Mehr erneuerbare Energien in Deutschland zu produzieren und dabei die Landwirtinnen und Landwirte einzubinden ist eine großartige Idee. Als Superminister Robert Habeck das Eckpunktepapier für mehr Agri Photovoltaik vorgestellt hat, mag mancher sich gefragt haben: Warum kam da nicht schon eher jemand drauf? Photovoltaik-Anlagen über Agrarflächen ohne Prämienverlust bei den Agrarbeihilfen zu ermöglichen, jedenfalls so lange nicht mehr als 15 % in der Nutzung beeinträchtigt werden, vermeidet unter anderem Probleme mit Anwohnern, die keine neuen Windräder wollen. Außerdem schafft es zusätzliche Einkommensmöglichkeiten für die derzeit arg gebeutelten Bäuerinnen und Bauern. Doch es ist eben keine neue Idee, sondern vielmehr alter Wein in nun grünen Schläuchen.
Warum Agri Photovoltaik auf Moorflächen schwierig ist
Agri Photovoltaik auf wiedervernässten Moorflächen, wie Robert Habeck sie will, das klingt in der Theorie gut. Allerdings müssen die Anlagen dann schwimmfähig sein. Andernfalls drohen sie bei gestiegenem Grundwasserspiegel schlicht abzusaufen. In großer Gefahr abzusaufen sind gleichzeitig die benachbarten Flächen und die Keller der Anwohner in der Gegend, die zwar die Wiedervernässung haben, nicht aber den Ausgleich durch Zahlungen aus dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG). Letztere gehen nur an die Betreiber der Agri Photovoltaik auf den wiedervernässten Moorflächen. Eine EEG-geförderte und ordnungsrechtlich veranlasste Wiedervernässung gegen die Anwohner vor Ort würde zum gesellschaftlichen Spaltkeil werden, welcher der Akzeptanz für erneuerbare Energien mehr schadet als nützt.
Warum Robert Habecks Pläne sich im Moor verirren
Seit dem EEG 2017 sind alle Photovoltaik-Anlagen ab 750 kW(p) Leistung ausschreibungspflichtig. Wenn Robert Habeck dieser Logik folgt, dann müssen auch die Fördersätze für die neue Agri Photovoltaik ausgeschrieben werden. Das bedeutet, dass sich die billigsten Anbieter durchsetzen. Folglich werden bei Ausschreibungen vor allem diejenigen zum Zug kommen, auf deren Flächen wegen starker und häufiger Sonneneinstrahlung sowie geringer technischen Anforderungen Agri Photovoltaik wirtschaftlich am einfachsten realisiert werden kann. Das spricht allerdings gegen wiedervernässte Moorstandorte, die sich durch häufigen Nebel und höhere Kosten für die Fundamentarbeiten auszeichnen.
„Steckdose oder Steckrübe“ – warum Agri Photovoltaik Konflikte anheizen kann
Kommt die Agri Photovoltaik vor allem auf landwirtschaftlichen Gunststandorten, dann bricht Bündnis 90 - die Grünen unter Robert Habeck den alte Konflikt Teller oder Tank neu auf. Stellen wir uns bald die Frage „Steckdose oder Steckrübe“ und warnen vor der Verspiegelung der Landschaft, wie vor einigen Jahre vor der Vermaisung gewarnt wurde? Den Druck auf den (Pacht-)Flächenmarkt wird ein massiver Förderschub für Agri Photovoltaik, wie Robert Habeck ihn mit Unterstützung von Steffi Lemke und Cem Özdemir nun angekündigt hat, nur weiter verschärfen.
Das gilt umso mehr für den letzten Absatz des Papiers der drei Minister, der urplötzlich vom EEG zur Reduzierung der Tierzahlen springt. Soll, wenn die Nutztierhaltung in Deutschland schon vor die Hunde geht, das EEG den Weg in die neue Zukunft weisen? Erschöpft sich die Kreativität der Grünen zum Umbau der Nutztierhaltung unter Robert Habeck darin, tierhaltende Betriebe aus dem Flächenmarkt zu drängen?
Landwirtschaft unter Agri Photovoltaik ist kein Selbstläufer
Eingeschränkt werden durch Robert Habecks Pläne auch die Möglichkeiten der landwirtschaftlichen Nutzung unter bzw. mit einer Agri Photovoltaik-Anlage. Zwar sind dort viele Kulturen denkbar, von klassischen Ackerfrüchten bis hin zum Obstbau. Photovoltaik-Module können auch schon senkrecht aufgestellt und/oder in lichtdurchlässiger Form installiert werden. Das kann unter Umständen sogar ackerbauliche Vorteile bringen. Doch Kosten die dadurch entstehen, müssen an anderer Stelle als Einnahmen wieder hereinkommen. Sonst landen wir – Stichwort Ausschreibung – schnell wieder bei dem Punkt, dass nur der Billigste sich durchsetzt.
Welche naturschutzfachlichen Auflagen soll es bei Agri Photovoltaik geben?
Nehmen wir an, es bilden sich bei Förderlaufzeiten von 20 Jahren wertvolle Biotope unter bzw. neben den Modulen. Dürfen die Grundeigentümer diese Anlagen dann jemals wieder abreißen? Oder wird jede Agri Photovoltaik künftig zum potenziellen Biotop und werden damit die landwirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeiten für immer eingeschränkt? Kann ein dann durch die unteren Naturschutzbehörden schnell kartiertes Mikrobiotop in einer Agri Photovoltaikanlage Auswirkungen auf die Wirtschaftsweise (z.B. keine Düngung und kein Pflanzenschutz) entfalten?
Welche Auswirkungen gibt es auf die EU-Direktzahlungen?
Gehen den Betreibern von Agri-Photovoltaik in ein paar Jahren die Direktzahlungen aus der Gemeinsamen Agrarpolitik verloren, die den Grünen ja ohnehin ein Dorn im Auge sind? Das würde deren wirtschaftliche Kalkulation massiv verändern. Wieso also jetzt in Agri Photovoltaik investieren und die maximale agrarische Ertragsminderung von 15 % berücksichtigen, um die EU-Direktzahlungen an Landwirte zu erhalten, wenn in ein paar Jahren vielleicht gar keine Direktzahlungen mehr kommen? Dann doch lieber gleich wieder in eine normale Flächen-Photovoltaikanlage investieren, ohne die durch den Naturschutz verursachte Wertminderung der Fläche zu riskieren.
Können die Landwirte Robert Habeck vertrauen?
Die zentrale Frage beim Ausbau der Agri Photovoltaik ist: Können die Landwirte Robert Habeck vertrauen, dass hinter seinem Vorschlag nicht der Versuch einer Verdrängung der landwirtschaftlichen Flächennutzung und ein Eingriff ins Eigentum steckt? Schöne Worte hatten Robert Habeck, Steffi Lemke und Cem Özdemir schon reichlich für die Bäuerinnen und Bauern übrig. Konkrete Taten, die wirklich Vertrauen geschaffen haben, gab es bislang noch nicht.
Robert Habeck muss bei Agri Photovoltaik Praxisnähe beweisen
So interessant die Idee von Robert Habeck auch klingen mag: Der Vizekanzler muss – mit Unterstützung von Steffi Lemke und Cem Özdemir – bis Ostern beweisen, dass Agri Photovoltaik den landwirtschaftlichen Praxistest besteht und mögliche Beteiligte freiwillig mitziehen. Die Vergangenheit lehrt uns: Gar so einfach wie im grünen Traum, ist das nicht.
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