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Globale Lebensmittelversorgung

G7-Agrarminister: Was tun gegen mehr Hunger wegen des Ukraine-Kriegs?

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am Freitag, 11.03.2022 - 16:00 (16 Kommentare)

Welche Maßnahmen planen die G7-Staaten, um die globale Versorgung mit Lebensmitteln in Folge des von Russland begonnenen Ukraine-Kriegs zu sichern? Darum ging es bei einem Sondertreffen der G7-Agrarminister am 11. März 2022, zu dem Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir eingeladen hat. Auch für deutsche Landwirte soll es Hilfen geben.

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir erklärte auf einer Pressekonferenz im Anschluss an das Sondertreffen der Agrarminister der G7-Staaten: "Der Biomarkt ist die Antwort auf die Krise." Die Rezepte, welche Deutschland in die aktuelle Krise geführt hätten, seien unter anderem "die Geschäfte, die wir in der Vergangenheit mit Diktatoren gemacht haben" aber auch, dass der Ausbau erneuerbarer Energien nicht genug vorangetrieben worden sei. Özdemir mahnte: "Wir müssen jetzt auf Resilienz setzen und nicht eine Krise gegen eine andere ausspielen. Die Klimakrise und die Artenschutzkrise sind wesentliche Treiber für den Hunger auf der Welt." Alle Krisen müssten gleichzeitig in den Blick genommen werden, damit die Welt nicht künftig noch stärker in ihrer Nahrungssicherheit gefährdet werde, als dies bereits der Fall sei.

Wie die Agrarminister der G7-Staaten auf die Nahrungskrise reagieren

Özdemir sieht große Einigkeit zwischen den Agrarministern der G7-Staaten in der Verurteilung des völkerrechtswidrigen Überfalls auf die Ukraine. Er persönlich sei entsetzt über die Verluste an Menschenleben und die Zerstörungen - darunter auch abgebrannte Getreidespeicher - die sich gezielt gegen die Bevölkerung und deren Lebensmittelversorgung richteten. Oberste Priorität der G7-Staaten sei es, den Menschen in der Ukraine zu helfen. Zweite Priorität sei der Kampf gegen den Hunger auf der Welt. Hunger werde gezielt als Waffe vom Präsidenten der Russischen Föderation, Wladimir Putin, eingesetzt. Darum verpflichten sich die G7-Staaten dazu, alle restriktiven Maßnahmen, die Agrarexporte unterbinden, zu unterlassen. Die G7 würden die aktuellen Entwicklungen auf den Agrarmärkten weiterhin genau beobachten und behielten sich vor, weitere Maßnahmen zu ergreifen.

Welche konkreten Probleme sehen die G7-Agrarminister?

Neben der Sicherstellung der Lebensmittelversorgung in der Ukraine sieht Landwirtschaftsminister Özdemir vor allem Nordafrika und teile Asiens in ihrer Nahrungssicherheit gefährdet. Er verwies darauf, dass das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen rund 50 % seines Getreides aus Russland und der Ukraine beziehe. In Deutschland sei zwar mit höheren Lebensmittelpreisen zu rechnen, eine Lebensmittelknappheit werde es hingegen nicht geben. Auf die Nachfrage zu einer möglichen Absenkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel in Deutschland ging Özdemir nicht direkt ein. Er verwies vielmehr darauf, dass andere Länder, allen voran die Ukraine, die schlimmsten Folgen des Krieges zu tragen hätten.

Kommen Agrarsanktionen gegen Russland?

Weitere Sanktionen im Agrarbereich gegen Russland - etwa ein Embargo gegen russische Agrarexporte oder Ausfuhrbeschränkungen für landwirtschaftliche Produktionsmittel aus den G7-Staaten - stehen für Özdemir derzeit nicht auf der Agenda. Wörtlich sagte der Bundeslandwirtschaftsminister: "Ich wünschte, wir wären unabhängiger, das sind wir aber nicht. Wir schauen uns erst einmal alles an und prüfen, treffen aber keine Entscheidungen, die auch Auswirkungen auf Dritte haben." Özdemir erinnerte daran, wie verantwortungsvoll eine Entscheidung über Agrarsanktionen sei.

Kurzfristige Hilfe für deutsche Bauern: Aufwuchs auf Vorrangflächen als Futter freigeben

Bereits vor Ende des Sondertreffens der G7-Agrarminister betonte Özdemir, die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs für die deutschen Landwirte "schnell und pragmatisch" abpuffern zu wollen. Gleichzeitig würden "relevante Nachhaltigkeitsziele" aufrechterhalten werden. Er verwies auf ein Maßnahmenpaket für deutsche Landwirte: Als Sofortmaßnahme solle noch für 2022 der Aufwuchs auf ökologischen Vorrangflächen der Kategorien "Brache" und "Zwischenfrüchte" für Futterzwecke freigegeben werden. Damit könne ein Beitrag zur Futterversorgung geleistet und die Auswirkungen steigender Futtermittelpreise abgemildert werden. Laut Bundeslandwirtschaftsministerium haben diese Flächen 2021 rund 1 Mio. ha (Zwischenfrüchte) sowie knapp 0,2 Mio. ha (Brache) ausgemacht. 

Längerfristige Hilfe für die deutsche Landwirtschaft: Fünf Absichtserklärungen

Neben der Freigabe der Nutzung der Aufwuchses auf ökologischen Vorrangflächen als Futtermittel verwies Özdemir auf fünf weitere Ziele, für die er sich zur Unterstützung der deutschen Landwirtschaft einsetzen will:

  • Das Bundeslandwirtschaftsministerium will im Rahmen der deutschen G7-Präsidentschaft dafür arbeiten, dass "Märkte offenbleiben und der globale Handel funktioniert".
  • Die bestehende Eiweißpflanzenstrategie soll ausgebaut und finanziell gestärkt werden, um mehr regionale Futtermittel zu erzeugen und Deutschland unabhängiger bei der Versorgung mit Gentechnik-freien Eiweißfuttermitteln zu machen.
  • Programme zur Förderung von Energieeffizienz und Erneuerbaren Energien in der Landwirtschaft (2022: 48 Mio. €) sollen entbürokratisiert und attraktiver gemacht werden. Dadurch soll die Landwirtschaft unabhängiger von fossilen Energien und der Anstieg der Lebensmittelkosten für Verbraucher gedämpft werden. 
  • Das Ressort unterstützt eine "pragmatische und flexible" Prüfung aller Möglichkeiten auf EU-Ebene, weiterhin eine tiergerechte Fütterung in der ökologischen Tierhaltung zu ermöglichen.
  • Schließlich will das Ministerium die aktuelle Diskussion über Krisenmaßnahmen der EU-Kommission gegen Störungen auf den Agrarmärkten konstruktiv begleiten.

 

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