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Klimakiller-Diskussion: Kaniber zofft sich mit Hannes Jaenicke

Diskutierten in der Münchner Runde über die Rolle der Landwirtschaft am Klimawandel: Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber und der Schauspieler Hannes Jaenicke.
am Freitag, 10.02.2023 - 12:30 (22 Kommentare)

Die Landwirtschaftsministerin und der Schauspieler geraten bei einer Diskussion aneinander. Doch in einem Punkt sind sich beide einig.

Jaenicke-Kaniber-Streit

Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) verzieht das Gesicht. In einer Schale vor ihr liegen getrocknete Mehlwürmer mit Knoblauchgeschmack. Die Ministerin blickt skeptisch. „Ich würde gerne allen anderen den Vortritt lassen.“

Doch Kaniber kommt nicht aus. In der „Münchner Runde“ fordert BR-Landespolitikchef Achim Wendler seine Gäste auf, die knusprigen Würmer zu probieren. Drei Geschmacksrichtungen hat er mitgebracht: Salziger Zimt, Salz und Knoblauch.

Vegetarier Jaenicke greift bei Insekten zu

Der Schauspieler Hannes Jaenicke ist Parteimitglied der Grünen. Als Autor veröffentlichte er das Buch „Die große Sauerei“.

In kleinen Glasschalen sind die Würmer drapiert. Selbst Schauspieler und Buchautor Hannes Jaenicke greift zu – obwohl er eigentlich Vegetarier ist. „Ich habe gesündigt“, wird er kurz darauf sagen. „Ich bin hauptsächlich Vegetarier und würde ansonsten Insekten auch nicht essen, weil es Tiere sind.“

Für Lucki Maurer schmecken Insekten wie Puffreis

Koch und Rinderzüchter Lucki Maurer lässt sich nicht lange bitten. „Wenn ich es blind verkoste, könnte es genauso gut Puffreis sein“, lautet sein Fazit. „Es ist jetzt nicht so, dass die einen Eigengeschmack hätten.“ Professor Kai Purnhagen vom Lehrstuhl für Lebensmittelrecht an der Uni Bayreuth greift gleich nochmals zu: „Ich finde es ganz lecker.“ Am Anfang seien die Würmer zwar gewöhnungsbedürftig, aber „umso mehr man das tut, umso normaler wird es“.

Sollen Insekten in Bayern auf den Speiseplan?

Die Anbieter von Würmern auf dem deutschen Lebensmittelmarkt werben damit, dass die Larven mit ihrem Nährwert sogar hochwertiges Fleisch übertreffen würden. In Asien, Afrika, Süd- und Mittelamerika sei der Insektenverzehr deshalb schon verbreitet. Stehen Würmer künftig auch in Bayern auf dem Speiseplan? Moderator Achim Wendler leitet die Diskussion geschickt ein: Es sei ein Schreck für viele Menschen gewesen, dass die Europäische Union vor ein paar Tagen Insekten als Lebensmittel zugelassen hat, sagt er. Sei das der Beginn einer Ernährungsrevolution?

Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber schließt das nicht aus. Wenn die Weltbevölkerung weiter wächst, „muss man sich früher oder später Gedanken machen“. Dann sei auch die Frage erlaubt, woher künftig die Proteine kommen sollen. In Bayern gebe es bereits Forschungsprojekte, bei denen es um Insekten gehe. „Unsere bayerischen Bauern können alles produzieren.“ Ihr sei es gleich, was die Leute essen. „Aber ich wünsche mir, dass alle Produkte aus Bayern kommen.“

Jaenicke: Landwirtschaft hat ein CO2-Problem

Doch welche Produkte sollen auf den Teller? „Fleisch ist ein klimaschädliches Produkt“, sagt der Schauspieler, Klimaaktivist und Buchautor Hannes Jaenicke. „Weniger Fleisch ist der größte Hebel für die Weltrettung.“ Der Agrarindustrie bescheinigt Jaenicke ein „CO2-Problem“. Das für die wachsende Weltbevölkerung künftig benötigte Protein könne seiner Meinung nach nicht aus dem Meer oder dem Fleisch kommen. Jaenickes Vorschlag: „Auf Hülsenfrüchte umsatteln.“

