Die von der Europäischen Kommission beschlossene Transitlösung für Agrarimporte aus der Ukraine hat ein politisches Nachspiel. Die Agrarminister von dreizehn Mitgliedstaaten, darunter Deutschland und Frankreich, äußern in einem Brief an die EU-Kommissare für Landwirtschaft und Handel, Janusz Wojciechowski und Valdis Dombrovskis, deutliche Kritik am Vorgehen der Kommission.
Sie sind überhaupt nicht damit zufrieden, wie die Brüsseler Behörde die Einigung mit Polen, Ungarn, Bulgarien und der Slowakei über begrenzte Importsperren für Weizen, Raps, Mais und Sonnenblumensaat aus der Ukraine herbeigeführt hat.
Der Streit um die nationalen Importverbote von Polen, Ungarn und anderen osteuropäischen Mitgliedstaaten, die von der Kommission praktisch zu EU-Recht erklärt wurden, hat zudem auch Rückwirkungen auf das geplante zweite Hilfspaket, dessen Umsetzung plötzlich in der Luft hängt.
Agrarminister haben ernste Bedenken wegen Ungleichgewicht in der Gemeinschaft
In ihrem Brandbrief an Wojciechowski und Dombrovskis äußern die 13 EU-Agrarminister „ernste Bedenken“ bezüglich der von der EU-Kommission am 2. Mai ohne Konsultation der Mitgliedstaaten beschlossenen Krisenmaßnahmen.
Die von der Kommission gefundene Lösung führe zu einem Ungleichgewicht innerhalb der Gemeinschaft. Es stelle sich die Frage, wie künftig mit ähnlich gelagerten Fällen umgegangen werden solle, wenn weitere Mitgliedstaaten solche Probleme geltend machten. Die Minister betonen, die Integrität des Binnenmarktes dürfe nicht als „Anpassungsvariable“ genutzt werden.
Wie sind die Krisenmaßnahmen mit dem Binnenmarkt vereinbar?
Die Minister, darunter Bundesagrarminister Cem Özdemir und sein französischer Kollege Marc Fesneau, fordern von der Kommission Aufklärung darüber, ob und inwieweit das auf fünf Mitgliedstaaten begrenzte Importverbot mit den Regeln und der Funktion des Binnenmarktes in Einklang zu bringen sei.
Nicht zuletzt wollen die Minister wissen, in welcher Form die Auswirkungen der ukrainischen Lieferungen auf die Märkte der anderen Mitgliedstaaten berücksichtigt würden. Weitere offene Fragen haben sie bezüglich der Warenströme sowie der praktischen Umsetzung des Transitgebots.
Ungarn blockiert mit nationalem Sonderweg die EU-Gelder
Diskussionsbedarf sehen die Agrarminister zudem hinsichtlich der 100 Mio. Euro, die den Ukraine-Anrainern aus der EU-Agrarreserve zugesagt wurden. Auch in diesem Zusammenhang wird auf mehr Transparenz gepocht.
Aktuell hängt dieses zweite Hilfspaket am seidenen Faden. Ungarn hat seine nationalen Handelsbeschränkungen für ukrainische Agrarlieferungen noch nicht aufgehoben. Die von der Kommission zugesagten Hilfen sind aber an die Bedingung geknüpft, dass sämtliche in den betroffenen Ländern erlassenen Schutzmaßnahmen aufgehoben werden.
Anders als Ungarn kamen Polen, Bulgarien und zuletzt die Slowakei der Vereinbarung kurzfristig nach. Daher legte die EU-Kommission das Hilfspaket auch noch nicht dem zuständigen Ausschuss der Gemeinsamen Marktordnung (GMO) vor. Eine ursprünglich für den 12. Mai angesetzte Abstimmung im GMO-Ausschuss wurde kurzfristig abgesagt.
So sollen die Gelder aus der Krisenreserve verteilt werden
Im Einzelnen soll Polen Gelder in Höhe von 39,33 Mio. Euro bekommen. Für Rumänien sind 29,73 Mio. Euro und für Ungarn 15,93 Mio. Euro vorgesehen. Bulgarien und die Slowakei sollen 9,77 Mio. Euro beziehungsweise 5,24 Mio. Euro erhalten. Zudem können die fünf Länder diese EU-Fördermittel um bis zu 200 % durch nationale Mittel ergänzen. Maximal möglich wären also insgesamt 300 Mio. Euro Finanzhilfen an die dortigen Bauern.
Dem Vernehmen nach haben inzwischen zahlreiche weitere Mitgliedstaaten bei der Kommission den Wunsch geäußert, Mittel aus der EU-Agrarreserve zu erhalten.
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