Immer mehr niederländische Bauern überlegen, ihren Hof zu verkaufen. Sie wollen im Ausland wieder von vorne beginnen. Vor allem junge Bauern fragen sich, ob ihre Zukunft noch in den Niederlanden liegt. Zu diesen Aussagen kommt der internationale Makler für Agrarimmobilien Interfarms in einem Bericht auf dem niederländischen Onlineportal von NOS.
Das auf die Vermittlung von ausländischen Bertrieben und Agrarimmobilien spezialisierte Unternehmen Interfarms stellt jedenfalls fest: „dass in letzter Zeit immer mehr niederländische Landwirte die Möglichkeit einer Auswanderung prüfen“.
Deshalb werden von Interfarms jetzt in den Niederlanden auch Informationsveranstaltungen zum Kauf von Höfen im Ausland organisiert. Es wird erwartet, dass zu diesen Veranstaltungen Hunderte, meist junge Landwirte, kommen werden. Interfarms ist auch in Deutschland aktiv.
Die nächste Auswanderungswelle
In den 80er und 90er Jahren gab es in den Niederlanden schon einmal eine große Auswanderungswelle unter Landwirten. Damals verließen jährlich 300 Bauernfamilien ihre Höfe und das Land. Danach sank die Zahl der Auswanderer zum Beginn dieses Jahrhunderts auf rund 30 pro Jahr.
Aufgrund der im Jahr 2015 in Kraft getretenen Phosphatauflagen ist die Zahl der Auswanderer wieder auf rund 75 pro Jahr gestiegen, berichtet Interfarms. Es wird erwartet, dass die Zahl der Auswanderer aufgrund der für die Landwirtschaft geplanten Stickstoff-Auflagen nochmals deutlich zunehmen wird.
Der Milchviehhalter Lennert de Haan berichte gegenüber NOS, dass er sich in Kanada eine neue Existenz aufbaut: Für ihn waren die Phosphatrechte und die Investitionen, die erforderlich sind, um landwirtschaftliche Betriebe zukunftssicher zu machen, aber nicht das entscheidende Problem. De Haan kritisiert vielemehr: "Die Unzuverlässigkeit der Regierung ist das Hauptproblem für die niederländischen Bauern. - Das würden deutsche Landwirte wohl auch unterschreiben.
Agrarpolitik ist Russisches Roulette
Vor einigen Jahren musste sich de Haan über neue Investitionen in Phosphatrechte entscheiden, um sein Unternehmen zukunftssicher zu machen, berichtet NOS. Der Landwirt kam dabei zu dem Schluss, dass Investitionen nicht gerechtfertigt seien, da die Regierungspolitik seiner Meinung nach nicht zuverlässig sei. "Russisches Roulette", nennt de Haan die Agrarpoltik der letzten Jahre.
"Man wird erst in zehn Jahren wissen, ob seine Investitionen sinnvoll waren, denn die Regeln ändern sich ständig" Darüber hinaus ahnte de Haan bereits, dass ein weiteres Problem mit dem Stickstoff entstehen würde. Vor zwei Jahren ging er deshalb mit seiner Familie nach Kanada. Seinen eigenen Betrieb hat er verkauft, und die Ställe stehen mittlerweile leer."
De Haan geht seinem Gefühl nach "der Masse der Bauern voraus". Er bemerkt jedenfalls, dass viele Bauern in seiner Nachbarschaft auch über eine Auswanderung nachdenken.
Viele Junglandwirte wollen weg
Interfarms unterstützt jedes Jahr ein paar Dutzend Landwirte bei der Umsiedlung ins Ausland und verzeichnet aktuell einen deutlichen Anstieg des Interesses. Die beliebtesten Länder waren bisher Deutschland und Dänemark, doch das Interesse an Kanada wächst am schnellsten. Der Agrarmakler Hendrik-Jan Achterhof bezeichnet die Einführung der Phosphatpolitik als den entscheidenden Wendepunkt.
"Das führte zu erheblichen Kostensteigerungen, die es für einige Bauern unrentabel machten, hier ihr Geschäft fortzusetzen. Sie fühlten sich stark benachteiligt, gerade weil sie zuvor in moderne Ställe investiert hatten, die alle Anforderungen der Umwelt und des Tierschutzes erfüllen. Das Stickstoffproblem tritt nun in den Vordergrund und führt zu neuen Maßnahmen, die es den Landwirten noch schwerer machen, ein gesundes Geschäft zu führen."
Achterhof sieht, dass gerade junge Bauern über die Auswanderung nachdenken. Sie haben noch mehr Zeit und können den Schritt mit kleinen Kindern leichter machen als etwa mit heranwachsenden Teenagern. "Ich denke, es ist eine Schande, dass sie so wunderbare Unternehmen zurücklassen müssen, aber anscheinend sehen sie keine andere Möglichkeit", sagte der Makler.
Betriebe sind oft sehr klein
Bei der letzten Zählung gab es in den Niederlanden noch 55.700 Betriebe, die knapp 1,8 Mio. Hektar Land bewirtschaften. Die durchschnittliche Betriebsgröße war mit 32,2 ha nur halb so groß wie in Deutschland. Die Zahl der Höfe hat in den letzten 10 Jahren um etwa ein Drittel abgenommen – und damit ähnlich stark wie in Deutschland.
Viele auswanderunsgwillige Bauern sind in den letzten Jahren nach Deutschland gegangen und haben hier Betriebe gekauft oder aufgebaut – wie die Statistik von Interfarms zeigt. Doch nun rücken andere Länder – wie etwa Kanada – verstärkt in den Fokus der auswanderungswilligen Landwirte.
Wenn wundert’s, ist doch die deutsche Agrarpolitik nicht viel zuverlässiger als die niederländische – nimmt man nur einmal die mehrfach geänderte und verschärfte Düngeverordnung als Beispiel. Zudem dürften die Preise für Agrarland und die wichtigsten Betriebsmittel in Kanada erheblich niedriger sein als in Europa. Interfarms berichtet jedenfalls vor allem bei jüngeren Bauern über ein großes Interesse an Kanada.
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