Deutschland ist zahlreichen Bedrohungen von potenziell katastrophalem Ausmaß ausgesetzt. Wie die Widerstandskraft dagegen gestärkt wird, soll im Jahr 2022 erstmals in einer Strategie zur Stärkung der Resilienz gegenüber Katastrophen zusammengefasst werden. Ein Entwurf dieser Strategie befindet sich derzeit in Abstimmung zwischen den Bundesministerien. Agrarheute liegt der Text, der noch vor der Sommerpause vom Bundeskabinett verabschiedet werden soll, vor. Wir schildern im Folgenden die wichtigsten Aspekte zum Thema Landwirtschaft
Was will die Resilienzstrategie erreichen?
Die Resilienzstrategie der Bundesregierung zeigt, was in Deutschland unternommen wird, um die Lebensgrundlage der Menschen zu schützen. In ihr steht auch, wo der Bund noch Handlungsbedarf sieht, und an welchen Stellschrauben gehandelt werden kann. Sie ist kein konkretes Gesetzespaket, wie beispielsweise das sogenannte Osterpaket von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Die Resilienzstrategie setzt das Sendai-Rahmenwerk der Vereinten Nationen für Katastrophenvorsorge für die Jahre bis 2030 um.
Mit welchen Katastrophen beschäftigt sich die Resilienzstrategie?
Der Entwurf der Resilienzstrategie nennt als Beispiele für mögliche Naturkatastrophen Hochwasser, schwere Unwetter, Hitzewellen und Dürren sowie Waldbrände, nicht nur aber auch im Zusammenhang mit dem Klimawandel. Hinzu kommen Erdbeben, Vulkanausbrüche, Meteoriteneinschläge, chemische, biologische oder nukleare Gefahren und kriminelle, terroristische oder militärische Bedrohungen, auch im Bereich der Cybersicherheit. Aussagen, wie wahrscheinlich eine bestimmte Katastrophe ist, macht die Resilienzstrategie nicht.
Was bedeutet Resilienz?
Der Entwurf der Resilienzstrategie der Bundesregierung definiert Resilienz so: „[Sie] beschreibt die Fähigkeit eines Systems, einer Gemeinschaft oder einer Gesellschaft, sich rechtzeitig und effizient den Auswirkungen einer Gefährdung widersetzen, diese absorbieren, sich an sie anpassen, sie umwandeln und sich von ihnen erholen zu können. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist die Erhaltung und Wiederherstellung ihrer wesentlichen Grundstrukturen und Funktionen durch Risikomanagement.“ Der Entwurf der Strategie bezieht sich dabei auf einen Text der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2016.
Was empfiehlt die Bundesregierung zur Steigerung der Resilienz der Landwirtschaft?
- „Naturbasierten“ Bewirtschaftungsweisen entwickeln und umsetzen, die dem Klima und der Biodiversität zugute kommen;
- die Kulturartenvielfalt, Betriebszweigen und die Nutzung landwirtschaftsnaher sowie außerlandwirtschaftlicher Einkommen diversifizieren;
- Risiken bei der Beschaffung von Futter- und Düngemitteln bewerten und diversifizieren;
- die Vorsorge für die Gesundheit von Tieren durch Tierarzneien und von Pflanzen durch Pflanzenschutzmittel sichern;
- Abhängigkeiten bei der Energieversorgung bewerten und Versorgung absichern;
- Konzepte entwickeln, falls es zu Einschränkungen des freien Personenverkehrs in der EU und zu einem Mangel an Arbeitskräften kommt;
- Vielfältige Absatzmärkte nutzen, um Abhängigkeiten von einzelnen Märkten zu vermeiden;
- Bewusstsein beim Handel schaffen, welche Folgen durch übermäßig hohen Preisdruck auf Landwirte entstehen können;
- resiliente Wertschöpfungsketten aufbauen, die auch dann funktionieren, falls Logistik auf digitalem oder analogem Wege gestört wird;
- Konzepte für die Versorgung des Einzelhandels im Falle von Lieferschwierigkeiten entwickeln, die auch den schnellen Wiederaufbau von Geschäften ermöglicht;
- hohe Standards der Trinkwasser-, Lebens- und Futtermittelsicherheit durch regelmäßige Prüfungen und erhalten und weiter verbessern;
- die zivile Notfallreserve und die Bundesreserve Getreide fortführen und falls notwendig anpassen;
- mögliche Risiken bei der Versorgung oder Kontamination von Lebensmitteln mit den Akteuren in der Lebensmittelkette erörtern;
- einen Katalog denkbarer pflanzenbaulicher Maßnahmen erstellen, der u.a. Fruchtfolgen, Bodenbedeckung, Kultur- und Sortenwahl sowie Pflanzenzüchtung berücksichtigt, die besser an den Klimawandel angepasst sind;
- in der tierischen Züchtung Verbesserung durch die Selektion robuster Tiere nutzen, und Risiken bei Planung und Bau von Ställen berücksichtigen;
- innovative Methoden für neue Biosicherheits-, Management- und Hygienemaßnahmen prüfen - beispielweise Impfprogramme, Aufklärungskampagnen oder Präventionsstrategien gegen spezifische Erreger von Tierseuchen;
- mögliche Gefahren durch neue Schadorganismen effektiv abwehren oder ihnen vorbeugen;
- die eingeschränkte Verfügbarkeit von Wirkstoffen gegen Schadorganismen in den Blick nehmen, insbesondere dort, wo sie durch den Klimawandel verstärkt wird;
- innovative Maßnahmen zur Vermeidung von katastrophalen Schäden, beispielsweise durch satellitengestützte Fernerkundung, testen;
- Empfehlungen erarbeiten, wie gesunde Mahlzeiten auch dann noch zubereitet werden können, wenn gewohnte Zutaten fehlen.
Was empfiehlt die Bundesregierung zur Steigerung der Resilienz der Forstwirtschaft?
- Das forstliche Wegenetz ausbauen, Löschwasserstellen warten und den forstlichen Brandschutz sowie waldbauliche Maßnahmen zu diesem Zweck weiter ausbauen;
- die Widerstandsfähigkeit des Waldes gegen Extremwetter und dessen Folgen stärken;
- die Bodenverdichtung begrenzen, die Wasserversickerungs- und -rückhaltefähigkeit erhöhen und den Erosionsschutz durch nachhaltigen Waldumbau und nachhaltige Waldbewirtschaftung stärken;
- bei der Waldbewirtschaftung unter Berücksichtigung aktueller Forstschäden auf Biodiversität und Artenwahl großen Wert legen;
- die Schutzfunktion des Waldes etwa gegen Hochwasser durch die Artenwahl stärken.
Wie können Landwirtschaft und Forstwirtschaft gemeinsam Katastrophen vorbeugen?
- Alle Vorhaben auf ihre langfristigen Wirkungen in Bezug auf nachhaltig und wettbewerbsfähig wirtschaftende land- und forstwirtschaftliche Betriebe, auf gesundheitlichen Verbraucherschutz sowie auf Umwelt und Klima prüfen;
- Schadensdaten von Bund, Ländern und Wissenschaft einheitlich aufbereiten und untereinander austauschen;
- Erfahrungen aus der Bewältigung von Schadensereignissen wie den Dürrehilfen im Jahr 2018 untersuchen, um die nationale Rahmenrichtlinie zur Gewährung staatlicher Zuwendungen zur Bewältigung von Schäden in der Land- und Forstwirtschaft weiterzuentwickeln.
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