Aus Sicht der Landwirte endete die Tagung der EU-Agrarminister gestern Abend (18.7.) in Brüssel mit einer Enttäuschung: Entgegen den Erwartungen legte EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski keinen Vorschlag für eine befristete Ausnahme von den GLÖZ-Standards 7 und 8 ("guter landwirtschaftlicher und ökologischer Zustand" - GLÖZ) für den Fruchtwechsel und die verpflichtende Stilllegung vor.
Den Landwirten fehlt es somit weiterhin an Planungssicherheit für die Anbauplanung ihrer Winterkulturen, obwohl Ende August die Aussaat von Winterraps beginnt.
Bremst Frans Timmermans die Entscheidung aus?

Der Entwurf eines delegierten Rechtsakts sei zwar fertig, sagte Wojciechowski. Er unterstütze die auf ein Jahr befristeten Ausnahmen auch, so der Pole. Damit sie in Kraft gesetzt werden können, muss aber die gesamte EU-Kommission zustimmen.
Einige Beobachter in Brüssel vermuten, EU-Kommissionvize Frans Timmermans könnte verhindern wollen, dass ein Teil der Konditionalität direkt im ersten Jahr ihrer Gültigkeit ausgesetzt werden soll, auch wenn die Versorgungskrise durch den Krieg in der Ukraine dafürspricht.
Die Mitgliedstaaten fordern die Ausnahmen aber fast einstimmig. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir favorisiert zwar nach wie vor eine Ausnahme von den Fruchtfolgevorschriften. Zuletzt zeigte aber auch er sich bei der Vorgabe von 4 Prozent verpflichtender Stilllegung kompromissbereit.
Kommission genehmigt erste nationale Strategiepläne
Die EU-Agrarminister berieten unter Vorsitz ihres tschechischen Kollegen Zdeněk Nekula außerdem über:
- die Genehmigung der nationalen Strategiepläne zur EU-Agrarreform
- die geplante neue EU-Pflanzenschutzverordnung
- die Lage auf den Agrarmärkten und die in vielen Mitgliedstaaten herrschende Dürre
- eine Initiative zur Begrenzung der Transportdauer von Nutztieren
Laut Wojciechowski wird die Kommission die nationalen Strategiepläne von Dänemark, Frankreich, Polen, Portugal und Spanien ohne weitere Änderungen genehmigen. Bis September könnten voraussichtlich zehn Mitgliedstaaten mit einer Genehmigung rechnen.
Diejenigen Mitgliedstaaten, die ihren Strategieplanentwurf verspätet vorgelegt hätten, müssten noch etwas länger auf die Freigabe warten. Die Bundesregierung hat den deutschen Strategieplan bekanntlich erst mit sieben Wochen Verspätung Ende Februar in Brüssel eingereicht.
Ratspräsident Nekula unterstrich, dass die Mitgliedstaaten eine rasche Genehmigung durch die EU-Kommission erwarteten, denn die Landwirte bräuchten dringend Planungssicherheit für den Anbau zum Wirtschaftsjahr 2022/23.
Breite Kritik an pauschalem Reduktionsziel für den Pflanzenschutz

Deutliche Kritik übten die meisten EU-Agrarminister am Vorschlag der EU-Kommission für eine neue Pflanzenschutzverordnung. Insbesondere das pauschale Reduktionsziel von 50 Prozent weniger Pflanzenschutz bis 2030 sehen viele Mitgliedstaaten mit Besorgnis.
Nach Darstellung des tschechischen Vorsitzes drängen die meisten EU-Agrarminister auf ein faires und realistisches System zur Bemessung der Reduktionsschritte und -erfolge. Die Kommission solle die geographischen und klimatischen Bedingungen und die teilweise bereits erheblichen Reduzierungen des Pflanzenschutzmitteleinsatzes in den Mitgliedstaaten berücksichtigen. Außerdem müssten geeignete Alternativen zum chemischen Pflanzenschutz verfügbar sein.
Vught-Gruppe fordert Begrenzung der Tiertransportdauer
Gemeinsam mit Belgien, Dänemark, den Niederlanden und Schweden legte Deutschland ein Positionspapier zum besseren Schutz von Tieren beim Transport vor. Die sogenannte Vught-Gruppe, benannt nach dem Ort Vught in den Niederlanden, fordert eine Begrenzung der Transportdauer von Schlachttieren auf acht Stunden. Bundesminister Özdemir sagte, es sei keinem Tier geholfen, wenn nationale Verbote umgangen würden, indem Tiere zunächst in einen anderen Mitgliedstaat gebracht würden, um sie von dort aus in Drittländer zu exportieren.“ Schlüsselforderungen des Positionspapiers sind:
- ein Verbot bestimmter Langstreckentransporte lebender Tiere auf dem Straßen- und Seeweg in Drittländer,
- die Zertifizierung von Versorgungsstellen in Drittstaaten nach einheitlichen EU-Standards,
- die Einführung einer Beförderungshöchstdauer für alle zur Schlachtung bestimmten Tiere,
- die verpflichtende Vorhaltung von Einrichtungen zur Entladung von Tieren an Flughäfen und Häfen.
Höheres Mindestalter für den Kälbertransport prüfen
Außerdem soll die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) prüfen, ob das Mindestalter für den Transport von Kälbern gemäß der Europäischen Tierschutztransportverordnung aus wissenschaftlicher Sicht erhöht werden sollte. Der Lebendexport von Nutztieren in Drittstaaten soll beschränkt werden, wenn die dort geltenden Rechtsvorschriften nicht den EU-Tierschutzstandards entsprechen. Die EU-Kommission wird voraussichtlich bis Ende 2023 einen Vorschlag zur Überarbeitung der EU-Tierschutzvorschriften vorschlagen.
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