Nur zum Teil erfüllen konnte der "Milchgipfel" die Erwartungen, die aus den Reihen von Politik und Wirtschaft an ihn gesetzt worden waren. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt zeigte sich dennoch mit den Ergebnissen des mehr als vierstündigen Spitzentreffens der wichtigsten Verbände entlang der Wertschöpfungskette Milch am Montag in Berlin zufrieden. Ein "Weiter so" in der Milchmarktpolitik könne und werde es nicht geben, betonte der CSU-Politiker.
Unsere Leser reagierten auf facebook eher verhalten auf die Ergebnisse aus Soforthilfen in Höhe von 100 Millionen Euro plus X sowie dem angekündigten Branchendialog Milch.
Das sagen Verbände und Politik zu den Milchgipfel-Beschlüssen.
Deutscher Bauernverband erwartet eine Milliarde
Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, äußerte die Erwartung, dass die Beschlüsse umgehend in konkrete Maßnahmen münden. Das notwendige Finanzvolumen für Hilfen bezifferte Rukwied auf 1 Milliarde Euro.
- Vereinbarungen über eine Neugestaltung von Lieferbeziehungen müssten innerhalb der nächsten Monate getroffen werden.
- Einig sei sich der Milchgipfel darin gewesen, dass der Handlungsbedarf vor allem bei den Molkereien bestehe, um gemeinsam mit den Milchbauern neue Wege der vertraglichen Lieferbeziehungen zu gestalten und so eine markt- und wertschöpfungsorientierte Mengenanpassung zu erreichen.
"Diese Vertragsmodalitäten für eine marktorientierte Mengensteuerung müssen unter Einbeziehung des Lebensmitteleinzelhandels gefunden werden", betonte Rukwied. Den Lebensmittelhandel sieht der Bauernpräsident gefordert, dass er die jüngsten, "völlig unverantwortlichen Kontraktabschlüsse" mit den Molkereien neu verhandele.
BBV-Präsident Heidl: 'erster richtiger Schritt'
Für den Präsidenten des Bayerischen Bauernverbandes (BBV), Walter Heidl, sind die angekündigten Hilfsmaßnahmen "der erste richtige Schritt, um den von der Krise gebeutelten Betrieben zu helfen und Betriebsaufgaben zu verhindern".
"Jetzt geht es darum, den Ankündigungen auch Taten folgen zu lassen und schnelle Hilfe zu leisten." Außerdem hätten sich Handel, Molkereien und Milchbauern beim Milchgipfel zu einem Branchendialog verpflichtet. Dabei sollen Vorschläge zu einer kurzfristigen Reduzierung der Milchmenge und zu einer langfristigen Neuordnung der Marktstruktur erarbeitet werden.
Doch ein Signal der Handelsunternehmen und des Lebensmitteleinzelhandel fehlt Heidl völlig. "Ohne Bauernhöfe gibt es keine regionalen Lebensmittel! Die Handelskonzerne müssen endlich Verantwortung übernehmen", sagte Heidl. "Heute hätten die Handelsvertreter die Preisschlacht am Kühlregal ein für allemal beenden müssen."
DRV und MIV: Lösungen auf EU-Ebene finden
Sowohl der Vorsitzende des Milchindustrie-Verbandes (MIV), Peter Stahl, als auch der Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV), Manfred Nüssel, betonten die Notwendigkeit zur Mengenreduzierung auf dem Milchmarkt. Nüssel warnte aber zugleich vor nationalen Alleingängen.
Keine nennenswerte Wirkung schreibt der DRV-Präsident einer freiwilligen Mengenregulierung auf Molkereiebene zu, an der sich nicht alle Molkereien beteiligten und die allenfalls in wenigen EU-Mitgliedstaaten umgesetzt werde. Ausdrücklich wandte sich Nüssel gegen Versuche einer externen Einflussnahme oder gar rechtliche Vorgaben zur Änderung der genossenschaftlichen Lieferbeziehungen.
