Mit 56,3 Mio. Euro aus der Agrarreserve will die EU-Kommission die Landwirte in Polen, Bulgarien und Rumänien für wirtschaftliche Verluste entschädigen, die sie durch die erheblich gestiegenen Einfuhren von Getreide und Ölsaaten aus der Ukraine erleiden. Das kündigte EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski heute (20.3.) beim Treffen der EU-Landwirtschaftsminister an.
Die Kommission schlägt vor, Polen 29,5 Mio. Euro, Bulgarien 16,75 Mio. Euro und Rumänien 10,05 Mio. Euro zur Verfügung zu stellen. Die drei Mitgliedstaaten können diese Beträge aus nationalen Mitteln verdoppeln. Insgesamt würde sich das Hilfspaket somit auf bis zu 112,6 Mio. Euro summieren. Außer dieser Aktivierung der Krisenreserve berieten die EU-Landwirtschaftsminister auch über den Abschluss eines Freihandelsabkommens mit den Mercosur-Staaten.
Nachhaltigkeits-Verpflichtungen sollen Mercosur-Abkommen retten
Wie der amtierende schwedische Vorsitzende des EU-Agrarrates, Peter Kullgren, im Anschluss an die Sitzung der Minister mitteilte, haben „einige Mitgliedstaaten nach wie vor gewisse Bedenken“ gegen ein Freihandelsabkommen mit dem Mercosur-Raum. Kullgren geht jedoch davon aus, dass gesonderte „Nachhaltigkeits-Verpflichtungen“ den Weg freimachen werden, damit ein Freihandelsvertrag baldmöglichst in Kraft treten kann.
Eine strategische Entscheidung erwartet der schwedische Landwirtschaftsminister beim EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs am Donnerstag und Freitag in Brüssel. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hatte bereits vor der Sitzung der EU-Agrarminister deutlich gemacht, dass er einen Freihandelsvertrag mit den Mercosur-Staaten unterstützt.
Özdemir: Folgen für die Landwirtschaft „sehr überschaubar“

Özdemir betonte, selbstverständlich setze sich die Bundesregierung für die Interessen der heimischen Landwirtschaft ein. Berechnungen des Thünen-Instituts zeigten aber, die Auswirkungen seien „sehr überschaubar“. Dafür sorgten entsprechende Einfuhrquoten.
Özdemir verwies zugleich auf die Chancen für die europäische Agrar- und vor allem die Ernährungswirtschaft im Export. Im Interesse der Nachhaltigkeit soll das Mercosur-Abkommen laut Özdemir durch eine Zusatzvereinbarung ergänzt werden.
Ob ein Abkommen bis Mitte des Jahres machbar sei, wie von Brasiliens Präsident Lula da Silva gewünscht, ließ Özdemir offen, aber „es muss schnell gehen“, so der Grüne.
Österreich lehnt Mercosur-Abkommen aus Sorge um die Landwirtschaft ab
Österreichs Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig bekräftigte hingegen das klare Nein der Regierung in Wien zu einem Freihandelsabkommen der EU mit dem Mercosur-Raum. Er äußerte vor Beginn der Ratssitzung größte Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen für die europäischen Erzeuger von Rind- und Geflügelfleisch sowie Zucker.
Totschnig empfahl der EU-Kommission, ihren Fokus auf eine starke landwirtschaftliche Produktion und einen funktionierenden Binnenmarkt zu lenken. Er rief die Kommission dazu auf, dringend ein EU-weites System zur Kennzeichnung der Herkunft von Lebensmitteln einzuführen.
Deutschland will Krisenhilfen für osteuropäische Landwirte unterstützen
Mit Blick auf die EU-Hilfen für Polen, Bulgarien und Rumänien aus der Krisenreserve des EU-Agrarhaushalts sagte Wojciechowski, die durch die russische Aggression verursachten Handelsstörungen dürften nicht zu Lasten der Landwirte in den Nachbarländern gehen. Ausschlaggebend für die Bemessung der Hilfen sei das Ausmaß der lokalen Marktstörungen durch die deutlich gestiegenen Einfuhren an Mais, Weizen und Sonnenblumensaat.
Die Zahlungen an die Landwirte in den drei Anrainerstaaten sollen bis zum 30. September 2023 erfolgen. Am 30. März sollen die EU-Mitgliedstaaten im Ausschuss für die gemeinsame Organisation der Agrarmärkte abstimmen. Özdemir kündigte bereits an, Deutschland werde sich einer solidarischen Hilfe für die Nachbarländer der Ukraine nicht verschließen.
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