Damit wir uns nicht missverstehen: Der Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland ist sinnvoll und wichtig. Nicht nur, damit wir uns unabhängiger von den „lupenreinen Demokraten“ in aller Welt machen, die uns fossile Energieträger verkaufen. Nicht nur, weil der Kohleabbau immer noch landwirtschaftliche Flächen vernichtet, wie kürzlich erst in Lüzerath. Sondern auch, weil der Kampf gegen die Klimakrise es erforderlich macht, unsere Gesellschaft zu dekarbonisieren. Doch diesen Weg geht Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck mit seinem Osterpaket - dessen wesentlicher Bestandteil eine Novellierung des Erneuerbaren-Energien Gesetzes (EEG) ist - ohne eine entscheidende Frage zu beantworten.
Warum das Osterpaket mehr Flächenfraß bedeutet
Für die Landwirtinnen und Landwirte bedeutet Habecks Osterpaket zunächst deutlich mehr Flächenversiegelung, also Flächenfraß. Neue Windräder werden nicht nur in Naturschutzgebieten entstehen, neue Photovoltaik nicht nur als doppelt genutzte Agri-PV auf Moorstandorten, sondern auch als Flächen-PV in Gunstlagen. Beispiel Windenergie an Land: Ende 2021 gab es Anlagen mit einer Leistung von rund 56 GW, bis 2030 sollen es mit rund 115 GW doppelt so viel sein. Die Flächenversiegelung pro Windrad ist zwar überschaubar, in der Summe läppert es sich aber zusammen. Die Folge: Weniger landwirtschaftliche Nutzfläche, höhere Pachtpreise und teurere Lebensmittel.
Warum die Tierhalter besonders betroffen sein werden
Vielfach eingeschossen haben sie die Grünen ja bereits auf die Tierhaltung. Teller statt Trog ist ihr nicht ganz neuer Schlachtruf. Doch sie selbst rufen eigentlich gerade „Steckdose statt Teller“. Denn wenn Flächen frei werden weil Tierhalter aufhören, dann können auf den Flächen Photovoltaik-Anlagen entstehen. Gerade auf Grünlandflächen kann man wunderbar PV bauen Weil Habeck aber um den Vorwurf einer „Verspiegelung“ der Landschaft weiß, greift er beim Osterpaket zu einem Trick: Die Länder sollen entscheiden, ob sie Grünland für PV-Anlagen freigeben. Ganz nach dem Motto: „Wer von Euch den Müll rausbringt, ist egal, solange ich es nicht machen muss.“ Angesichts der Krise in der Tierhaltung ist es durchaus möglich, dass manche Tierhalter auf Energie umsatteln. Das bedeutet aber entweder mehr Konzentration in der Tierhaltung – die ist politisch derzeit nicht gewollt – oder weniger Nahrungsproduktion und wiederum teurere Lebensmittel.
Warum Strompreise dauerhaft hoch bleiben
Dauerhaft teurer werden muss nach Habecks Plänen auch der Strom. Denn die Energiewende soll nicht der Staat bezahlen, sondern private Investoren. Damit die aber ihr Geld investieren, brauchen sie eine Rendite, die höher ist als die allgemeine Inflationsrate. Habeck selbst hat gesagt, dass die Stromverbraucher die Preise über Umlagen bezahlen werden. Heißt: Wenn der Strom in ein paar Jahren deutlich weniger kosten würde als die allgemeine Preisentwicklung, gäbe es für Investoren keine Rendite und damit auch keine weiteren Investitionen. Dass die allgemeine Preisentwicklung für Investitionen in erneuerbare Energien aber schon ganz ohne Habecks Pläne oder den Krieg in der Ukraine stark nach oben geht, weiß jeder Hausbesitzer, der über eine Dämmung, Wärmepumpe oder Heizung nachdenkt und versucht, dafür einen Handwerker zu finden und einen Kostenvoranschlag zu bekommen. Die Baukosten explodieren.
Woher kommt das Wirtschaftswachstum, wenn die Preise steigen?
