Früher waren Bündnis 90 - die Grünen einmal eine Anti-Mercosur-Partei. Im ihrem Bundestagswahlprogramm von 2021 steht: „Abkommen mit negativen Auswirkungen auf die Umwelt oder die Ernährungssouveränität wie das EU-Mercosur-Abkommen mit lateinamerikanischen Staaten lehnen wir ab.“ In einem Gastbeitrag im Kölner Stadt-Anzeiger vom November 2020 werden Robert Habeck, Steffi Lemke und Renate Künast sogar noch deutlicher. Dort heißt es: „Die Europäische Union wiederum sollte das Freihandelsabkommen Mercosur mit Südamerika stoppen, solange die Zerstörung des brasilianischen Regenwaldes voranschreitet oder sogar befördert wird.“
Wie sich die Mercosur-Position der Grünen ändert
Bei einem Besuch von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir in Brasilien Mitte März hat sich der Wind bereits gedreht. Die deutsche Delegation signalisiert, dass sie gerne Wasserstoff aus Brasilien importieren würde und lobte unter anderem, dass illegale Abholzung in Brasilien mit Wirkung ab dem Jahr 2030 verboten werden soll. Vertreter Brasiliens und Deutschlands zeigen sich einig, dass das Mercosur-Handelsabkommen noch in diesem Jahr beschlossen werden soll, allerdings mit Ergänzungen. Habeck sprach sogar von einem „freundlichen Handelsabkommen“.
Warum das Mercosur-Abkommen nicht aufgeschnürt werden wird
Das Mercosur-Handelsabkommen ist seit Juni 2019 ausverhandelt. Die EU-Kommission als Verhandlungsführerin hat sich mit den Mercosur-Staaten auf einen Text geeinigt, der nur noch im Bezug auf rechtliche Aspekte, nicht aber wesentliche Inhalte, geändert werden kann. In das Abkommen selbst neue Themen aufzunehmen, hieße das ganze Paket neu aufschnüren. Das wird angesichts der Länge und Schwierigkeit der Verhandlungen nicht passieren - die Gespräche dazu liefen rund 20 Jahre lang.
Was kann sich beim Mercosur-Abkommen noch ändern?
Noch nicht offiziell fertig ist das sogenannte Assoziierungsabkommen der EU mit dem Mercosur-Block, in dem weitere Elemente wie etwa der Umweltschutz thematisiert werden können. Greenpeace hat 2021 eine inoffizielle Fassung des Textes veröffentlicht. Darin war kein Sanktionsmechanismus festgeschrieben, der bei fortschreitender Umweltzerstörung greifen würde. Einen solchen verbindlichen Mechanismus gibt es derzeit noch in keinem bilateralen Handelsabkommen. Dass er ausgerechnet in einem so hart verhandelten Text wie dem Mercosur-Abkommen noch auftauchen könnte, glaube ich nicht.
Wie wird es voraussichtlich weitergehen?
Die EU und die südamerikanischen Länder werden sich wahrscheinlich auf eine Liste von unverbindlichen Absichtserklärungen zum Schutz von Klima und Regenwald einigen. Dafür werden in das Assoziierungsabkommen einige Absätze in Form eines Zusatzkapitels aufgenommen werden. Das werden die Grünen zum Anlass nehmen, ihre Bedenken als ausgeräumt anzusehen und dann im Bundestag das Mercosur-Abkommen ratifizieren. Ähnlich war das Vorgehen der Partei beim CETA-Handelsabkommen mit Kanada, das die Grünen zuerst abgelehnt, aber dann mit einer unverbindlichen Erklärung doch noch unterstützt haben.
Was bedeutet das Mercosur-Abkommen für Landwirte in der EU?
Tierhalter in der EU - ausgenommen möglicherweise Milchviehhalter - werden Leidtragende des Mercosur-Handelsabkommens sein. Laut einer offiziellen Untersuchung der EU-Kommission werden Importe vor allem von Geflügelfleisch, Rindfleisch und Schweinefleisch deutlich zunehmen. Ob die Einfuhr von Molkereiprodukten aus Südamerika stärker anwächst oder die EU mehr in den Mercosur-Block exportieren kann, ist noch unklar. Lesen Sie dazu auch: Mercosur-Abkommen rückt näher: Ein Schlag für Rinderhalter in der EU?
Damit der europäische Markt nicht von Einfuhren überschwemmt wird, ist im Abkommen eine Quoten-Regelung vorgesehen. Wie stark Preise für tierische Erzeugnisse hierzulande unter Druck geraten werden, ist jedoch völlig offen. Klar ist: Für die ohnehin arg gebeutelten Nutztierhalter in Deutschland würde das Inkrafttreten des Mercosur-Abkommens noch mehr Unsicherheit bedeuten.
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