fehlen. Das sind z.B. Zink, Eisen, Calcium, Folsäure, Vitamin A oder Vitamin B.

In absteigender Reihenfolge sind die besten Lebensmittel:

  • Innereien wie Leber
  • dunkles Blattgrün
  • Schalentiere und Fisch
  • Fleisch
  • Eier
  • Milch und Käse.

Alles andere kommt danach. 

Ryan Katz-Rosene, Professor an der Universität Ottawa setzt diese Lebensmittel in Relation zu ihrem CO₂-Fußabdruck. Tierische Lebensmittel schneiden danach recht gut ab und bestätigen unter anderem ältere Untersuchungsergebnisse, die die Emissionen einer Mischkost mit rein pflanzlichen Ernährungsarten verglichen haben.

Mal wieder der Wasserverbrauch

Das Thema Wasserverbrauch haben wir immer wieder behandelt. Trotzdem werden weiter enorm hohe Wassermengen angesetzt, ohne nach Wasserarten zu differenzieren. Die Albert Schweitzer-Stiftung zum beispiel, die die BILD als Quelle anführt, behauptet, als Proteinquelle sei Rindfleisch sehr ineffizient, weil der Wasserbedarf sechsmal so hoch sei wie bei Hülsenfrüchten.

Viele irrige Behauptungen basieren auf der Eat-Lancet-Studie, an der die Kritik wächst.

Immer wieder dieselben unreflektierten Aussagen

Soweit der offene Brief des LBV Schleswig-Holstein. Er wird auf Facebook sehr kontrovers diskutiert. Grundtenor vieler: Weiß doch jeder, dass Fleisch ungesund und klimaschädlich ist und daher nicht mehr verzehrt werden sollte. Andere fordern eine Reduktion des Fleischverzehrs und eine Konzentration auf Weidefleisch aus heimischer Produktion. Zu den zugehörigen Preisen äußert sich leider bislang keiner.

Fakt ist: Der Fleischverzehr hierzulande sinkt, ebenso wie der THG-Ausstoß. Das wird bei den meisten Publikationen zum Thema leider übersehen.

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