Wenn Lebensmittel und Strom dauerhaft deutlich teurer werden, ist auch das an sich noch nicht schlimm. Dramatisch wird es erst, wenn das Wirtschaftswachstum nicht ausreichend Schritt hält, damit die Menschen im Land sich die höheren Kosten leisten können. Dann bedeuten Habecks Pläne nämlich mehr Armut. Doch genau darauf steuern wir zu. Habeck selbst hält sich bei den Kosten des Osterpakets bedeckt und deutet an, dass es für die Steuerzahler nicht schlimmer wird - siehe das Ende der EEG-Umlage im Sommer 2022. Ehrlich wäre es zu sagen, dass auf Deutschland in den kommenden Jahren viel Schweiß und Tränen zukommen werden. Denn wer fängt all diejenigen auf, die sich die höheren Lebenshaltungskosten nicht leisten können? Entweder bürgerliches Engagement über Organisationen wie die Tafeln oder der Staat über die Sozialhilfe. Und damit letztlich doch wieder die Allgemeinheit.
Ohne mehr Wirtschaftswachstum scheitert die Energiewende
Die Energiewende in Deutschland kann nur gelingen, wenn das Wachstum der Wirtschaft groß genug ist, um die neuen Investitionen zu bezahlen. Wenn der „Kuchen“, den eine Volkswirtschaft produziert, nicht größer wird, kann man die einzelnen Stücke unter Tüchern verschieben, die „Klimafonds“ oder „Bürgerenergieprojekte“ heißen und damit Taschenspielertricks betreiben. Der Kuchen wird dadurch nicht größer. Das gelingt nur, wenn man gezielt Unternehmertum fördert, dereguliert, Produktivität steigert, Forschung und Entwicklung vorantreibt und letztlich mit weniger Ressourcen mehr erwirtschaftet. Die Antwort auf die Frage, wie genau das gelingen soll, bleibt Robert Habeck aber schuldig.
Wichtiger Artenschutz gegen unwichtigen Artenschutz
Was sich rund um das Osterpaket abzeichnet, ist, dass die Grünen im Besonderen und die Bundesregierung im Allgemeinen künftig genau zwischen "wichtigem" und "unwichtigem" Artenschutz unterscheiden. Laut Habecks Osterpaket sollen Konflikte um den Artenschutz künftig den Ausbau der Windenergie nicht stoppen. Umweltministerin Steffi Lemke sagt: "Die Bremsklötze sind weg." Der Artenschutz, der mehr Strom verhindert, ist also nicht so wichtig. Fast gleichzeitig feiern die Freunde der Grünen in der Presse Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir dafür, dass es er im Bundesrat keine Schlappe mit seinen Plänen erlebt hat, die ökologischen Vorrangflächen nur für die Futternutzung und nicht für mehr zu öffnen. Selbst wenn Özdemir damit zum Geisterfahrer der EU-Agrarpolitik wird. Özdemir selber lässt unterdessen vorrechnen, dass auf diesen Flächen ohnehin fast gar keine Nahrung angebaut werden könnte und das alles angesichts der hohen Bedeutung der Flächen für den Artenschutz aus globaler Sicht gar nicht ins Gewicht fällt. Der Artenschutz, der mehr Essen verhindert, ist also sehr wichtig.
Die Politik von "Steckdose statt Teller" und ihre Gefahren
Robert Habecks Osterpaket läuft - in seiner jetzigen Form - auf eine Politik von Steckdose statt Teller hinaus. Manche Landwirte mögen das vielleicht begrüßen, denn der schlechte Ruf, unter dem viele konventionelle Tierhalter seit Jahren leiden, zehrt an ihnen. Weg mit der Tierhaltung und über das Anbieten von Strom zum "Ölscheich von morgen" werden, wie das Renate Künast einst formulierte, als sie Bundeslandwirtschaftsministerin war? Mag sein, dass sich das in manchen Fällen wirtschaftlich rechnet. Doch wieviel Verlass ist auf einen deutschen Sonderweg in der EU bei der Energiewende, der gleichzeitig die Sicherheit der Direktzahlungen in der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik hinter sich lässt? Wieviel Verlass ist auf eine Politik, die uns langfristig bei der Nahrungsproduktion so abhängig von Importen machen wird, wie es aktuell bei Öl und Gas der Fall ist? Und gehen wir mit diesen Risiken im Rücken, mit der großen Gefahr von mehr Armut für viele in diesem Land, wirklich den bestmöglichen Weg, um die gewaltige Herausforderung Klimawandel zu bewältigen? Ich glaube nicht.
Hier ist Ihre Meinung gefragt
Werden Sie Teil unserer Community und diskutieren Sie mit! Dazu benötigen Sie ein myDLV-Nutzerkonto.