Update vom 3. März 2023:
Wie das Landgericht Detmold am Tag der Urteilsverkündung (24.02.) mitteilte, wurde die Klage insgesamt als unbegründet abgewiesen, weil der Landwirt nicht verlangen könne, dass VW seine Forderungen umsetzt. Die Beeinträchtigung seiner Rechte sei nämlich nicht nur auf das Handeln des Automobilkonzerns zurückzuführen.
Außerdem habe der Landwirt nicht erklären können, welche wesentlichen Eigentums- und Gesundheitsbeeinträchtigungen ihn bei einer Erderwärmung von mehr als 1,5 Grad treffen sollen, die über die Beeinträchtigungen, die er seinen Angaben zufolge bereits jetzt erlitten habe, hinausgehen.
Zudem war das Gericht nicht der Ansicht, dass der Biobauer sich auf ein "Recht auf triebhausgasbezogene Freiheit" berufen könne.
Nach Angaben der Tagesschau zeigte sich Landwirt Ulf Allhoff-Cramer von dem Urteil enttäuscht. Er habe angekündigt, beim Oberlandesgericht Hamm in Berufung zu gehen. Auch die Umweltorganisation Greenpeace, die Allhoff-Cramer unterstützte, hatte nicht mit der Abweisung der Klage gerechnet. Laut Greenpeace sei es enttäuschend, dass der Richter keine direkte Begründung abgegeben habe. Auch im Berufungsverfahren wolle Greenpeace dem Landwirt zur Seite stehen.
Der VW-Konzern sehe sich laut Tagesschau in seiner Auffassung bestätigt, dass es für Klimaklagen gegen einzelne Unternehmen keine Rechtsgrundlage gebe.
Update vom 9. September 2022:
Eine Entscheidung konnte das Landgericht Detmold heute lediglich über den nächsten Verhandlungstermin treffen: Dieser soll am 3. Februar 2023 stattfinden. Beim heutigen Termin kritisierte der Vorsitzende Richter einen Antrag des Klägers und forderte Konkretisierungen.
Inhaltlich ging er nicht weiter ein auf die Vorwürfe gegen den Autokonzern. Die Anwältin des Klägers wertete es als Erfolg, dass die Klage nicht abgewiesen wurde. Es sei zudem gut, dass der Richter einen anderen Klageantrag nicht erwähnt habe und dieser somit zulässig sei.
Doch auch VW fühlt vom Zwischenergebnis bestätigt und rechnet weiter damit, dass die Klage abgewiesen wird. Die Ausführungen des Richters wertet VW in einer Stellungnahme als "ernsthafte Zweifel" an den Vorwürfen.
Wie viel Schuld trägt ein einzelner Konzern an der Klimakrise? Mit dieser Frage muss sich das Landgericht Detmold am Freitag wiederholt beschäftigen.
Als das Verfahren im Mai eröffnet wurde, forderte der Vorsitzende Richter Manfred Pohlmeier den klagenden Landwirt und die Umweltschützer dazu auf, die Vorwürfe zu konkretisieren.
Vor Stattfinden des Gerichtstermins gab die Anwältin des Klägers eine Erklärung ab: Man sei den Hinweisen, die das Gericht erteilt habe, nachgekommen und habe Bedenken ausgeräumt. Sie gehe daher davon aus, dass es am Freitag kein abweisendes Urteil gebe, sondern, dass es weitergehe mit dem Verfahren.
Derzeit sieht es also nicht danach aus, dass das VW-Verfahren am Detmolder Landgericht am Freitag abgeschlossen wird. Es sei „überwiegend wahrscheinlich“, dass die Kammer wegen der neu formulierten Anträge wieder in die mündliche Verhandlung eintreten und einen neuen Verhandlungstermin anberaumen werde, sagte ein Sprecher des Gerichts der dpa.
Landwirt und Greenpeace gegen VW
Der Landwirt Ulf Allhoff-Cramer hat gegen die Volkswagen AG geklagt. Er sieht den Autohersteller in der Verantwortung. Der VW-Konzern würde ihn durch die klimabezogenen Folgen seiner Geschäftstätigkeit in zentralen Rechtsgütern wie Eigentum, Gesundheit und dem Recht auf Erhalt „treibhausgasbezogener Freiheit“ beeinträchtigen.
Allhoff-Cramer wird dabei von der Umweltorganisation Greenpeace unterstützt. Der Landwirt, der Fleischrinder züchtet und über Weideland und Wald verfügt, fordert, dass VW im Zeitraum von 2021 bis einschließlich 2029 nur noch maximal ein Viertel der konzernweit verkauften Pkw und leichten Nutzfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren bestücken dürfe. Ab dem Jahr 2030 soll der Autobauer sogar keine Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren mehr verkaufen dürfen.
Landwirte sind die ersten Opfer der Klimakrise
So drastisch sich die Forderungen anhören, sie kommen nicht von ungefähr. „Als Bauern müssen wir zu Kenntnis nehmen, dass die Klimakrise schon da ist und zwar heftiger als angenommen“, sagt der Landwirt. Sein Grünland, immerhin die Grundlage für seine Fleischrinder, sei von Missernten betroffen gewesen. Der Grundwasserspiegel sinkt und die Trockenheit fördert den Borkenkäfer in seinem Wald.
So wie ihm geht es vielen Landwirte: Dürren, Starkregen und Stürme sind dabei eine Sache. Die weniger auffälligen Veränderungen durch höhere Temperaturen kommen hinzu, zum Beispiel macht die Hitze Milchkühen zu schaffen, Weizen und Mais bilden weniger Samen, weil der Pollen steril wird. Unterm Strich: Die Geschäftsgrundlage von Volkswagen entzieht der Geschäftsgrundlage der Landwirte den Boden.
Volkswagen sieht sich nicht in der Pflicht
Natürlich sieht VW das anders. Man habe ein umfassendes Dekarbonisierungsprogramm beschlossen und wolle bis 2050 weltweit bilanziell CO2-neutral sein, sagte Ralf Pfitzner, der Leiter Nachhaltigkeit, laut dpa. VW hält sich für nicht zuständig, da der Klimaschutz „gesamtgesellschaftlich“ angegangen werden müsste. Zudem verweist man auf die CO2-Einsparung: So habe der Konzern nach vorläufigen Zahlen in 2021 einen Durchschnittswert der CO2-Emissionen seiner Pkw-Neuwagenflotte in der EU von 118,5 g/km erzielt. Damit liege er zwei Prozent unter seinem gesetzlichen Ziel.
Gleichzeitig setzt der Konzern weiter auf den Verkauf von SUV. Diese Modelle verbrauchen mehr Ressourcen bei der Produktion und erzeugen wesentlich mehr CO2. In einer Studie von 2018 Volkswagen für einen CO2-Ausstoß in Höhe von 582 Millionen Tonnen verantwortlich. Zum vergleich: Deutschland hat 2021 678 Millionen Tonnen CO2 produziert. Laut Greenpeace verursacht allein die Autosparte von Volkswagen ein Prozent der globalen Emissionen.
Klimaklagen häufen sich
In Detmold hatte der Richter heute noch offene Fragen. Die Frist bis zur Beantwortung läuft wohl bis Juni. Am 9. September werden die Verhandlungen fortgesetzt.
Bereits früher haben Landwirte und NGO Konzerne mittels Klage an ihre Verantwortlichkeit gemahnt. Beispielsweise wurde Ölkonzern Shell in den Niederlanden im Mai 2021 in einem Verfahren zu stärkerem Klimaschutz verurteilt.
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