Am 30. Juni haben sich die Unterhändler der Europäischen Kommission und aus Neuseeland auf den Text für ein gegenseitiges Freihandelsabkommen geeinigt. Laut beiden Seiten solle es Landwirten, Unternehmen und Verbrauchern in der EU und Neuseeland „erhebliche wirtschaftliche Chancen“ eröffnen. Für Milchbauern, Schafhalter und Rindermäster in Deutschland könnten die Auswirkungen allerdings weniger positiv sein.
Wie soll der Handel zwischen der EU und Neuseeland liberalisiert werden?
Laut EU-Kommission soll der gegenseitige Handel mit Neuseeland in Folge des Freihandelsabkommens um bis zu 30 % wachsen. Insgesamt erhofft sich die Behörde eine Steigerung der jährlichen Ausfuhren im Wert von bis zu 4,5 Mrd. €. Die neuseeländischen Zölle für europäische Exporte sollen bereits ab Inkrafttreten des Abkommens um rund 140 Mio. € sinken.
Laut den Dachverbänden der europäischen Bauernverbände und Agrargenossenschaften, Copa-Cogeca, darf Neuseeland zusätzlich zu den bisherigen zollfreien Einfuhrkontingenten 15.000 t Butter, 25.000 t Käse und 15.000 t Milchpulver, davon 13.500 t Vollmilchpulver und 3.500 t Molkenpulver) in die EU exportieren. Schon bisher erlaubte die EU einen zollermäßigten Zugang für 75.000 t Butter und 11.000 t Käse. Die zollfreien Importmengen für Schaffleisch sollen um 38.000 t auf 152.184 t erhöht werden. Für Rindfleisch gewähre die EU Neuseeland nach sieben Jahren eine Quote von 8.000 t, und zwar zu einem Zollsatz von 7,5 %. Zum Start des Abkommens soll dieses Importkontingent 2 000 t betragen. Das Fleisch müsse aber von Weiderindern stammen, heißt es. Generell erhöhen sich die Zollkontingente nach dem Inkraftreten des Abkommens schrittweise über sieben Jahre.
Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit beim Freihandelsabkommen mit Neuseeland?
EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis betont den hohen Stellenwert der Nachhaltigkeit im Freihandelsabkommen mit Neuseeland. Er sagte: „Dieses Abkommen enthält auch die ehrgeizigsten Nachhaltigkeitsverpflichtungen in einem Handelsabkommen aller Zeiten. Dies beweist, dass wir bereits jetzt unser Versprechen einlösen, mehr Mehrwert aus unseren Handelsabkommen in Bezug auf Nachhaltigkeit zu ziehen." Auch die Pariser Klimaziele seien berücksichtigt, so die EU-Kommission. Die Agrarverbände Copa-Cogeca begrüßen den Einschluss von Nachhaltigkeitsverpflichtungen in das Abkommen.
Welche Rolle spielen geschützte Ursprungsbezeichnungen im Abkommen?
Das Freihandelsabkommen sieht die Anerkennung geschützter Ursprungsbezeichnungen der EU vor. Darunter fallen alle EU-Weine und Spirituosen, also etwa Prosecco, Rioja, Champagner und Tokaji. Anerkannt werden sollen in Neuseeland auch 163 der renommiertesten traditionellen EU-Produkte (geografische Angaben), wie Asiago, Feta, Comté oder Queso Manchego Käse, Istarski pršut Schinken, Lübecker Marzipan, Elia Kalamatas Oliven in Neuseeland. Nicht geschützt sind unter anderem Parmesan und Greyerzer Käse (Gruyere).
Welche Auswirkungen hat das Freihandelsabkommen auf Landwirte in der EU?
Copa-Cogeca befürchten schwerwiegende Konsequenzen für europäische Landwirte durch die erhöhten zollfreien Kontingente für Milchprodukte sowie Rind- und Schaffleisch kritisch. Generalsekretär Pekka Pesonen sagte: "Dieses Abkommen ist schmerzhaft für wichtige Sektoren wie Milch, Schaf- und Rindfleisch. Wir fordern eine angemessene Steuerung und Beobachtung der Ausfüllung der zollfreien Importkontingente für Agrarpordukte um ein ein Zusammenbrechen unserer Märkte zu verhindern." Vom verbesserten Marktzugang für europäische Weine und Schweinefleisch nach Neuseeland erwartet Pesonen keine signifikanten Gewinne für europäische Landwirte - hier bestehe kaum noch Wachstumspotenzial auf dem neuseeländischen Markt.
Welche Auswirkungen hat das Freihandelsabkommen auf Landwirte in Neuseeland?
Simon Tucker vom neuseeländischen Molkereikonzern Fonterra zeigte sich vom Freihandelsabkommen mit der EU wenig überzeugt. Er sagte: "Die Ergebnisse für Molkereiprodukte sind enttäuschend und spiegeln das Ausmaß an Protektionismus wider, das den Handel mit Milcherzeugnissen weltweit und insbesondere in der EU beschränkt." Zwar geben es einige geringe neue Spielräume für Exportwachstum, dennoch würden die Chancen für Butter, Käse, Milchpulver und Eiweißprodukte stark beschränkt. Schuld daran seien dauerhafte Einfuhrquoten, Zölle innerhalb von Einfuhrkontingenten und die anhaltende Steuerund der Quotenregeln. Gleichzeitig dürften neuseeländische Käse nach einer Übergangszeit von neun Jahren nicht mehr den Namen "Feta" tragen.
Wann tritt das Freihandelsabkommen mit Neuseeland in Kraft?
Bevor das Freihandelsabkommen mit Neuseeland in Kraft treten kann, muss die EU-Kommission zunächst die formalen Rechtstexte vorlegen. Anschließend muss der Rat der EU - also die europäischen Staaten - ihnen zustimmen. Dann kann das Abkommen von beiden Seiten unterzeichnet werden. Anschließend muss der Text noch vom Europäischen Parlament ratifiziert werden. Wenn dies geschehen ist - und auch die neuseeländische Seite ihren parlamentarischen Prozess durchgeführt hat - tritt das Abkommen in Kraft. Erfahrungsgemäß dürfte all dies noch einige Jahre dauern.
Wann wurde das Freihandelsabkommen mit Neuseeland verhandelt?
Die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit Neuseeland begannen im Juni 2018. Die 12. Verhandlungsrunde fand im März 2022 statt, gefolgt von Zwischengesprächen bis zum Abschluss der Verhandlungen am 30. Juni 2022.
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