In der Sendung wiederholt Jaenicke seine bekannten Argumente. 60 Prozent der Agrarflächen würden für Futtermittelanbau „verballert“, die Massentierhaltung sei „ein „glatter Gesetzesbruch“. Wörtlich sagt Jaenicke: „Wer einmal in eine Schweinezucht geguckt hat: Diese Tiere... Da kann man das Wort Tierwohl gar nicht in den Mund nehmen. Das ist eine Unverschämtheit.“ Jaenickes kürzlich erschienenes Buch „Die große Sauerei“ ist umstritten. Die Freien Bauern teilten im vergangenen Jahr mit, dass sie den Autor wegen seiner Aussagen in der TV-Talkshow 3nach9 verklagen wollen.

Kaniber verteidigt bayerische Viehhalter

Fleisch als Klimakiller? „Da muss ich gleich widersprechen“, empört sich die Ministerin. „Man sollte sich schon damit auseinandersetzen. Man kann auch über eine besondere Fütterung und besondere Melkprozesse den Methanausstoß reduzieren.“ Die Landwirtschaft grundsätzlich als Klimakiller anzuprangern, sei aus ihrer Sicht nicht richtig. Ganz im Gegenteil: „Wir speichern so viel CO2, gerade im Grünland. Wenn wir das alles zu Acker machen müssten, dann würden wir genau dieses schädliche CO2 wieder freisetzen.“

Kaniber: Auch veganes Essen müsse gedüngt werden

Nur ein tierischer Magen könne Grünland verwerten. „Zwei Drittel der Flächen auf dieser Erde sind Grünflächen und Grünstreifen. Was sollen wir denn damit machen?“ Außerdem müsse auch veganes Essen gedüngt werden. „Soll das einzig und allein mit künstlichem Dünger passieren?“ Laut der Landwirtschaftsministerin erfordere das noch wesentlich mehr Energie. „Die Kreislaufwirtschaft ist tatsächlich genau das, was wir brauchen. Und das passiert in Bayern!“

Kaniber warnt vor „importierten Tierleid“

Die CSU-Staatsministerin erneuert zudem ihre bekannte Kritik an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). Die Fördergelder für artgerechtere Haltungsformen seien nicht ausreichend. So werde die heimische Tierhaltung vernichtet. „Wir verlagern die Produktion von Fleisch in andere Länder mit noch weniger Standards und importieren genau dieses Tierleid, denn es wird auch in Zukunft Fleisch gegessen.“ In Asien würden sogar sechsstöckige Schweinemastställe gebaut, sagt die Ministerin.

Einig sind sich Jaenicke und Kaniber in einem Punkt: Es brauche ein Umdenken. Lebensmitteleinzelhandel und Verbraucher seien gleichermaßen gefragt. Nahrungsmittel hätten für die Gesellschaft keinen Wert mehr, kritisiert Jaenicke. Die ganze Diskussion um die Zukunft der Landwirtschaft werde seiner Ansicht nach auf dem Rücken der Landwirte ausgetragen. Viele Bauern seien am Ende ihrer Kräfte. „Warum reden wir nicht über die Lebensmittelindustrie und die großen Lebensmittelkonzerne? Die machen Druck und bekommen immer mehr Macht über die gesamte Lieferkette.“

Mehr Wert für Lebensmittel eingefordert

Die Lösung gelinge nur gemeinsam, erklärt Kaniber. „Jeder auf seiner Position muss liefern.“ Es brauche die gesamte Wertschöpfungskette und auch den Lebensmitteleinzelhandel.

Dem stimmt Lucki Maurer, Koch und Wagyu-Rinder-Züchter, zu. „Mein Ansatz wäre, wieder normal zu denken.“ Der altbewährte Sonntagsbraten müsse für die Gesellschaft wieder etwas wert sein. „Wenn ich ein gutes Stück Fleisch will, werde ich nicht in einen Discounter gehen. Dann gehe ich zum Metzger, wo ich weiß, dass es regional und transparent ist. Ich will doch wissen, wo es herkommt!“

Der Artikel ist zuerst beim Bayerischen Landwirtschaftlichen Wochenblatt erschienen. 

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