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+++ Ergänzt: 16:30 Uhr, 9. März +++

Schlampiges Bundesgesetz stoppt kommunalen Schlachthof

Fleischerhaken
am Montag, 08.03.2021 - 14:50 (3 Kommentare)

Das neue Arbeitsschutzkontrollgesetz zum Verbot von Werksverträgen und Leiharbeit in der Fleischindustrie hat einen Konstruktionsfehler. Der kommunale Schlachthof Metzingen steht deshalb seit Jahresanfang still.

Heil-Hubertus-Bundesarbeitsminister

Gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht. Das Sprichwort bewahrheitet sich aufs Neue beim Arbeitsschutzkontrollgesetz. Das Gesetz, das Bundesarbeitsminister Hubertus Heil voriges Jahr auf den Weg gebracht hatte, beinhaltet nämlich eine Stolperfalle für kommunale Schlachthöfe.

Der erste Betrieb, der Schlachthof Metzingen, ist darüber bereits gefallen. Der Bundesregierung ist das bekannt. Eine Gesetzesänderung hält sie dennoch nicht für nötig und sei „auch nicht beabsichtigt“, wie die Regierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion schreibt.

Die Ausnahme gilt nur für handwerkliche Betriebe

Das Arbeitsschutzkontrollgesetz soll bekanntlich die verbreitete Leiharbeit in großen Schlachtzentren beenden. Um kleine und mittlere Unternehmen vor den zusätzlichen Auflagen zu schützen, greift das Gesetz eigentlich erst ab 50 Mitarbeitern.

Allerdings gilt diese Ausnahme nur für Handwerksbetriebe. Und darin liegt das Problem: Die Stadt Metzingen betreibt ihren Schlachthof selbst. Als Kommune fällt sie aber nicht unter den Schutz für das Fleischerhandwerk, auch wenn bei der Stadt lediglich zwei Schlachthofmitarbeiter angestellt sind.

Daher ruhen die Schlachtungen in Metzingen seit Jahresbeginn bis auf Weiteres. Für Tierhalter und Metzger in der Region ist das ein Ärgernis.

Anspruch und Wirklichkeit klaffen auseinander

Die Bundesregierung betont in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der FDP-Fraktion zwar, kleine und mittelständische Betriebe der Ernährungswirtschaft seien „ein wichtiges Fundament für die Resilienz unseres Ernährungssystems“. Vor diesem Hintergrund sei die Schließung kleinerer, regional verankerter Schlachtstätten „nicht ohne Sorge zu sehen“.

Beim Arbeitsschutzkontrollgesetz, das innerhalb weniger Wochen durch das parlamentarische Verfahren gepresst wurde, herrschte das von der Regierung selbst angemahnte „durchdachte und planvolle Vorgehen“ aber offensichtlich nicht vor.

FDP fordert Klarstellung zugunsten kommunaler Schlachthöfe

Der FDP-Abgeordnete Carl-Julis Cronenberg kritisiert, beim Arbeitsschutzkontrollgesetz habe Schnelligkeit und nicht Gründlichkeit im Vordergrund gestanden. Einer der Fehler sei die unklare Abgrenzung von Mittelstand zu Großbetrieben einerseits und Handwerk andererseits.

"Die Arbeit der kommunalen Schlachthöfe wurde schlicht übersehen und das, obwohl diese für eine nachhaltige und regionale Versorgung mit Fleisch eine wichtige Rolle spielen", sagt Cronenberg. Er fordert eine Klarstellung, dass kommunale Schlachthöfe wie bisher arbeiten dürften.

Eine Anpassung des Gesetzes würde die handwerklichen Fehler aber offenbaren, und das wolle die Koalition so kurz vor der Bundestagswahl wohl verhindern, vermutet der Liberale.

Tierhalter und Metzger wollen Genossenschaft gründen

In Metzingen wurden bis zur Schließung der Betriebsstätte nach Angaben der Gemeinde wöchentlich etwa sechs Rinder und 66 Schweine geschlachtet. Hinzu kamen jedes Jahr einige Schafe und Ziegen. Auf diese Kapazitäten müssen Tierhalter, Direktvermarkter und Metzger jetzt verzichten.

Eine Hoffnung gibt es allerdings noch für den Erhalt einer unabhängigen Schlachtstätte in der Region: Bereits im vergangenen Jahr hat sich ein Kreis von Tierhaltern und Metzgern zusammengefunden. Diese wollen im nahegelegenen Ermstal einen kleinen Schlachthof bauen und genossenschaftlich betreiben. Denn spätestens Ende 2021 soll der kommunale Schlachthof in Metzingen ohnehin schließen. Das hat der Gemeinderat mit Blick auf die beengte Lage des Betriebs in einem Wohngebiet beschlossen – noch ehe das Arbeitsschutzkontrollgesetz in Kraft trat.

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