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EU-Agrarreform

Klöckner: Grüne wollen Agrarende, nicht Agrarwende

Bundesagrarministerin Julia Klöckner
am Mittwoch, 28.10.2020 - 17:45 (Jetzt kommentieren)

Eine kämpferische Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner hat heute in einer turbulenten Aktuellen Stunde im Bundestag die Beschlüsse der EU-Agrarminister zur GAP-Reform gegen Kritik vor allem von den Grünen verteidigt.

Nach den Beschlüssen der EU-Agrarminister zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), die unter dem Vorsitz von Landwirtschaftsministerin Klöckner Anfang voriger Woche ausverhandelt worden waren, hatte die CDU-Politikerin heftige Kritik vor allem an dem von ihr verkündeten „Systemwechsel“ einstecken müssen. Die grüne Bundestagsfraktion hatte daher für heute kurzfristig eine Aktuelle Stunde im Bundestag beantragt.

Doch Klöckner nutzte die Gelegenheit zu einer kämpferischen Verteidigung der Beschlüsse im Agrarrat. „Wir haben einen Systemwechsel eingeleitet, weil es keinen Euro mehr an Direktzahlungen gibt, die nicht an Umweltanforderungen gebunden sind“, hob die CDU-Politikerin hervor. Das tue den Grünen weh, „weil es nicht in ihr Weltbild passt“. Sie warf den Grünen vor, sie wollten „keine Agrarwende, sondern das Agrarende für unsere Bauern in Deutschland“. Bauern seien aber keine Landschaftsgärtner, sondern sie sorgten für die tagtägliche Ernährung von 450 Millionen Verbrauchern in Europa, und das solle auch so bleiben. „Von 100 Prozent Blühstreifen wird keiner satt“, so Klöckner.

Sexismus bei den Grünen?

Renate Künast, Grüne

Der agrarpolitische Sprecher der bündnisgrünen Fraktion, Friedrich Ostendorff, nannte Klöckners Wort vom „Systemwechsel“ gleichwohl einen Etikettenschwindel und Irreführung. 80 Prozent der Förderung würden weiter über die Fläche verteilt mit minimalsten Anforderungen. Klöckner sei „leider noch immer zu viel Weinkönigin und zu wenig gestaltende Ministerin“, so Ostendorff. Diese Formulierung trug ihm von Unionsagrarsprecher Albrecht Stegemann den Vorwurf eines „Anflugs von Sexismus“ ein.

Ostendorff bekräftigte die Forderung der Grünen nach einer Gemeinwohlprämie für starke Gemeinwohlleistungen.

Eine ungewöhnlich zurückhaltende Renate Künast stellte fest, sie sehe nicht, dass bäuerliche Betriebe von den Beschlüssen wirklich profitierten. Künast sagte ferner, der Vorsitzende der Zukunftskommission Landwirtschaft, Dr. Peter Strohschneider, frage sich, wie die Zukunftskommission noch eine nachhaltige Landwirtschaft entwerfen können solle, wenn in der EU bereits die Weichen für die nächsten sieben Jahre gestellt worden seien.

AfD rügt Verantwortungs-Pingpong und Klientelpolitik

Andreas Bleck von der AfD-Fraktion konstatierte, die Grünen pflegten ihr Feindbild von der Landwirtschaft und setzten ihren ideologisch motivierten Kreuzzug gegen die Landwirte fort. Aber auch die Bundesregierung treibe die Produktionskosten der Bauern durch neue Auflagen in die Höhe, so Bleck. Diese Bundesregierung habe Zehntausende bäuerliche Betriebe vernichtet, damit müsse endlich Schluss sein. Die Bauern hätten kein Verständnis mehr für das „Verantwortungs-Pingpong“ zwischen dem Umwelt- und dem Landwirtschaftsministerium.

Stephan Protschka, ebenfalls AfD, kann in dem Ratskompromiss keinen Systemwechsel erkennen. Klöckner habe es nur geschafft, „dass der Landwirt noch mehr Auflagen erfüllen muss und dafür noch weniger Geld bekommt“. Er forderte Rahmenbedingungen, damit die Landwirte von ihrer eigenen Hände Arbeit leben könnten; dann komme der Umweltschutz von allein. Den Grünen warf Protschka vor, ihnen gehe es nur um Klientelpolitik. Sie wollten mehr Geld in der Zweiten Säule, von der dann die Umweltverbände profitierten.

