Im Koalitionsvertrag der Ampel heißt es: „Wir führen ab 2022 eine verbindliche Tierhaltungskennzeichnung ein, die auch Transport und Schlachtung umfasst.“ Dieses Ziel will Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Bündnis 90 - die Grünen) mit einem Gesetzentwurf erreichen, dessen wesentliche Eckpunkte agrarheute vorliegen.
Was sind die Eckpunkte der geplanten verpflichtenden Tierhaltungs-Kennzeichnung?
Vom Grundsatz her soll die verpflichtende Tierhaltung-Kennzeichnung nur über Tierhaltung informieren, nicht etwa über Maßnahmen, die im Rahmen der Betriebsführung ergriffen werden, beispielsweise Fortbildungen der Tierhalterin oder des Tierhalters. Das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) sieht die Kennzeichnung nicht als Label oder Gütesiegel, sondern als verpflichtende Verbraucherinformation über die Haltungsform der Tiere, aus denen das Produkt gewonnen worden ist. Während die Haltungskennzeichnung für deutsche Produkte verpflichtend sein soll, ist sie für Produkte aus anderen Ländern freiwillig. Unklar ist derzeit noch, welcher Anteil an Verarbeitung notwendig ist, um als „deutsches Produkt“ klassifiziert zu werden. Um dieses Problem zu umgehen, wird die Kennzeichnungspflicht zunächst nur für frisches, unverarbeitetes Schweinefleisch gelten, das im Einzelhandel bzw. in Fleischereifachbetrieben verkauft wird. Weitere Tierarten, Produkte und Anbieter von Lebensmitteln sollen später folgen. Kontrollieren sollen die Vorgaben der neuen Kennzeichnung die Bundesländer.
Sollen Transport und Schlachtung Teil der Tierhaltungs-Kennzeichnung sein?
Transport und Schlachtung sollen nicht Teil der Kennzeichnung sein, weil diese sich nicht für verschiedene Haltungsformen unterscheiden. Verbesserungen in diesen beiden Bereichen will das Bundeslandwirtschaftsministerium über weitere gesetzliche Regelungen erreichen.
Welche Haltungsstufen sind bei der verpflichtenden Tierhaltungs-Kennzeichnung geplant?
Die verpflichtende Tierhaltungs-Kennzeichnung soll sich an der EU-weit geltenden Eierkennzeichnung orientieren. Die folgenden vier Haltungsstufen soll es geben:
- „Stall“: Diese unterste Stufe der Haltungsform soll für Tierhaltung gelten, welche die Mindestanforderungen der EU-Richtlinie 2008/120/EG zum Schutz von Schweinen erfüllt. Sie entspricht der Haltungsstufe „3“ bei der Eierkennzeichnung.
- „Außenklimakontakt“: Diese Stufe soll für Außenklimaställe oder Ställe mit Auslauf gelten. Es braucht zusätzlichen Platz für die Tiere, höhere Anforderungen an Liegeflächen und langfaseriges, organisches Beschäftigungsmaterial. Genaue Details zu den Anforderungen sind noch nicht bekannt.
- „Auslauf bzw. Weide“: In dieser Stufe soll ein jederzeit zugänglicher, planbefestigter Auslauf vorhanden sein, der den Tieren auch Schutz vor widrigen Witterungen und Sonneneinstrahlung bietet. Anders als in der Stufe „Außenklimakontakt“ müssen die Schweine eine Mindestfläche an Auslauf im Freien haben. Im Stall braucht es ebenfalls mehr Platz für die Tiere sowie einen eingestreuten Liegebereich und langfaseriges, organisches Beschäftigungsmaterial. Auch für diese Haltungsform stehen konkrete Vorgaben - etwa zur Fläche pro Tier - noch nicht fest.
- „Bio“: Diese höchste Haltungsform in Cem Özdemirs geplantem Label soll der Stufe „0“ bei der Eierkennzeichnung entsprechen. Die Vorgaben müssen mindestens die der EU-Ökoverordnung einhalten - inklusive der darin festgelegten höheren Platzanforderungen.
Was passiert mit bestehenden Tierhaltungslabels?
Bereits bestehende Kennzeichnungen der Haltungsform, etwa die Label des Deutschen Tierschutzbundes oder von Neuland, sollen nach der Einführung der verpflichtenden Tierhaltungs-Kennzeichnung in die neuen Haltungsstufen einsortiert werden. Sie können weiterhin zusätzlich verwendet werden.
Wie unterstützt das BMEL die Einführung der Tierhaltungs-Kennzeichnung?
In der Einführungsphase der verpflichtenden Tierhaltungs-Kennzeichnung will das Bundeslandwirtschaftsministerium eine „Informationsinitiative“ durchführen. Diese soll Verbraucherinnen und Verbrauchern erklären, was ihnen das neue Label bringt. Allerdings scheint diese Initiative nicht mit besonderem Ehrgeiz vorangetrieben zu werden: Im Haushaltsentwurf für das Bundeslandwirtschaftsministerium sind im Jahr 2022 für die „Entwicklung und Markteinführung einer verpflichtenden Tierhaltungskennzeichnung“ insgesamt 2 Mio. € vorgesehen. 200.000 € davon sind für „programmbezogene Öffentlichkeitsarbeit“ und bis zu 1,4 Mio. € für „Fachinformationen“ budgetiert. Für das freiwillige Tierwohl-Label der ehemaligen Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) waren im Haushalt für das Jahr 2021 noch 20 Mio. € veranschlagt.
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