Nachdem vor weniger als einem halben Jahr 22 Grünen-Mitglieder ein Thesenpapier über ein zeitgemäßes Gentechnikrecht veröffentlichten, löschte die Bundestagsfraktion die ersten zarten Flammen einer veränderten Positionierung mit einem schnellen Beschluss: Die strenge Gentechnik-Regulierung in Europa unter dem geltenden Vorsorgeprinzip soll beibehalten werden.
Dass es bei den Grünen weiter um das Thema brodelte, bewies spätestens der im Sommer veröffentlichte Entwurf zum neuen Grundsatzprogramm, in dem der Gentechnik eine für die Partei bemerkenswerte Offenheit entgegengebracht wurde. Als Grundsatz aufgenommen werden sollte:
„Forschung zu neuer Gentechnik soll ebenso gestärkt werden wie alternative Ansätze, die auf traditionelle Züchtungsverfahren setzen.“
Schade, dass dieser Wortlaut am Wochenende aber gar nicht zur Debatte stand.
Parteitag stimmte über geänderte Fassung ab
Eine aktive Förderung der neuen Methoden war den Gentechnikkritikern dann nämlich doch zu viel. Nachdem der Vorstand die Passage im Entwurf geändert hatte, stimmten die Delegierten stattdessen darüber ab, ob die konventionellen Züchtungsmethoden gefördert werden sollen. Was die neue Gentechnik betraf, sollten die Mitglieder auf Vorschlag des Vorstands lediglich einer verbesserten Risiko- und Nachweisforschung zustimmen. Und das taten sie dann auch.
Wenn die Überzeugungskraft nicht reicht
Zwischen gegensätzlichen Strömungen innerhalb einer Partei einen Kompromiss zu finden und dabei alle Generationen und Interessen zusammenzuhalten, erscheint zunächst einmal begrüßenswert. Nach der Veröffentlichung des Thesenpapiers und dem anschließenden Beschluss der Bundestagsfraktion stellte zum Beispiel auch Gentechnikgegner und Europa-Politiker Martin Häusling klar, dass demokratische Abstimmungen und Kompromissfindungen zur offenen Debatte in seiner Partei gehörten.
Die umstrittene Passage im Grundsatzprogramm zeigt jedoch auch, dass der Grat zwischen Veränderung und Kompromiss äußerst schmal ist. Es drängt sich unweigerlich die Frage auf, inwiefern die Haltung der Grünen zur neuen Gentechnik sich mit dem Programm überhaupt verändert hat. Das Motto des Wahlprogramms der Grünen von 2017 – „Zukunft wird aus Mut gemacht.“ – wird an dieser Stelle jedenfalls kaum widergespiegelt. Welchen Titel wohl das kommende Wahlprogramm tragen wird?
„Bock auf besser“ im „Grundsatzprogramm-Prozess“
Dabei haben die Grünen zu Beginn ihres „Grundsatzprogramm-Prozesses“, der über zwei Jahre andauerte, trotz seiner begrifflichen Sperrigkeit eine Menge Euphorie ausgestrahlt und hatten „Bock auf besser“. Umso bedauerlicher ist es, dass sich die spirituelle Leidenschaft „in einer krass politischen Zeit“ bei der neuen Gentechnik nicht bis zum Ende des Prozesses fortgesetzt hat.
Die Statements „Veränderung schafft Halt“ und „Zukunft wird aus Mut gemacht“ hätte ich in der ursprünglichen Version des Grundsatzprogramms jedenfalls eher wiedergefunden als in der abgeänderten Fassung, die den Delegierten am Samstag zur Abstimmung vorgelegt wurde.
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