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Ackerland in Bauernhand

Kampf gegen Bodenspekulation: Klöckner nennt 11 Maßnahmen

Raps- und Weizenfelder in Kulturlandschaft westlich von Jena
am Mittwoch, 28.04.2021 - 07:38 (Jetzt kommentieren)

Die Bodenpreise explodieren. Agrarholdings sind auf dem Vormarsch. Jetzt will Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner mit einem Bündel von Maßnahmen gegensteuern. Doch dafür braucht sie die Länder.

Seit 2005 sind die Kaufpreise für Agrarflächen in Deutschland um mehr als 200 Prozent gestiegen. Landwirte können den Boden kaum mehr bezahlen, denn reiche Investoren legen ihr Geld in großen Agrarholdings an. Diesem überhitzten Bodenmarkt will Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner nun eine kalte Dusche verordnen.

In einer „Initiative für einen gerechten Bodenmarkt“, die agrarheute vorliegt, beschreibt sie 11 Maßnahmen, mit denen die Agrarstruktur vor einem weiteren Siegeszug der Agrarholdings gerettet werden soll.

Preissteigerung um 200 Prozent seit 2005

Kaufwerte landwirtschaftlicher Flächen

Ein Blick in die Verkaufsstatistik zeigt das Problem: Kostete ein Hektar Agrarland in Deutschland im Jahr 2005 durchschnittlich noch 8.692 Euro, musste ein Landwirt für die gleiche Fläche 2019 schon 26.439 Euro hinlegen.

Dabei hat die Produktivität der Landwirtschaft im selben Zeitraum nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums nur um 22 Prozent zugenommen. Mit der Produktivitätsentwicklung der Landwirtschaft ist der extreme Anstieg der Bodenpreise also nicht zu erklären.

Klöckner: Die Länder haben zu spät geschaltet

Aus Sicht des Bundes sind Spekulanten ein wesentlicher Treiber der Entwicklung: Sie legen ihr Geld in Agrarbetrieben an, weil das knappe Gut Boden gute Renditen verspricht.

Klöckner wirft den Ländern – mit einer Ausnahme – vor, zu spät erkannt zu haben, dass Kapitalanleger seit der Finanzkrise 2007 den Preisauftrieb drastisch verschärfen, zusätzlich zur innerlandwirtschaftlichen Konkurrenz. Die Ausnahme ist Baden-Württemberg, das im Rahmen seiner Länderkompetenz wirksame Maßnahmen gegen die Bodenspekulation ergriffen habe. Alle anderen Länder verfügten im Bodenrecht zwar über die notwendigen Instrumente, würden sie aber nicht konsequent anwenden, so das Bundesressort.

Anteilskäufe sollen in das Bodenrecht

Julia Klöckner ist Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft.

Klöckner schlägt darum 11 Gegenmaßnahmen vor, von denen immerhin vier allein in der Zuständigkeit der Länder liegen, die seit der Föderalismusreform für das Grundstückverkehrsrecht zuständig sind. Für die meisten anderen Maßnahmen müssten Bund und Länder an einem Strang ziehen.

  1. Anteilskäufe an Landwirtschaftsbetrieben, die sogenannten Share Deals, sollen in das Bodenrecht einbezogen werden. Allein von 2007 bis 2017 haben die Betriebe überregionaler Holdings durchschnittlich um 41 Prozent an Fläche zugelegt.
  2. Die Schwelle zur Auslösung der Grunderwerbsteuer bei Share Deals wird von 95 auf 75 Prozent gesenkt. (Anmerkung der Redaktion: Der Bundestag hat allerdings erst vorige Woche eine Absenkung nur um 5 Prozentpunkte auf 90 Prozent beschlossen.)
  3. Die doppelte Grunderwerbsteuer für Landgesellschaften entfällt bei Ausübung des Vorkaufsrechts.
  4. Die Spekulationsschwelle im Grundstückverkehrsgesetz wird von den gegenwärtig geltenden 50 Prozent Überschreitung des Marktpreises herabgesetzt.
  5. Die Nichtanzeige von Pachtverträgen wird als Ordnungswidrigkeit geahndet. Zurzeit melden nach Angaben des Bundes mehr als drei Viertel aller Verpächter den Abschluss eines Landpachtvertrages nicht, denn ein Verstoß gegen die gesetzliche Meldepflicht wird nicht sanktioniert.
  6. Die bestehende Preismissbrauchsregelung im Landpachtverkehrsgesetz wird auf alle Pachtverträge konsequent angewendet. Nach § 4 Absatz 1 Nummer 3 des Gesetzes muss die Pacht in einem angemessenen Verhältnis zum Ertrag stehen, der bei ordnungsmäßiger Bewirtschaftung nachhaltig zu erzielen ist.
  7. Bund und Länder sollen wirksame Instrumente entwickeln, um den Landfraß zu stoppen. Seit 1992 gingen in Deutschland 1,5 Mio. Hektar Agrarflächen verloren.
  8. Die Preise und Losgrößen bei der Privatisierung ehemals volkseigener Flächen durch die BVVG sollen überprüft werden. Die Lose seien zu groß und die hohen Preise hätten Signalwirkung für den übrigen Markt, so das Bundesministerium.
  9. Junglandwirte und Existenzgründer sollen einen besseren Zugang zum Bodenmarkt erhalten, zum Beispiel bei der Privatisierung von Bundesflächen. Der Zugang zu Beratung und Kapital soll unterstützt werden.
  10. Im Herbst wird der Bund eine Untersuchung über die Bedeutung von Agrarholdings vorlegen.
  11. Das Bundesforschungsprogramm „Bodenmarkt und Agrarstruktur“ soll fortgesetzt werden.

Mehr als die Hälfte der Direktzahlungen wird an Sofa-Bauern durchgereicht

In ihrer Initiative für einen gerechten Bodenmarkt stellt Klöckner fest, dass steigende Preise für ein knappes Gut wie Boden grundsätzlich nicht zu beanstanden seien. Immer größere Einkommensanteile gelangten jedoch an nicht-landwirtschaftliche Bodeneigentümer, denen inzwischen 60 Prozent der Flächen gehörten.

Der Abfluss von Einkommen über die Pachten sei erheblich. Derzeit würden 50 bis 60 Prozent der EU-Direktzahlungen an – meist nicht-landwirtschaftliche – Bodeneigentümer durchgereicht. Das sind in Deutschland jährlich rund 2,4 Mrd. Euro.

Bodenpreise: Das kostet der Hektar 2019

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