Die niedersächsische Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast hat für heute Nachmittag (29.10.) ein Krisengespräch zum Schlachtstau angesetzt. Daran teilnehmen werden die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN), der Landvolkverband und Vertreter der Fleischwirtschaft. ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack forderte im Vorfeld des Treffens eine Notstandsregelung. Nur so könnten die Schlachtungen kurzfristig schnell hochgefahren werden.
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner wandte sich in einem Schreiben an die niedersächsische Gesundheitsministerin Dr. Carola Reimann. Darin bittet Klöckner die SPD-Politikerin, sich für flexible Lösungen zur Öffnung der Schlachtbetriebe an Sonn- und Feiertagen einzusetzen. Diese gelte besonders für den Reformationstag am kommenden Samstag, der in Niedersachsen ein Feiertag ist.
Arbeitsminister Heil will sich heraushalten
Zuvor hatte Klöckner bereits Bundesarbeitsminister Hubertus Heil schriftlich um Hilfe gebeten. Heil soll auf seine Kollegen in den Ländern zuzugehen, damit diese die Arbeitsbestimmungen vorübergehend lockern.
Gegenüber agrarheute teilte eine Sprecherin Heils heute auf Anfrage jedoch mit, die Genehmigung von Ausnahmen von den Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes sei Sache der Länder. Die Arbeitsschutzbehörden der Länder könnten nach § 15 Absatz 2 ArbZG im öffentlichen Interesse Ausnahmen im Einzelfall bewilligen. Rein wirtschaftliche Überlegungen dürften dabei keine Rolle spielen, so die Sprecherin. Die Arbeitsschutzbehörden könnten auf Antrag kurzfristig prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Genehmigung gegeben sind. Der Bund könne hierzu keine Weisungen erteilen.
Otte-Kinast sieht die Branche in der Verantwortung
Otte-Kinast versicherte gegenüber agrarheute, sie wolle gemeinsam mit der Branche nach Lösungen suchen. Die Hauptverantwortung sehe sie aber bei der Branche selbst.
Diese müsse alles tun, um durch vorbildliche Hygienekonzepte die Schlachtkapazitäten zu sichern und möglichst wieder zu erhöhen. Und die Landwirte müssten dafür Sorge tragen, dass die Schweineerzeugung so schnell wie möglich an die voraussichtlich längerfristig reduzierten Schlachtkapazitäten angepasst werde.
Otte-Kinast zufolge wurden allein im September 400.000 Ferkel aus Dänemark und den Niederlanden nach Niedersachsen eingeführt und aufgestallt.
Der Schweinestau wächst jede Woche um bis zu 80.000 Tiere
Nach Angaben des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums wurden in dem Bundesland der vorigen Woche 268.000 Schweine geschlachtet statt der üblichen 320.000. Weidemark in Sögel schlachtet demnach zurzeit 42.500 Schweine wöchentlich, Vion in Emstek etwa 33.000; das entspricht 63 Prozent beziehungsweise 60 Prozent des regulären Volumens. Den Überhang schätzt das Ressort allein im Land auf über 180.000 Tiere.
Nach ISN-Kalkulationen besteht bundesweit ein Überhang von 540.000 schlachtreifen Tieren. Das entspricht in etwa der Produktion von zwei Dritteln einer normalen Schlachtwoche. Pro Woche wächst der Rückstau um weitere 50.000 bis 80.000 Schweine.
In Niedersachsen und NRW wurden längere Arbeitszeiten bewilligt
In Niedersachsen können die Schlachtunternehmen beim Gesundheitsministerium Anträge auf Ausnahmen vom Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit stellen. Nach Einschätzung des Landwirtschaftsministeriums ist die nötige Grundvoraussetzung gegeben, nämlich dass ein öffentliches Interesse an einer Ausnahme besteht. Das zuständige niedersächsische Gesundheitsministerium teilte mit, zwei Anträge zur Sonntagsarbeit bis 30. November bewilligt zu haben. Eine Verlängerung dieser Ausnahmegenehmigung aufgrund des öffentlichen Interesses sei möglich. Darüber hinaus seien bisher keine Anträge eingegangen.
In Nordrhein-Westfalen teilte das Arbeitsministerium mit, durch einen Erlass die Möglichkeit geschaffen zu haben, dass Ausnahmegenehmigungen für Sonn- und Feiertagsarbeit beziehungsweise zur flexibleren Nutzung von Nachtschichtzeiten gestellt werden könnten. Entsprechende Ausnahmebewilligungen nach dem Arbeitszeitgesetz seien erteilt worden. Dort sind die Schweineschlachtbetriebe nach Erkenntnissen des Arbeitsministeriums zu 90 Prozent der nach Hygienerecht zulässigen Kapazität ausgelastet.
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