SPD drängt auf den nationalen Strategieplan

Dr. Matthias Miersch, SPD, kritisierte, der von Klöckner ausgehandelte Kompromiss reiche nicht. Im Trilog müsse noch viel mehr herausgeholt werden, damit mit Steuergeldern öffentliche Güter bezahlt würden. Das gegenwärtige System überfordere die Landwirte, die Tiere und den Boden, so Miersch. Wer die deutsche Landwirtschaft schützen wolle, müsse dem „immer höher, immer weiter“ Grenzen setzen. Der SPD-Abgeordnete Carsten Träger hielt den Grünen vor, sich dem Reformprozess auf europäischer Ebene zu verweigern. Man könne in der EU nicht immer mit Maximalforderungen in die Verhandlungen hereingehen.

SPD-Agrarsprecher Rainer Spiering versicherte, die SPD bekenne sich zur Landwirtschaft in Deutschland, „ohne Wenn und Aber“. Dazu werde die SPD in Kürze ein Papier vorlegen. Spiering ging auf das neue Instrument der nationalen Strategiepläne ein. Es sei „höchste Eisenbahn“, dass das Bundesministerium die Strategieplanung vorlege und mit dem Parlament berate.

Lob und Tadel von Liberalen und Linken

Carina Konrad von der FDP warf den Grünen vor, die Landwirtschaft auf die Rote Liste der bedrohten Arten zu setzen. Sie lobte Klöckner, mit dem Kompromiss im Rat die Agrarwende eingeleitet und damit die Politik der Grünen überflüssig gemacht zu haben. „Jetzt geht es darum, den Deal auszugestalten und weitere Wettbewerbsverzerrungen in der EU zu verhindern“, sagte Konrad.

Die agrarpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, Dr. Kirsten Tackmann, bekannte im Plenum, bei der Bewertung der Reformbeschlüsse hin- und hergerissen zu sein. Positiv erwähnte sie, dass es gelungen sei, eine Blockade gegen jede Veränderung zu verhindern. Allerdings wünschte sich Tackmann eine stärkere Ausrichtung der Förderung an Gemeinwohlleistungen. Von den Fördermitteln sollten die Agrarbetriebe profitieren, nicht „Tönnies und Aldi“.

Union: Unter Künast wurde die bedingungslose Flächenprämie eingeführt

Gitta Connemann, CDU

Redner der Unionsfraktion nutzten die Aussprache, um die Grünen an ihre Mitverantwortung für das bestehende Fördersystem zu erinnern. Artur Auernhammer, CDU/CSU, wies Künast darauf hin, dass in ihrer Amtszeit als Bundeslandwirtschaftsministerin 2004 Direktzahlungen beschlossen worden seien, die nur nach der Fläche ausgezahlt werden. Es sei der Erfolg Klöckners, dass die Zahlungen nun an Umweltleistungen geknüpft würden.

Gitta Connemann, CDU/CSU, nannte die Fundamentalkritik der Grünen an dem Reformkompromiss „reine Heuchelei“. Die Zahlungen würden europaweit flächendeckend an Umweltauflagen gebunden, „aber egal, was getan wird, die Grünen können das nicht anerkennen, weil es von der Union kommt und das gegen ihren Lieblingsprügelknaben Landwirtschaft geht“, wetterte Connemann. Sie unterstrich, „unsere Landwirte können auch Landschaftspfleger, aber das gefährdet die Selbstversorgung mit Lebensmitteln“. Sie forderte ein Staatsziel Ernährungssicherung im Grundgesetz.

Erweiterte Konditionalität übersteigt die Anforderungen des Greening

Albert Stegemann, ebenfalls CDU/CSU, gestand ein, er habe nicht mit einer Einigung im Agrarrat gerechnet. Dass nun endlich verbindliche Umweltstandards für alle Mitgliedstaaten festgelegt würden, sei ein gutes Verhandlungsergebnis für Landwirte und Bürger.

Hermann Färber, CDU/CSU, konstatierte, es sei definitiv ein Systemwechsel gelungen. Alle Direktzahlungen würden an eine erweiterte Konditionalität gebunden, die weit über das bisherige Greening hinausgehe.

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