Auch Stahl äußerte sich kritisch zu einer Anpassung des Agrarmarktstrukturgesetzes. Bereits jetzt könnten Molkerei und Milcherzeuger frei über ihr Vertragsverhältnis verhandeln. Zudem könnten die Erzeuger als Eigentümer der Genossenschaft die Grundlagen "aktiv mitgestalten".
BDM: 'Ursache der Krise wurde nicht angegangen'
"Man muss ihn als Gipfel der Verantwortungs- und Hilflosigkeit bezeichnen", erklärt Romuald Schaber, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM). Nach Sicht Schabers wurden "die Ursache der Krise und entsprechende Problemlösungen wieder nicht angegangen, sondern verlagert und damit auf Zeit gespielt." Die Gipfelteilnehmer setzen offenbar darauf, dass sich der Milchmarkt zwischenzeitlich von selbst bereinige, so Schaber weiter.
Die verkündeten Maßnahmen zur weiteren Bezuschussung der Unfallversicherung, der Installierung eines Bürgschaftsprogramms und Möglichkeiten zur Steuerglättung werden nach Sicht des BDM genauso verpuffen wie das EU-Hilfspaket, das Ende letzten Jahres aufgelegt wurde. "Wieder wurde eine Chance verpasst, dringend nötige Liquiditätshilfen mit einer Hebelwirkung zu verknüpfen. Ohne eine schnelle Markterholung wird es aber nicht gelingen, die Milcherzeugerpreise deutlich nach oben zu bringen", erklärt Schaber.
Handel gegen Absprachen über Mindestpreise
Der Vorsitzende vom Handelsverband Deutschland (HDE), Josef Sanktjohanser, erteilte Forderungen nach einem Solidarbeitrag des Handels ebenso eine strikte Absage wie Absprachen über einheitliche Mindestpreise. Sanktjohanser bekräftigte das Interesse des Handels am Erhalt der Milchproduktion in Deutschland. Mit Qualitätsprodukten, regionalen Erzeugnissen und der Bioschiene wolle der Handel den Erwartungen nach mehr Wertschöpfung für die Erzeuger gerecht werden.
Für unerlässlich hält der HDE-Vorsitzende eine Reduzierung des Milchangebots. Dieser "schwierigen Aufgabe" müssten sich die Milchbauern stellen. Staatliche Hilfen müssten konsequent an den nachhaltigen Umbau der Milchwirtschaft gekoppelt sein. Der Handel brauche "langfristig gesunde Strukturen in der Landwirtschaft".
Überwiegend Enttäuschung von Seiten der Politik
Die politischen Reaktionen auf den "Milchgipfel" fielen überwiegend kritisch aus. Als enttäuschend wertete der agrarpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dr. Wilhelm Priesmeier, die Ergebnisse. Offensichtlich sei es Minister Schmidt nicht gelungen, ein tragfähiges Konzept mit dem Beteiligten abzustimmen, so Priesmeier.
Von einer vertanen Chance sprach Grünen-Agrarsprecher Friedrich Ostendorff. Man habe es verpasst, die in Aussicht gestellten Mittel an eine Reduzierung der Milchmenge zu binden. Auch von Seiten der grünen Landesminister hagelte es Kritik.
- Für Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Dr. Robert Habeck gehen die Beschlüsse an den Erfordernissen auf dem Milchmarkt vorbei. Er warf dem Bundesminister vor, die Überproduktion als Kernproblem nicht anzugehen.
- Aus Sicht von Nordrhein-Westfalens Landwirtschaftsminister Johannes Remmel hat das Spitzentreffen keinen Durchbruch gebracht.
- Als "Pseudogipfel" kritisierte Niedersachsens Ressortchef Christian Meyer die Zusammenkunft. Die Beschlüsse tragen seiner Einschätzung nach nicht zur Problemlösung auf dem Milchmarkt bei.
Demgegenüber sieht sein baden-württembergischer CDU-Amtskollege Peter Hauk die Vereinbarungen als "einen ersten guten Schritt".
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