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Ökologische Landwirtschaft: Cem Özdemir fehlen neue Ideen

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am Dienstag, 22.02.2022 - 05:30 (4 Kommentare)

Die Pläne für die Umsetzung der EU-Agrarreform ab 2023 in Deutschland liegen endlich vor. Die ökologische Landwirtschaft soll darin laut Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir eine zentrale Rolle spielen. Doch neue Ideen, wie der Ökolandbau seine Ziele erreichen soll, sind Mangelware. Ein Kommentar.

Mit knapp zweieinhalb Monaten Verspätung hat Deutschland nun endlich seinen nationalen Strategieplan zur Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ab 2023 fertiggestellt und zur EU-Kommission geschickt. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir will in dem Plan einen besonderen Fokus auf die ökologische Landwirtschaft setzen. Bereits im Januar hat Özdemir verkündet, den ökologischen Landbau zum Leitbild seines Hauses zu machen. Doch egal ob im Januar oder jetzt mit dem nationalen Strategieplan: Wirklich neue Ideen, um die ökologische Landwirtschaft in Deutschland nicht nur in absoluten Zahlen voranzubringen, sondern es auch zu schaffen, dass die Ökobäuerinnen und -bauern mehr Geld in der Tasche haben, hat der Minister von Bündnis 90 - die Grünen bislang nicht.

Die ökologische Landwirtschaft befindet sich im Aufwind, immer mehr Betriebe können sich die Umstellung vorstellen und die Nachfrage wächst. So weit so gut. Doch das alles reicht bei weitem nicht, um das Ziel des Koalitionsvertrags zu erreichen – eben die 30 % Ökolandbau bis 2030. Betrachten wir die bislang gemachten Vorschläge von Cem Özdemir im Detail:

Mehr Bio durch mehr Forschung bringt keine Ergebnisse bis 2030

Im Januar hat Cem Özdemir angekündigt, mehr Geld für innovative und praxisorientierte Forschung zur Pflanzenzüchtung für die ökologische Landwirtschaft ausgeben zu wollen. Ein sinnvoller Schritt, allerdings dauert die Züchtung einer neuen Pflanzensorte im günstigsten Fall zehn und eher bis zu 15 Jahren. Vor 2032 lässt sich dem Ökolandbau so also nicht helfen.
Ebenfalls im Januar hat das Bundeslandwirtschaftsministerium unter Cem Özdemir verkündet, mehr Forschungsgelder für regionale Bio-Wertschöpfungsketten zur Verfügung stellen zu wollen. Auch das ist ein guter Schritt, aber selbst, wenn ein Forschungsprojekt in drei Jahren abgeschlossen ist, so dauert es mindestens nochmal so lange, bis aus den Ergebnissen weitere Nachahmer-Projekte abgeleitet und ins Leben gerufen werden. Vor 2028 ist also auch hier mit keinen signifikanten Auswirkungen auf die ökologische Landwirtschaft zu rechnen.

Nationaler Strategieplan zur Agrarpolitik verweist auf künftige Pläne

Porträt von Simon Michel-Berger

Auch der nationale Strategieplan zur Umsetzung der EU-Agrarreform setzt keine wirklich neuen Akzente zur Förderung der ökologischen Landwirtschaft. Wenn es um neue Maßnahmen geht, verweist der Plan vor allem auf eine angedachte Weiterentwicklung der Zukunftsstrategie ökologischer Landbau. Diese stammt in ihrer jetzigen Form aus dem Jahr 2017 und längst noch nicht alle der damals geforderten Punkte – etwa Kantinen zu mehr Bio-Angeboten zu ermutigen – sind abgearbeitet. „Schuld“ ist hier aber auch der Markt: Kantinenbetreiber müssen genau rechnen und wenn schon hier Bio sein darf, dann lockt billige Bio-Ware aus dem Ausland mehr, als teure Bioprodukte aus Deutschland.

Der Markt arbeite auf Bio zum Billigpreis hin

Hier sind wir bei einem Kern des Problems: Bio zum Höchstpreis würde für die deutschen Bauern funktionieren und massiv zur Umstellung von Betrieben führen. Aber für den mächtigen Lebensmittelhandel ist "Bio für Alle" – zum Billigpreis – das bessere Geschäft. Wenn Cem Özdemir nicht aufpasst, wird die Logik des Marktes zu diesem zweiten Szenario führen. Zum Schaden für die Ökobetriebe, die dann zwar in die Umstellung investiert haben, damit jedoch nicht ausreichend Rendite erwirtschaften, dass sich dieser Schritt auch langfristig für sie lohnt. Wie es laufen kann, sieht man in Österreich: Dort gibt es zwar einen sehr hohen Bio-Anteil allerdings auch viele Supermarkt-Eigenmarken im Bio-Bereich und eine Marge für die Biobauern, die stark unter Druck ist.

