Die EU-Kommission sieht nach dem positiven Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zur Sicherheit von Glyphosat „keine Gründe gegen eine erneute Zulassung“ des Wirkstoffs. Das hat der zuständige Abteilungsleiter der EU-Generaldirektion Gesundheit (DG SANTE), Klaus Berend, im Umweltausschuss des EU-Parlaments klargestellt.
Voraussichtlich wird die Kommission daher im September vorschlagen, die Zulassung des Herbizidwirkstoffs zu verlängern. Im Oktober sollen die Mitgliedstaaten dann über den Verordnungsvorschlag abstimmen.
„Ich werbe hier für ein Nein“, bekräftigte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir gestern (25.7.) beim EU-Agrarrat in Brüssel seine ablehnende Haltung zu einer Wiederzulassung.
Gutachten stehen Glyphosat-Verbot im Weg
Aber Özdemir, der in der Vergangenheit stets ein nationales Verbot von Glyphosat ab 2024 in Aussicht gestellt hat, weicht davon nun vorsichtig ab. Zwar besagt der Koalitionsvertrag eindeutig „Wir nehmen Glyphosat bis Ende 2023 vom Markt.“
Dieses Versprechen der Ampel-Koalition steht rechtlich jedoch auf wackligen Füßen, nachdem die EFSA Anfang Juli in ihrem Gutachten zu dem Schluss kam, dass aus wissenschaftlicher Sicht keine grundsätzlichen Bedenken gegen ein erneute Zulassung des Herbizidwirkstoffs bestehen. Die Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) hatte bereits im Vorjahr erklärt, dass die Kriterien für eine Einstufung von Glyphosat als karzinogener, mutagener oder reproduktionstoxischer Stoff nicht erfüllt sind.
Özdemir: Bin bei Glyphosat natürlich an die rechtliche Lage gebunden
Falls eine Mehrheit der Mitgliedstaaten einer Verlängerung der Zulassung zustimmt, wie das 2017 der Fall war, wäre ein nationales Glyphosat-Verbot, ausgesprochen durch das zuständige Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), rechtlich angreifbar. Die Folge könnten hohe Schadenersatzforderungen durch die chemische Industrie sein, die direkt auf den Bundeshaushalt zukämen.
Das wird Minister Özdemir offenbar zunehmend klar. Am Rande des EU-Agrarrates monierte er daher zwar, das EFSA-Gutachten berücksichtige „die Auswirkungen auf die Natur nicht ausreichend“. Zugleich schränkte Özdemir ein: „Am Ende des Tages bin ich natürlich gebunden an die rechtliche Lage“. Das legt den Schluss nah, dass die Bundesregierung in Brüssel zwar gegen eine Verlängerung der Zulassung stimmen wird, eine Mehrheitsentscheidung letztlich aber umsetzen würde.
Mitgliedstaaten sollen im Oktober über Wiederzulassung abstimmen
Ohne eine Verlängerung durch die EU würde die Zulassung von Glyphosat in der Gemeinschaft am 15. Dezember 2023 auslaufen.
Für eine Entscheidung für oder gegen Glyphosat ist eine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel (SCoPAFF) erforderlich. Sollte diese in zwei Abstimmungen nicht zustande kommen, entscheidet die Kommission über ihren Vorschlag.
Beim Votum im November 2017 hatte der damalige CSU-Agrarminister Christian Schmidt „auf eigene Faust“ überraschend für die Zulassung gestimmt und damit seine Kollegin im SPD-geführten Umweltministerium, Barbara Hendricks, brüskiert. Das hatte Schmidt sogar eine Rüge durch Bundeskanzlerin Angela Merkel eingetragen.
Umwelthilfe verklagt Deutschland wegen der Zulassung von Roundup
Das eigenmächtige Abstimmungsverhalten hatte Schmidt damals fast sein Ministeramt gekostet. Glyphosat ist nicht erst seit diesem Vorfall ein politisch hochbrisantes Dossier. Auch jetzt wieder erhöhen die Interessengruppen den Druck immer mehr, je näher die Entscheidung in Brüssel rückt.
So reichte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) heute mit Unterstützung von foodwatch Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland auf Aberkennung der Zulassung des Glyphosat-Totalherbizids Roundup PowerFlex vor dem Verwaltungsgericht Braunschweig ein. Zur Begründung verwies die DUH auf schädliche Auswirkungen von Glyphosat auf die Artenvielfalt.
Es scheint, dass sich die Gerichte in Deutschland so oder so mit der Glyphosat-Zulassung beschäftigen müssen, egal ob sie verlängert wird oder nicht.
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