Die Ampel-Koalition hat zur Halbzeit der Legislaturperiode bereits fast zwei Drittel ihrer Versprechen aus dem Koalitionsvertrag entweder umgesetzt oder angepackt. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung, der Universität Trier und des Progressiven Zentrums. Gemeinsam haben die Forscher untersucht, welche Maßnahmen und Ziele die drei Parteien in ihrem Koalitionsvertrag 2021 angekündigt haben - und welche davon bisher erfüllt wurden.
Die Halbzeitbilanz fällt sehr positiv aus. Eine unrühmliche Ausnahme stellt allerdings das von Cem Özdemir geführte Bundeslandwirtschaftsministerium dar. Und noch ein weiteres Ministerium, das für die Landwirtschaft wichtig ist, bekommt ein mieses Halbzeitzeugnis.
Nur zwei von zwölf Versprechen hat Minister Özdemir bislang gehalten
Insgesamt zwölf Versprechen der Ampel-Regierung zählen die Wissenschaftler im Koalitionsvertrag für den Zuständigkeitsbereich von Agrarminister Özdemir. Davon tragen bis zur Halbzeit der Wahlperiode nur zwei das Prädikat „voll erfüllt“: ein Ausstiegsplan für den Torfabbau und die Ernennung einer Tierschutzbeauftragten der Bundesregierung.
Als „teilweise erfüllt“ sehen die Forscher das Versprechen an, eine verbindliche Tierhaltungskennzeichnung ab 2022 einzuführen. Im Gegensatz zur ursprünglichen Ankündigung sei die Regierung aber von einer Kennzeichnung bei Transport und Schlachtung abgerückt, heißt es in der Untersuchung.
„Angegangen“ oder „im Prozess“ sind
- eine Ernährungsstrategie,
- der Ausstieg aus der Anbindehaltung und ein
- Werbeverbot für bestimmte Lebensmittel in Kindersendungen.
Özdemirs Taten bleiben hinter seinen Worten zurück
Die Hälfte aller Versprechen, für deren Umsetzung Minister Özdemir zuständig ist, wurde nach zwei Jahren Regierungszeit aber noch nicht einmal angegangen. Das sind unter anderem
- Glyphosat bis Ende 2023 vom Markt zu nehmen,
- ein Bundesprogramm „Zukunftsfähiger Ackerbau“ und
- eine Beschränkung von Lebendtiertransporten in Drittstaaten auf Routen mit nachgewiesenen tierschutzgerechten Versorgungseinrichtungen.
Dabei hatte Özdemir kurz nach seinem Amtsantritt gegenüber der BILD-Zeitung noch gesagt: „Ab jetzt wird geliefert. Ab jetzt ist das Wort des Bundeslandwirtschaftsministers eines, das ernst gemeint ist“.
Im Gespräch mit der Zeitung hatte er außerdem angekündigt, dafür zu sorgen, dass sich die Zahl der Nutztiere an der verfügbaren Fläche orientiere, dass die Rechtsgrundlage für eine Kameraüberwachung in Schlachthöfen geschaffen werde und Teile des Tierschutzrechts in das Strafgesetzbuch überführt würden. Ankündigungen in Interviews waren allerdings nicht Gegenstand der Studie durch die Bertelsmann-Stiftung.
Auch die Umweltpolitik bleibt hinter den Zielen zurück
Ebenfalls ein schlechtes Zeugnis stellt die Untersuchung Bundesumweltministerin Steffi Lemke aus. Das Umweltressort hat von 21 Versprechen im Koalitionsvertrag zur Hälfte der Regierungszeit erst fünf voll erfüllt, weitere drei wurden teilweise erfüllt. Zwei Drittel sind aber entweder noch in Arbeit oder nicht erfüllt.
Damit schneiden das Agrar- und das Umweltressort im Verhältnis zur Gesamtleistung der Regierung sehr schlecht ab. Denn die Bertelsmann-Studie bescheinigt der Ampel-Koalition insgesamt eine „sehr positive und vielversprechende Halbzeitbilanz“, die allerdings durch ihr öffentliches Erscheinungsbild überschattet und beschädigt werde.
Ampel arbeitet schneller als die Vorgängerregierung

Tatsächlich hat die Koalition der Studie zufolge nämlich bereits 64 Prozent ihres „ambitionierten Koalitionsvertrages“ entweder umgesetzt oder damit begonnen.
„Im Vergleich zur Halbzeitbilanz ihrer Vorgängerregierung hat die Ampel mit 38 statt 53 Prozent bereits erfüllter Versprechen damit anteilig zwar weniger, aber mit 174 statt 154 erfüllten Versprechen in absoluten Zahlen gerechnet, sogar etwas mehr geschafft. Das gilt für die großen Reformprojekte der Regierung ebenso wie für die eher kleineren Regierungsvorhaben“, sagt Robert Vehrkamp, Demokratie-Experte der Bertelsmann-Stiftung.
Die öffentliche Meinung über die Ampel-Koalition ist deutlich schlechter
In der öffentlichen Wahrnehmung schneidet die Koalition aus SPD, Grünen und FDP allerdings deutlich schlechter ab. Wie das Institut für Demoskopie Allensbach ermittelte, denken nur noch 12 Prozent aller Menschen in Deutschland, dass von den vereinbarten Koalitionsversprechen „alle, fast alle oder ein großer Teil“ umgesetzt werden. 43 Prozent aller Befragten gehen sogar davon aus, es werde nur „ein kleiner Teil oder kaum welche“ umgesetzt.
„Der öffentlich inszenierte Koalitionsstreit führt dazu, dass die tatsächliche Regierungsleistung und Umsetzungstreue unterschätzt wird. Deshalb braucht die Ampel einen Neustart in ihrer koalitionsinternen Zusammenarbeit und Selbstdarstellung“, sagt Wolfgang Schroeder vom Progressiven Zentrum.
Stegemann: Özdemir bleibt ein Ankündigungsminister
Der agrarpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Stegemann, kommentierte die Studienergebnisse mit den Worten: „Cem Özdemir ist und bleibt der Ankündigungsminister in der Bundesregierung.“
Die Empfehlungen der Borchert-Kommission und der Zukunftskommission Landwirtschaft lege der Minister in die Schublade, kritisierte Stegemann. Perspektiven für landwirtschaftliche Tierhalter fehlten.
Dafür würden grüne Herzensprojekte, wie die marktferne Förderung des Ökolandbaus oder die Berufung einer Bundestierschutzbeauftragten, durchgedrückt. Der CDU-Politiker forderte: „Wir brauchen jetzt ein Entfesselungspaket für die Land- und Ernährungswirtschaft, das wieder Lust auf Unternehmertum und Innovationen macht.“
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