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Kommentar

Liebe Naturschützer: Vernetzt Euch mit den Landwirten!

Luchs im Bayerischen Wald
am Freitag, 03.06.2022 - 17:00 (Jetzt kommentieren)

Deutschland muss nachsitzen was den Artenschutz angeht. Es braucht mehr Schutzgebiete und Verbindungen zwischen ihnen. Doch womöglich liegt das Heil nicht in der Trennung von Schutz- und Nutzfunktion.

Die Welt hat mindestens drei Großbaustellen: Klimakrise, Artenkrise und Ernährungskrise. Das rasante Aussterben vieler Tier- und Pflanzenarten ist für manche die größte Gefahr. Im Wissenschaftsmagazin Science ist jetzt eine Studie erschienen, in der es um die Vernetzung von Schutzgebieten zum Erhalt der Arten weltweit geht. In dem dazugehörigen Ranking belegt Deutschland den 111. Platz von 164 untersuchten Ländern. Fast so mies wie beim Eurovision Song Contest ...

Mit der Studie einher geht die Forderung von Artenschützern, dass Deutschland mehr tun müsse. Zum einen mehr Schutzgebiete ausweisen und zum anderen die Vernetzung sicherstellen. Ich fürchte, das wird nicht funktionieren. Wir brauchen hierzulande stattdessen eine integrierte Landnutzung. Und da kommen wir an Land- und Forstwirten nicht vorbei.

In Deutschland gibt es viel Natur, aber wenig Naturschutzgebiete

Die EU hat ein ambitioniertes Ziel vorgegeben: Laut europäischer Biodiversitätsstrategie sollen bis 2030 30 Prozent Europas unter Schutz gestellt werden. Für Deutschland hieße das rund 120.000 Quadratkilometer. Zum Vergleich: 114.000 Quadratkilometer sind Wald (30 Prozent), 167.000 landwirtschaftliche Nutzfläche (gut 50 Prozent). Unter Naturschutz stehen zur Zeit lediglich sechs Prozent. Als Nationalpark ist sogar nur ein Prozent ausgewiesen.

Für Naturschützer sind diese Zahlen zu gering. Zumal viele Lebensräume isoliert sind. Zum Beispiel beim Rotwild. In vielen Teilen Deutschlands muss Rotwild, wenn es außerhalb von den kleinen Rotwildgebieten auftaucht, geschossen werden. Wandern und damit genetischer Austausch der Tierart sind nahezu unmöglich. Hinzu kommen Siedlungen und Straßen, die die Lebensräume trennen. Insofern ist die Forderung nach Korridoren oder Trittsteinen richtig, damit Arten sich ausbreiten können.

Alles auf einer Fläche - im Wald funktioniert das

Was ich nur schwierig finde, ist das Kleben an definierten Naturschutzgebieten. Als ob allein das Schildchen Nationalpark reicht, um das Überleben von Arten zu sichern. Mein Gefühl ist, das viele Nationalparks in Deutschland ohnehin eher dem Regionalmarketing geschuldet sind.

Ich bin ein großer Fan der integrativen Forstwirtschaft. Das heißt, die klassischen Funktionen Schutz, Nutzung und Erholung müssen auf einer Fläche erfüllt sein. Für Deutschland passt das gut: Nachhaltige Holzernte hat genauso Platz wie seltene Arten und Erholungssuchende.

Wenn in einem großen Bestand zehn Prozent Totholz oder Methusalembäume stehen, ist dem Artenschutz möglicherweise mehr gedient, als wenn es nur ein Handtuchwäldchen als Naturschutzgebiet gibt. Und das macht solche Forderungen von 30 Prozent schwierig. Natürlich sind nicht alle Wälder in bestem Zustand, aber der Waldumbau ist vielerorts im Gange. Es tut sich was.

Auch die Landwirtschaft trägt bereits Verantwortung

Auch in der Landwirtschaft tut sich was. Blühstreifen, Lerchenfenster, Feldgehölze ... Landwirte sind - und waren - nie bösartige Naturzerstörer. Auf dem Weg auch Ackerbau und Grünland, die ganze Feldmark integrativ zu denken, muss die Gesellschaft Landwirte unterstützen. Dann entstehen Korridore und Trittsteine für Luchs, Rothirsch etc. ganz von allein.

Aber, auch das gehört dazu, wenn dem Landwirt zehn Prozent an Flächen fehlen, so als Hausnummer, darf man ihn nicht allein lassen. Wir alle haben Verantwortung für die Schöpfung. Und zu Ende gedacht heißt das auch, dass jeder Stadtbewohner sich an einer integrativen Landnutzung beteiligen muss. Zum einen mit Geld. Und zum anderen vor seiner eigenen Haustür.

Wer heute in der Stadt baut, sollte die Hälfte seines Grundstücks der Natur überlassen müssen. gegen die Bodenversiegelung, für die Vernetzung von Lebensräumen im Siedlungsraum. Das ist wohl nicht zuviel verlangt.

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