Unklarheiten etwa bei Bio-Rinderhaltung

Auf dem Weg zu mehr ökologischer Landwirtschaft liegen ein paar konkrete Stolpersteine vor Cem Özdemir, auf die er Antworten liefern muss. Ein paar Beispiele: Die EU-Kommission setzt sich bei Öko-Milch bzw. -Rindfleisch massiv für Weidehaltung ein. Doch was ist mit den Bio-Betrieben mit Laufstall, die zwar einen Auslauf, aber keine Weidehaltung anbieten können? Ist für sie die Reise in die ökologische Landwirtschaft bald zu Ende?

Zu wenig staatliche Stellen zur Begleitung der Bio-Bauern

Woher kommen die Berater, Ausbilder und sonstigen notwendigen Fachkräfte – etwa in den Kontrollstellen – um den Ausbau der ökologischen Landwirtschaft zu begleiten? Seit Jahren zieht sich der Staat auf Ebene von Bund und Ländern aus der Offizialberatung zurück. Ohne die entsprechenden unterstützenden Strukturen funktioniert der Ausbau nicht, doch Planstellen sind teuer.

Unklarheiten bei Umsetzung der EU-Agrarpolitik im Bio-Bereich

Bei der Umsetzung der neuen EU-Agrarpolitik kommen auch auf die Öko-Landwirte Herausforderungen wie eine verpflichtende Flächenstilllegung oder die Verzahnung mit den Eco-Schemes zu. Durch letzteres fallen im ungünstigsten Fall Fördermöglichkeiten weg, weil Doppelförderung verboten ist. In einer Pressemitteilung des Landwirtschaftsministeriums sagt Cem Özdemir dazu nur: „Wir haben die Kombinationsmöglichkeiten von Ökolandbauförderung und Öko-Regelungen deutlich optimiert, damit auch Biobetriebe mit freiwilligen Leistungen für Klima und Umwelt Geld verdienen können.“ Ja, Ökobetriebe können auch an den Eco-Schemes teilnehmen. Aber wie die Förderung des Bundes mit der Förderung der Länder verzahnt wird, ist noch offen – auch deshalb, weil Deutschland so lange gebraucht hat, den nationalen Strategieplan fertig zu stellen. Letzteres ist allerdings eher die Schuld der vorherigen Regierung.

Das ist jedoch nur die halbe Geschichte. Flächen stilllegen müssen unter der neuen Agrarpolitik auch die Ökobetriebe. Von rund 1,6 Mio. Hektar ökologisch bewirtschafteter Fläche in 2020 fallen damit 4 % aus der Nutzung, rein rechnerisch gut 60.000 Hektar. Es ist also schlicht eine Mogelpackung, wenn Cem Özdemir behauptet, dass der neue nationale Strategieplan den Ökolandbau in den Fokus rückt. Ankündigungen dazu gibt es in der Tat, aber Details sollen unter anderem die Länder in ihrer Ausgestaltung der ländlichen Entwicklung ausarbeiten. Das weckt bei mir Erinnerungen: Halbgare Vorhaben den Ländern hinzukippen, damit die die Suppe auslöffeln, das war schon eine Spezialität der letzten Bundesregierung - siehe den Streit zwischen Bund und Ländern um die Ausweisung der roten Gebiete. Bleibt das System jetzt auch unter Cem Özdemir so?

Ideenlosigkeit beim Öko-Landbau auf Bundes- und Landesebene

Wie die Lage bei der Förderung der ökologischen Landwirtschaft in den Bundesländern ist, hat kürzlich exemplarisch der erste Vorsitzende der Landesvereinigung für den ökologischen Landbau in Bayern, Hubert Heigl, beschrieben. Er warf unlängst der Agrarpolitik im Freistaat vor, sich von der aktiven Gestaltung der Landwirtschaft verabschiedet zu haben. Klare politische Ziele und die Umsetzung konkreter Ideen fehlten hingegen. Ich denke, das beschreibt auch die bislang auf Bundesebene vorgelegten Pläne für den Ausbau der ökologischen Landwirtschaft sehr gut. Unabhängig von der politischen Farbe gibt es zahlreiche wohlfeile Reden aber wenige schlüssige Konzepte. Leider. Denn die ökologische Landwirtschaft hat mehr verdient als zu einer Kulisse für politische Fototermine zu werden.

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