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Kommentar

Özdemirs Pestizid-Exportverbot hilft keinem, schadet vielen

Pflanzenschutzmittel-Ausbringung
am Dienstag, 13.09.2022 - 05:15 (31 Kommentare)

Das von Agrarminister Cem Özdemir angekündigte Exportverbot für Pflanzenschutzmittel ohne deutsche Zulassung geht am Ziel vorbei. Ein Kommentar.

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir will den Export von Pflanzenschutzmitteln verbieten, die in Deutschland keine Zulassung haben. Sein Argument: „Es geht nicht an, dass wir nach wie vor Pestizide produzieren und exportieren, die unsere Landwirte hier nicht benutzen dürfen, da wir sie mit Blick auf die Gesundheit der Menschen zurecht verboten haben.“

Schützt der Minister also arglose Kleinbauern und Verbraucher im globalen Süden vor der profitgierigen deutschen Agrarchemie? Nein. Wer das glaubt, geht grünem Populismus auf den Leim. Das geplante Exportverbot ist ein Akt fachlicher Unkenntnis, gepaart mit überheblichem Sendungsbewusstsein.

Nicht zugelassen – aus gutem Grund

Ein Exportverbot ist fachlich unbegründet: Pflanzenschutzmittel, die in Deutschland nicht zugelassen sind, müssen nicht gesundheitsgefährdend sein. Für viele Mittel haben die Hersteller schlicht keinen Grund, in Deutschland eine Zulassung zu beantragen, weil die Schädlinge oder Pflanzenkrankheiten hier nicht vorkommen beziehungsweise die entsprechenden Kulturpflanzen wie etwa Zitrusfrüchte oder Bananen nicht angebaut werden. Deswegen können die Wirkstoffe trotzdem sehr wohl hier unter höchsten Umwelt- und Sicherheitsstandards produziert und zum Beispiel in tropische Länder verkauft werden.

Deutsche Bevormundung ist unangebracht

Ein Exportverbot wäre eine Bevormundung: Es spricht anderen Staaten per se die Kompetenz ab, über die Einfuhr und Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in ihrem Hoheitsgebiet in eigener Verantwortung zu entscheiden. Südafrika, die Türkei oder Australien brauchen gewiss keine Bevormundung durch einen deutschen Minister.

Schutz der Ernten im globalen Süden verschlechtert

Ein Exportverbot wäre zynisch: Deutschland würde versuchen, Landwirten im globalen Süden die Werkzeuge aus der Hand zu nehmen, die sie brauchen, um ihre Ernten zu schützen. Die Versorgungssicherheit in diesen Ländern würde geschwächt. Sie würden stärker von Lebensmittelimporten abhängig.

Produktion von Pflanzenschutzmitteln findet weltweit statt

Ein Exportverbot wäre unwirksam: Nicht mehr patentgeschützte Wirkstoffe machen drei Viertel des Weltmarktes für Pflanzenschutzmittel aus. Sie werden vor allem von zahlreichen Chemieunternehmen in Indien und China hergestellt und von dort in alle Welt verkauft. Daran ändert ein deutsches Exportverbot nichts. Hinzu kommt, die forschenden Hersteller neuer, patentgeschützter Mittel können weltweit an einer Hand abgezählt werden. Bayer, BASF oder Syngenta werden die Herstellung von Wirkstoffen, die einem Ausfuhrverbot unterliegen, nicht einstellen, sondern an Standorte im Ausland verlagern.

Kein Vorteil für deutsche Landwirte ...

Ein Exportverbot schafft noch keinen fairen Wettbewerb: Landwirte in Drittstaaten werden die Pflanzenschutzmittel, die sie brauchen und anwenden dürfen, künftig in anderen Ländern einkaufen als in Deutschland. Ihr Wettbewerbsvorteil gegenüber den deutschen Erzeugern, die diese Mittel nicht einsetzen dürfen, bleibt bestehen.

... und auch nicht für deutsche Verbraucher

Ein Exportverbot schützt den deutschen Verbraucher nicht: Der Verbraucherschutz würde erst verbessert, wenn die Einfuhr von Lebensmitteln, die mit hierzulande nicht zugelassenen Pflanzenschutzmitteln behandelt wurden, verboten wird.

Wollen wir das wirklich?

Mit der Ankündigung eines Ausfuhrverbots bedient Minister Özdemir das grüne Wählerklientel. Den weltweiten Markt für Pflanzenschutzmittel wird er damit nicht zum Besseren beeinflussen. Und noch etwas zum Schluss: Betrachten wir den Fall einmal umgekehrt. Stellen wir uns vor, die deutschen Landwirte bräuchten dringend ein hier zugelassenes Pflanzenschutzmittel, das kurzfristig nur in China in ausreichenden Mengen hergestellt wird. Die chinesische Regierung würde aber entscheiden, Deutschland unter Hinweis auf den Gesundheitsschutz nicht mehr zu beliefern. Wollten wir so bevormundet werden?

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