„Wenn wir Obst und Gemüse billiger machen, entlasten wir die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht nur vergleichsweise kostengünstig, sondern fördern dazu auch noch eine gesunde Ernährung durch die gewonnene Lenkungswirkung“, sagte der Grünen-Politiker am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. „Das wäre ein Vorschlag mit doppelter Dividende, wie ich sie bevorzuge.“
Prüfung einer Mehrwertsteuer-Senkung obliegt dem Finanzminister
Die erneut vorgebrachte Forderung nach Abschaffung der Mehrwertsteuer für Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte unterstütze er persönlich, sagte Özdemir.
Dafür stark gemacht hatten sich der Sozialverband VdK, die Verbraucherzentralen und die Deutsche Diabetes Gesellschaft.
Özdemir erläuterte: „Bereits in der Debatte zum ersten Entlastungspaket hatte ich angeführt, dass eine Mehrwertsteuerabsenkung bei gesunden Lebensmitteln besonders denen zugutekommt, die kaum oder keine finanziellen Spielräume haben.“ Prüfung und Umsetzung möglicher Mehrwertsteueränderungen seien aber Sache des Finanzministeriums.
Einzelhandel lehnt Senkung der Mehrwertsteuer ab
Der Einzelhandel lehnt Forderungen nach einer Senkung der Mehrwertsteuer auf bestimmte Lebensmittel hingegen ab. Zwar müsse die Bundesregierung sicherstellen, dass auch Menschen mit kleinerem Einkommen weiterhin in der Lage seien, ihre Grundversorgung zu sichern, teilte der Handelsverband Deutschland (HDE) am Donnerstag auf Anfrage mit. Doch das Drehen an der Mehrwertsteuerschraube sei dabei der falsche Weg.
Aktuell sei die Absenkung der Mehrwertsteuer in dem geforderten Ausmaß noch gar nicht möglich, betonte der HDE. "Denn die jetzt verabschiedete EU-Richtlinie schreibt vor, dass die Mitgliedsstaaten erst mit Beginn des Jahres 2025 den Steuersatz für bestimmte Güter – auch auf Lebensmittel - auf null senken dürfen." Zudem ließen sich die aktuellen Preissteigerungen so nicht ausgleichen.
Stattdessen forderte der HDE die Bundesregierung auf, die staatlichen Transfers an einkommensschwache Haushalte zu erhöhen und gegebenenfalls das Entlastungspaket entsprechend nachzubessern. Das sei zielgenauer und helfe dort, wo es nötig sei.
Novellierte EU-Richtlinie erlaubt mehr Befreiungen von der Mehrwertsteuer
Hintergrund der Forderungen ist neben den steigenden Lebensmittelpreisen eine Änderung der sogenannten EU-Mehrwertsteuersystemrichtlinie, die – weitgehend unbemerkt – vor zwei Wochen in Kraft getreten ist. Sie legt gemeinsame Vorgaben für die Mehrwertsteuer fest: Der reguläre Steuersatz muss mindestens bei 15 Prozent liegen, der ermäßigte bei mindestens 5 Prozent. Gänzliche Steuerbefreiungen sind in bestimmten Bereichen möglich - und zwar seit der Änderung auch bei Lebensmitteln und anderen Gütern zum Decken der Grundbedürfnisse.
In Deutschland liegt der Regelsatz bei 19 Prozent. Der reduzierte Satz von 7 Prozent subventioniert Produkte, die dem Gemeinwohl dienen - darunter Grundnahrungsmittel wie Milch, Fleisch oder Backwaren.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband sprach sich für eine völlige Abschaffung der Mehrwertsteuer speziell bei Obst, Gemüse und Hülsenfrüchten aus. Dies würde die Auswirkungen steigender Preise abfedern, was aktuell gerade für Haushalte mit niedrigem Einkommen wichtig sei, sagte Lebensmittel-Referentin Christiane Seidel. "Gleichzeitig würde es vielen Menschen eine gesunde Ernährung erleichtern und einen Beitrag für eine klimafreundliche Lebensmittelproduktion leisten."
Zuckerhaltige Getränke hingegen stärker belasten
Ähnliche Forderungen kommen von der Deutschen Diabetes Gesellschaft. "Eine gesunde Ernährung darf keine Frage des Geldbeutels sein", sagte Geschäftsführerin Barbara Bitzer. Die Bundesregierung müsse die neuen rechtlichen Spielräume nutzen und die Mehrwertsteuer für Gemüse und Obst abschaffen. Sie forderte im Gegenzug, "die Hersteller überzuckerter Getränke" zur Kasse zu bitten. "Zuckergetränke sind ein wesentlicher Treiber für Adipositas und Diabetes." Die Hersteller bräuchten wirksame Anreize, den Zuckergehalt drastisch zu reduzieren.
Das Leben in Deutschland hat sich seit Beginn des Ukraine-Kriegs sprunghaft weiter verteuert, Entspannung bei den Verbraucherpreisen ist vorerst nicht in Sicht. Energie und auch Lebensmittel werden zusehends teurer. Im März kosteten Nahrungsmittel nach Angaben des Statistischen Bundesamts 6,2 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Teurer wurden vor allem Speisefette und Speiseöle (plus 17,2 Prozent) sowie frisches Gemüse (plus 14,8 Prozent).
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