So stand etwa die EU-Verordnung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR) auf der Tagesordnung des Agrarrats. Sie soll das Reduktionsziel für Pflanzenschutzmittel von 50 Prozent bis 2030 umsetzen. Für die geplante Verordnung fordern die Ressortchefs vieler EU-Länder eine Folgenabschätzung, andere wollen sie so schnell wie möglich verabschieden. In den kommenden Tagen werden sich die kritischen Stimmen wohl durchsetzen, sodass für das 50-Prozent-Ziel erst eine neue Studie erstellt werden muss.
Überdies wurde die Umsetzung der nationalen Strategiepläne wegen der Situation in der Ukraine teilweise kritisch bewertet. EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski erklärte daraufhin, welche Möglichkeiten bestehen, die Strategiepläne im nächsten Jahr zu ändern beziehungsweise anzupassen.
Reduktion Pflanzenschutzmittel: Deutschland gegen eine erweitere Folgenabschätzung
Am zweiten Tag des Agrarrats wurde Deutschland durch Staatssekretärin Ophelia Nick (Grüne) vertreten. Nick warnte, dass sich die Verringerung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes verzögern könne, wenn erst die Ergebnisse einer erweiterten Folgenabschätzung abgewartet würden. Landwirte müssten schnell wissen, wie sie die Halbierung von Pflanzenschutzmitteln bis 2030 erreichen sollen.
Die Grünen-Politikerin räumte aber ein, dass der Kommissionsvorschlag noch Lücken aufweise. So sei zum Bespiel unklar, in welchen Gebietskulissen der Pflanzenschutzmitteleinsatz komplett verboten werden soll. Neben Deutschland sprachen sich auch Frankreich und Spanien gegen die Folgenabschätzung aus.
Mehrheit befürwortet Folgenabschätzung
Allerdings hatte Tschechien, das gerade den Vorsitz im Rat der Europäischen Union ausübt, am Samstag im Ständigen Ausschuss der Botschafter der Mitgliedstaaten eine Abstimmung erwirkt. Die Mehrheit sprach sich für die Durchführung einer erweiterten Folgenabschätzung aus. Am Montag (19.12.) soll der EU-Energierat das Gesuch offiziell bestätigen, erklärte Tschechiens Landwirtschaftsminister Zdeněk Nekula. Dann habe die Kommission für die Erstellung einer Folgenabschätzung sechs Monate Zeit. Die Folgen des Kriegs in der Ukraine müssten hier in besonderer Weise berücksichtigt werden.
EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides versprach, die mehrheitliche Forderung nach Artikel 241 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union sorgfältig zu überprüfen. Die Verhandlungen zur Verordnung bezeichnete Kyriakides als schwierig und kompliziert. „Wir erkennen die akute Besorgnis über höhere Energie-, Agrar- und Lebensmittelpreise, die durch Russlands Krieg in der Ukraine ausgelöst wurden, voll und ganz an“, so die Gesundheitskommissarin. Doch es sei die übermäßige Abhängigkeit von Pestiziden, die die Ernährungssicherheit und Rentabilität der landwirtschaftlichen Betriebe bedrohe.
Vor allem die ost- und mitteleuropäischen Mitgliedstaaten verwiesen aber auf die starke Inflation bei Nahrungsmitteln und forderten die Folgenabschätzung. Neben Polen gab auch Italien zu bedenken, dass bei einer weiteren Verschärfung der Brüsseler Vorgaben zum Pflanzenschutz Importprodukte aus Drittstaaten gegenüber den in der EU erzeugten Produkten konkurrenzfähiger würden. Rumäniens Landwirtschaftsminister Petre Daea drängte auf wirtschaftliche Entschädigungen aus Mitteln der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und EU-Beihilfen.
Chaos bei Umsetzung der neuen GAP vorprogrammiert

EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski erläuterte den Delegierten, dass die nationalen Strategiepläne zur Umsetzung der GAP ab 2023 korrigiert und an neue Herausforderungen angepasst werden könnten. Pro Förderperiode könne jeder Mitgliedstaat insgesamt acht Änderungsanträge einreichen. Dabei seien mehrere Änderungswünsche pro Antrag möglich; es sei aber nur ein Änderungsantrag pro Jahr vorgesehen.
Über Korrekturen kleinerer Fehler müsse die Kommission laut Wojciechowski nur informiert werden. Im Februar 2023 solle ein entsprechender Rechtsakt die Anpassungen und Korrekturen ermöglichen.
Staatssekretärin Nick wies auf den äußerst engen Zeitplan bei der Umsetzung der GAP in Deutschland hin. Die Vorbereitung in den Bundesländern zur Einführung des neuen Systems und die Information der Landwirte über die Neuerungen seien nur mit größten Anstrengungen zeitlich zu schaffen. Besonders die Programmierung des notwendigen IT-Systems bereite laut Nick noch Probleme. Hier warteten die Behörden noch auf Vorgaben der EU-Kommission. 2023 müsse noch als Ausnahmejahr angesehen werden, betonte die Grünen-Politikerin.
Minister für einheitliche Tierschutzstandards
Weiterhin sprachen sich die Agrarminister dafür aus, die europäische Tierschutzgesetzgebung so schnell wie möglich zu überarbeiten und dabei einen harmonisierten Ansatz zu verfolgen. Landwirten und Lebensmittelhändlern müsse innerhalb der EU ein fairer Wettbewerb ermöglicht werden. Auch Kyriakides hielt es für erforderlich, die europäischen Vorgaben für den Tierschutz zu verbessern und zu vereinheitlichen.
Die Minister erinnerten an angemessene Fristen und finanzielle Unterstützung für die Verbesserung des Tierschutzes in ihren Ländern. Staatssekretärin Nick erklärte, dass die Überarbeitung der Vorschriften erforderlich sei und nicht im Zusammenhang mit der aktuellen wirtschaftlichen Lage gesehen werden dürfe. „In wirtschaftlich schwierigen Zeiten sollten wir den Tierschutz nicht vernachlässigen“, sagte Nick.
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