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Regierungskrise

Polens Agrarminister tritt im Streit um Ukraine-Agrarimporte zurück

Henryk Kowalczyk
am Mittwoch, 05.04.2023 - 13:56 (Jetzt kommentieren)

Der Freihandel mit der Ukraine hat in Polen eine Regierungskrise ausgelöst – ausgerechnet während des Selenskyi-Besuchs.

Polens Landwirtschaftsminister Hendryk Kowalczyk ist heute (5.4.) von seinem Amt zurückgetreten. Zur Begründung verwies der Politiker der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) auf den Streit mit der Europäischen Kommission um die zollfreien Agrarimporte aus der Ukraine.

Es sei ganz klar, dass die Grundforderung der polnischen Landwirte, die Schutzklausel für zoll- und quotenfreie Einfuhren von Getreide aus der Ukraine zu aktivieren, von der Kommission nicht erfüllt werde, sagte Kowalczyk. Darum habe er eine Entscheidung getroffen und seinen Rücktritt eingereicht. Die polnische Regierung hatte die EU-Kommission Ende März schriftlich gebeten, den Agrarimport aus der Ukraine zu regulieren.

Rücktritt während Selenskyi-Besuch in Warschau

Der Rücktritt Kowalczyks zeigt, unter welchen enormen Spannungen die Politik in Polen durch den Krieg in der Ukraine und deren Folgen steht. Einerseits hat der polnische Präsident Andrzej Duda heute seinen ukrainischen Kollegen Wolodomyr Selenskyi bei dessen Besuch in Warschau mit dem höchsten Orden des Landes, dem Weißen Adler, ausgezeichnet.

Zugleich steht die Regierung unter massivem Druck der polnischen Landwirte. Sie fordern Schutzmaßnahmen gegen Agrarimporte aus der Ukraine. Eine Gruppe von Landwirten drohte damit, den Besuch des ukrainischen Präsidenten durch Proteste zu stören.

Seit Einführung eines befristeten Freihandelsabkommens mit der EU sind die Einfuhren an Getreide und Ölsaaten aus dem östlichen Nachbarland in die EU-Anrainerstaaten erheblich gestiegen.

EU-Krisenhilfe genügt den polnischen Landwirten nicht

Statt den polnischen Forderungen nach Einführung einer Schutzklausel nachzugeben, schlägt die EU-Kommission vor, das Freihandelsabkommen mit der Ukraine um ein Jahr zu verlängern bis Juni 2024.

Allerdings gab die EU-Kommission 29,5 Mio. Euro an EU-Mitteln aus der Krisenreserve der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) für Stützmaßnahmen in Polen frei. Auch Bulgarien und Rumänien erhalten Geld aus der Agrarreserve. Warschau kann die Summe aus nationalen Mitteln verdoppeln.

Den polnischen Landwirten reicht das aber nicht. Sie klagen über einen massiven Preisverfall vor allem für Getreide.

Spannungen vor den Parlamentswahlen im Herbst

Nach Angaben des polnischen Infrastrukturministers Andrzej Adamczyk kommen in Polen zurzeit monatlich über 450.000 Tonnen Getreide aus der Ukraine an. Das ist 16-mal mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

Nach anhaltenden Protesten der polnischen Landwirte zog Agrarminister Kowalczyk nun politische Konsequenzen, da er eine Begrenzung der Importe nicht durchsetzen konnte.

Kowalczyk gehört ebenso wie EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski der polnischen Regierungspartei PiS an. Im Herbst finden in Polen Parlamentswahlen statt.

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