Polen wird am 21. April ab 00:00 Uhr wieder Getreideimporte aus der Ukraine abfertigen, jedoch ausschließlich für den Transit. Das haben Regierungsvertreter beider Länder gestern (18.4.) vereinbart.
Gleichzeitig greift Polen kräftig in den Agrarmarkt ein. Die Regierung in Warschau führt einen „allgemeinen Ankauf von Getreide“ zum Garantiepreis von 1.400 Zloty (303 Euro) ein. Das gab die Kanzlei von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki bekannt.
In Brüssel kündigte derweil eine Sprecherin der EU-Kommission an, die Kommission werde kurzfristig ein zweites Hilfspaket für die Landwirte in den östlichen EU-Mitgliedstaaten vorschlagen. Kolportiert wird ein Umfang von rund 75 Mio. Euro.
Keine Tonne ukrainisches Getreide soll in Polen bleiben
„Keine Tonne ukrainisches Getreide wird in Polen bleiben“, versicherte die Regierung in Warschau nach den Gesprächen mit der ukrainischen Seite. Jeder Transport soll per GPS kontrolliert werden. Die Lieferungen über die Solidaritätskorridore sollen ohne Entladung entweder direkt zu polnischen Häfen oder in Nachbarländer führen.
Polen hatte am 15. April einen Einfuhrstopp für Getreide und zahlreiche andere Lebensmittel aus der Ukraine verhängt. Er gilt bis zum 30. Juni 2023. Die nun vereinbarte Transitregelung soll offenbar für Getreide und andere Lebensmittelerzeugnisse gelten.
Polen setzt sich über das EU-Recht hinweg
„Solange die Europäische Kommission keine Lösungen findet, ergreifen wir Maßnahmen, die die polnischen Landwirte und Verbraucher schützen“, heißt es in dem Bulletin der Regierungskanzlei. Zu diesen Maßnahmen zählt für Warschau offensichtlich die Einführung einer nationalen Getreideintervention.
Eine solche Maßnahme ist nach den Grundprinzipien der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und des freien EU-Binnenmarktes widerrechtlich. Darüber setzt sich die polnische Regierung jedoch hinweg. Außerdem bietet die Regierung den polnischen Landwirten Subventionen für den Kauf von Düngemitteln und Kraftstoff an.
Polens Agrarpolitik ist eine Provokation für die EU
Die polnischen Maßnahmen sind eine Provokation für die EU-Kommission und die übrigen Mitgliedstaaten. Eine Sprecherin der Brüsseler Behörde hatte den Importbann durch Polen bereits kurz nach dem Inkrafttreten als nicht akzeptabel bewertet.
Zugleich bemühte sich die Kommission, den Konflikt nicht durch harsche Äußerungen in Richtung Warschau zu schüren. Übergeordnetes Ziel ist ein geschlossenes Auftreten der EU angesichts des Krieges in der Ukraine. Um die Wogen zu glätten, will Brüssel den osteuropäischen Mitgliedstaaten, die unter den extrem gestiegenen Agrareinfuhren aus der Ukraine leiden, ein zweites Hilfspaket anbieten.
Hilfspaket für osteuropäische Landwirte ist Chefsache geworden

Wie verschiedene Kreise der Brüsseler Behörde gegenüber Agra-Europe berichteten, sollen Polen, die Slowakei, Ungarn sowie Rumänien und Bulgarien zu den Empfängern der neuerlichen Sonderhilfen gehören. Die Details über die Verteilung der Mittel stünden aber noch nicht fest.
Der Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, soll ein konkreter Vorschlag für das zweite Hilfspaket vorliegen. Dem Vernehmen nach wird in ihrem Umfeld entschieden, wann der Entwurf der Öffentlichkeit präsentiert wird.
Auch heißt es in Brüssel, dass das zweite Hilfspaket möglicherweise aus dem Topf der EU-Agrarreserve über die genannten 75 Mio. Euro hinaus aufgestockt werden könnte.
Der Ärger wächst über die Verwendung der EU-Agrarreserve
Der EU-Agrarministerrat tagt am kommenden Dienstag in Luxemburg. Zweifellos werden die Lage auf den EU-Agrarmärkten und die Einfuhren aus der Ukraine ein Thema sein.
Eine Sprecherin der EU-Kommission hatte Anfang dieser Woche die Hoffnung geäußert, dass ein zweites Hilfspaket ähnlich schnell beschlossen werden kann wie das erste Paket im März. Damals wurden Polen, Rumänien und Bulgarien insgesamt 56,3 Mio. Euro aus der EU-Agrarreserve zugesagt, damit sie ihren Getreide- und Ölsaatenerzeugern unter die Arme greifen können.
Ansonsten hat bisher nur Italien Geld aus der neuen Agrarreserve bekommen, und zwar 27,2 Mio. Euro zur Stützung seines von der Vogelgrippe betroffenen Geflügelsektors. Daher sollen viele westliche Mitgliedstaaten zunehmend verärgert sein über die geografisch eingeschränkte Nutzung von EU-Geldern. Insgesamt stehen der EU-Agrarreserve 450 Mio. Euro zur Verfügung.
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