Kurzfristig gestoppte Bestellungen von Paletten mit Salat, Bezahlung erst nach Wochen: Auf dem Lebensmittelmarkt wird mit harten Bandagen gekämpft - auch um niedrige Preise. Landwirte und andere Lieferanten sollen künftig besser davor geschützt sein, dass Handelsriesen sie unter Druck setzen und Bedingungen diktieren. Das sieht ein Gesetz von Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) vor, das der Bundestag am Donnerstagabend beschlossen hat.
Für das Gesetz stimmten neben der Koalition auch die Grünen. Linke und AfD enthielten sich, die FDP votierte dagegen. Die Pläne muss auch der Bundesrat billigen.
Neues Gesetz: Das wird verboten
Mit diesem Gesetz wird die EU-Richtlinie gegen unfaire Praktiken des Lebensmitteleinzelhandels (UTP-Richtlinie) in Deutschland umgesetzt. Untersagt werden soll zum Beispiel,
- verderbliche Produkte später als 30 Tage nach der Lieferung zu bezahlen
- dass Händler von Lieferanten Geld fürs Lagern fordern
- Vereinbarungen nicht schriftlich zu bestätigen, obwohl Lieferanten das wünschen
- einseitige Änderungen von Liefer- und Zahlungsbedingungen - oder dass Händler mit "Vergeltungsmaßnahmen kommerzieller Art" drohen, wenn Lieferanten vertragliche oder gesetzliche Rechte tatsächlich nutzen wollen
- Supermärkte sollen nicht verkaufte Waren künftig nicht mehr unbezahlt zurückschicken dürfen
- Lieferanten dürfen nicht fürs Aufnehmen ihrer Produkte ins Ladensortiment zur Kasse gebeten werden, außer es geht um Kosten überhaupt erst zur Markteinführung eines Produkts.
Bei Verstößen gegen die Regeln sollen Geldbußen bis 750.000 Euro drohen.
Hintergrund ist die generelle Lage auf dem Lebensmittelmarkt. Den vielen, teils kleineren Lieferanten steht ein stark konzentrierter Handel gegenüber. "Es besteht ein eklatantes Marktungleichgewicht", analysierte Klöckner. Zusammen kommen die vier großen Supermarktketten auf mehr als 85 Prozent Marktanteil. Die SPD-Ernährungsexpertin Ursula Schulte hob hervor, dass auch eine neue Ombudsstelle kommen soll, bei der Bauern und Lieferanten unlautere Praktiken und unfaire Preise melden können.
Klöckner: "Unfaire Bedingungen haben mit dem Gesetz ein Ende"
Klöckner sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Wir stärken die Verhandlungsposition kleiner Erzeuger und Lieferanten gegenüber dem Handel." Dabei gehe es um bessere Erlöse und mehr Augenhöhe. Denn gerade Landwirte kämpften einen ungleichen Kampf "David gegen Goliath". Lieferanten sei häufig nichts anderes übrig geblieben, als unfaire Bedingungen zu akzeptieren, wollten sie nicht ausgelistet werden. Das werde mit dem Gesetz ein Ende haben. "Es muss gelten, was eigentlich die selbstverständlichen Leitlinien des ehrbaren Kaufmanns sind", sagte Klöckner.
Reaktionen zum Gesetz gegen unfaire Handelspraktiken
Die FDP kritisierte es als "Augenwischerei", dass Bauern durch die Pläne mehr Einkommen erzielen könnten. "Statt durch diese nationalen Alleingänge den Wettbewerb im EU-Binnenmarkt weiter zu verzerren, kann die Situation der Landwirte nur durch eine Stärkung des Bundeskartellamts verbessert werden", sagte Gero Hocker.
Linke und Grüne kritisierten, dass nicht alle zweifelhaften Praktiken verboten werden.
Der Bauernverband begrüßte die Pläne, die die Position der Landwirte in der Lieferkette stärkten.
Die Verbraucherzentralen begrüßten die Pläne, auch wenn ein nötiges pauschales Verbot aller unlauteren Praktiken leider nicht komme. "Faire Vertragsbedingungen und faire Preise für Erzeuger sind auch für Verbraucherinnen und Verbraucher wichtig", sagte der Chef des Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller. Viele wollten sich nachhaltig ernähren. Preisdruck zulasten von Tierschutz, Arbeits- und Umweltstandards sei nicht in ihrem Interesse.
Der Handel protestierte besonders dagegen, dass mit dem Gesetz nicht nur eine EU-Richtlinie umgesetzt wird, sondern mehrere Punkte darüber hinausgehen. Der Handelsverband Deutschland (HDE) kritisierte, das schränke Gestaltungsmöglichkeiten der Vertragspartner erheblich ein - und warnte noch, nun auch große Lebensmittelkonzerne in Verhandlungen mit den Supermärkten zu beschützen. Das verhindere den Wettbewerb um günstige Preise, was auch bei den Kunden ankommen würde. Denn Händler müssten dann häufig zu höheren Preisen einkaufen. Und das habe tendenziell preiserhöhende Wirkung für die Produkte in den Regalen.
Auch Vermarktungs- und Verarbeitungsbetriebe sollen geschützt werden
Der Agrarausschuss des Bundestags weitete den Radius der Neuregelungen noch aus. Geschützt werden sollen damit nun auch größere Lieferanten mit einem Jahresumsatz über der generellen Marke von 350 Millionen Euro. Bei Milch- und Fleischprodukten, Obst und Gemüse sollen vorerst bis 2025 auch Lieferanten mit bis zu vier Milliarden Euro Jahresumsatz in diesem Verkaufssegment einbezogen werden - wenn dieser Umsatz maximal 20 Prozent des gesamten Jahresumsatzes des Händlers ausmacht. Das sei "ein positives Signal", erklärte der Bauernverband. Geschützt würden so auch viele von Landwirten getragene Vermarktungs- und Verarbeitungsbetriebe. Das können etwa größere Molkereien sein.
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