Es hätte alles so klar sein können: Auf den Straßen demonstriert dicht an dicht die Jugend der Industrienationen für sofortiges Handeln gegen den drohenden Klimakollaps. Die Artenvielfalt, insbesondere bei den Insekten, ist bedroht und ein Retter wird gesucht. Die Menschen sehnen sich nach mehr nachhaltig produziertem Essen. Genau in diesem Moment tritt, als Ritter in schimmernder Rüstung, die EU-Kommission auf und weist mit zwei Strategien den Weg in die grüne neue Welt. So war der Plan in Brüssel – doch dann kam Corona.
Corona-Krise ändert Perspektive auf Green Deal
Auf einen Schlag hat sich erwiesen, dass vielen Menschen Klima- und Artenschutz doch nicht so wichtig sind, vor allem, wenn sie sich selbst einschränken müssen. In den Supermärkten wurde gehamstert was ging, sogar manche eisernen Bahnpendler sind auf private PKWs ausgewichen und die vielen Kurzarbeiter und Arbeitslose dürften künftig mehr an ihr Haushaltseinkommen denken als an andere Dinge.
Green Deal muss angepasst werden
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Das ist kein Plädoyer dafür, angesichts der drohenden Weltwirtschaftskrise auf Umweltschutz und Nachhaltigkeit zu verzichten. Aber trotzdem sollte man einige Punkte im Green Deal anpassen. In der Politik geht es nämlich nicht immer um das, was objektiv richtig oder falsch ist. Es geht schlicht auch darum, sich kurzfristig in ein gutes Licht zu rücken. Oder warum sonst sollte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sich derzeit als Vorkämpferin für den Strandurlaub im Sommer präsentieren? Zu einer Zeit, wo wir immer noch weit davon entfernt sind, dass es wieder normalen Unterricht für alle Schulkinder gibt? Ist der Sommerurlaub am Meer wirklich wichtiger als die Bildung unserer Kinder?
Frans Timmermans bei Green Deal beratungsresistent
Der Stellvertretende Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, zeigt sich bei seiner Vision eines Green Deals hingegen beratungsresistent. Agrarheute liegen mehrere interne Entwürfe der Farm-to-Fork-Strategie vor. Bis Ende vergangener Woche waren darin zu den Folgen der Corona-Pandemie für die Versorgungssicherheit nur drei dünne Absätze. In ihnen stand, dass die Kommission die Lage genau beobachten wolle. In der offiziellen Fassung sind es vier, inhaltlich hat sich darin aber nichts Wesentliches verändert. Hinzugekommen ist lediglich ein Notfallplan zur Nahrungssicherheit, der entwickelt werden soll.
Gleichzeitig wurden aus sechs Absätzen zum Thema nachhaltigere Lebensmittelproduktion in der jüngsten Fassung siebzehn Absätze. Darin kehren auch die umstrittenen Vorgaben zur pauschalen Senkung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln und Dünger und des Antibiotikaeinsatzes in der Nutztierhaltung bis 2030 wieder zurück.
Was jetzt geschehen muss
Es steht der EU-Kommission frei, all das vorzuschlagen. Aber die EU-Staaten und das Europaparlament müssen sich gut überlegen, in wie weit sie es mittragen wollen. Insbesondere weil sich die Generaldirektion von Frans Timmermans im Vorfeld der Ankündigung ihrer Strategie nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat, was die Einbindung von Zivilgesellschaft, Presse, Nationalstaaten und anderen wichtigen Akteuren wie etwa dem EU-Agrarkommissar angeht. Nachhaltigkeit steht nicht nur auf der Säule der Ökologie, sondern auch von Ökonomie und Sozialem. Und diese beiden Säulen stehen in Corona-Zeiten im Sturm.
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