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Farm-to-Fork-Strategie

Pflanzenschutzmittel: Das plant Sarah Wiener für das 50-Prozent-Ziel

Bei ihrem gestrigen (06.09.) Pressegespräch bestätigte Sarah Wiener, dass das Reduktionsziel für Pflanzenschutzmittel nicht für jedes EU-Land 50 Prozent beträgt. Die Vorgabe, die bis 2030 erfüllt sein muss, könne sich zwischen 35 und 65 Prozent bewegen.
am Mittwoch, 07.09.2022 - 10:35 (12 Kommentare)

Die grüne Europaabgeordnete Sarah Wiener treibt die Verhandlungen zur neuen Pflanzenschutzverordnung maßgeblich voran. Erste Details dazu gab sie gestern (06.09.) bekannt.

Bei der geplanten EU-Verordnung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln ist Sarah Wiener als Berichterstatterin im federführenden Umweltausschuss verantwortlich für die Stellungnahme der beteiligten Ausschüsse vor der Abstimmung im Parlament.

Ziel des Entwurfs für die neue Richtlinie ist es, die Vorgabe aus der Farm-to-Fork-Strategie umzusetzen, bis 2030 den Pflanzenschutzmitteleinsatz und das Risiko von Pflanzenschutzmitteln in der EU um 50 Prozent zu reduzieren.

Aus Wieners Sicht ist die bisherige EU-Richtlinie schlecht umgesetzt worden und daher gescheitert. Sie verwies im Pressegespräch auf die europäische Initiative „Bienen und Bauern retten!“, die im letzten Jahr sogar eine 80-prozentige Verringerung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes bis 2030 forderte und dafür 1,2 Mio. Unterschriften von EU-Bürgern sammelte.

Reduktionsziele für Pflanzenschutzmittel sollen zwischen 35 und 65 Prozent liegen

Die grüne Fraktion im EU-Parlament setze sich für ein gesetzlich verbindliches Reduktionsziel von mindestens 50 Prozent ein, so die Österreicherin. Im Vordergrund stehen müsse ein integrierter Pflanzenschutz, bei dem Pflanzenschutzmittel nur dann zum Einsatz kommen, wenn es keine andere Möglichkeit mehr gibt.

Auf Nachfrage bestätigte Wiener jedoch, dass die einzelnen EU-Staaten nicht zwingend eine Verringerung von 50 Prozent zum Ziel haben müssten – stattdessen sei diese Vorgabe auf die gesamte EU zu beziehen. Welche genauen Einsparungen die Mitgliedstaaten gelten sollen, sei „noch nicht in Stein gemeißelt“. Wie agrarheute im August berichtete, liege die Spanne der Reduktionsziele zwischen 35 und 65 Prozent; für Deutschland soll ein Ziel von 55 Prozent vorgeschlagen worden sein. Ausgangspunkt sei der jeweilige Pflanzenschutzmitteleinsatz zwischen 2015 und 2017 im Vergleich zu heute, erklärte Wiener.

Die EU-Länder könnten nun selbst angeben, um wie viel Prozent sie den Pflanzenschutzmitteleinsatz reduzieren wollen. Wiener sei „gespannt, ob es irgendjemanden gibt, der freiwillig das 65-Prozent-Ziel nimmt.“

Bei Vorschriften für Pflanzenschutz in sensiblen Gebieten noch Nachbesserungen nötig

Weiterhin stünden die Grünen für strengere Regeln beim Pflanzenschutzmitteleinsatz in sensiblen Gebieten. Allerdings sei die Fraktion auch der Meinung, dass ein Komplettverbot wohl zu weitreichend wäre.

Wenn selbst im Ökolandbau zugelassene Pflanzenschutzmittel in sensiblen Gebieten verboten werden, bedeute das für einige Betriebe, gar keine Landwirtschaft mehr betreiben zu können. Das würde sich zum Beispiel für Slowenien besonders auswirken, weil es dort einen hohen Anteil von Landschaftsschutzgebieten gibt. Deshalb seien hier noch Nachbesserungen notwendig, sagte Wiener.

Außerdem wollen die Grünen die bestehenden Risikoindikatoren für Pflanzenschutzmittel ändern. Die Berechnungsmethoden müssten so angepasst werden, dass die Ergebnisse mit den tatsächlichen Risiken übereinstimmen.

Wiener: Problem liegt bei Lebensmittelpreisen, nicht bei ihrer Verfügbarkeit

Sarah Wiener verteilt Essen an Geflüchtete

Sarah Wiener betonte, dass die globale Ernährungssicherheit Hand in Hand gehe mit der Mineraldüngerausbringung und dem Pestizideinsatz. „Wir reden eigentlich immer nur über Flächeneffizienz, aber nicht über Tiefeneffizienz“, sagte sie mit Blick auf die Bodengesundheit. So erbringe der Boden mit seinen Fähigkeiten zur Wasserspeicherung, zum Humusaufbau und Schutz gegen Hochwasser Ökosystemleistungen, die der Gesellschaft zugute kommen und die das Ernährungssystem langfristig stabiler machten.

„Wir haben Probleme mit den Preisen, aber keine Ernährungskrise“, sagte die Europaabgeordnete. Dass es 800 Millionen Hungernde gibt, liege nicht daran, dass keine Lebensmittel vorhanden seien. Stattdessen seien beispielsweise eine fehlende Infrastruktur und Konflikte beziehungsweise Bürgerkriege Ursachen.

Keine Lösung ist aus Wieners Sicht der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen. „Es gibt keine Gentechnik, die den Ertrag gesteigert hat“, sagte sie. Darüber hinaus gebe es Beweise dafür, dass der Pflanzenschutzmitteleinsatz in diesen Kulturen gestiegen sei.

Auch in Kulturen, die nicht gentechnisch verändert wurden, seien zwar weniger, dafür aber giftigere Pflanzenschutzmittel ausgebracht worden, weshalb die bisherigen Einsparungen kritisch betrachtet werden müssten. Für die noch nicht begonnenen Verhandlungen wünscht Wiener sich einen ehrlichen und respektvollen Austausch. Den Abschluss des Verfahrens erwartet sie in anderthalb Jahren.

 

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