
Noichl sprach von einem „offensichtlichen Interessenkonflikt“, wenn Landwirte als Begünstigte der aktuellen Förderpolitik im Agrarausschuss des EU-Parlaments zum Beispiel über die GAP-Reform abstimmen würden.
Die bayerische Sozialdemokratin, die selbst dem Agrarausschuss angehört, erklärte, die „Mitarbeit“ von Landwirten im Ausschuss sei „absolut wichtig und unproblematisch“. Einige Abstimmungen, wie etwa über den Budgetanteil von Flächenzahlungen, müssten im Sinne der Transparenz und der absoluten Freiheit von Interessenkonflikten jedoch ohne aktive Landwirte durchgeführt werden.
So viel Direktzahlungen haben EU-Agrarpolitiker erhalten
Noichl zitierte einen Zeitungsbericht, wonach beispielsweise die grüne EU-Abgeordnete Sarah Wiener aus Österreich über 350.000 Euro an Direktzahlungen aus der GAP erhalte. Bei Peter Jahr (CDU), einem der Berichterstatter des Parlaments zur GAP-Reform, seien es über 110.000 Euro. Die Familie der CSU-Abgeordneten Marlene Mortler habe über 75.000 Euro erhalten und Ulrike Müller von den Freien Wählern komme auf einen mittleren fünfstelligen Betrag. Angesichts dieser Zahlen hält Noichl die Agrarpolitiker für befangen, wenn es um Abstimmungen über die GAP geht.
Sarah Wiener weist "Schmutzkampagne" zurück
Die Forderung Noichls stieß bei vielen ihrer Ausschusskollegen auf scharfe Kritik. Die österreichische Grünen-Politikerin Sarah Wiener sprach von einer „Schmutzkampagne“ der SPD-Frau gegen sie und andere Bäuerinnen und Bauern, die ihre Erfahrungen und ihre Kompetenz im Ausschuss einbrächten.
Auch der Vorsitzende des Agrarausschusses, Norbert Lins von der CDU, verteidigte die aktiven Landwirte gegen die Kritik Noichls. Er sei dankbar für jeden Landwirt im in dem Fachausschuss, betonte Lins.
Noichl selbst erklärte indes gegenüber den Abgeordneten, dass es beispielsweise in Deutschland in vielen Kommunalparlamenten üblich sei, sich zu enthalten, sobald eigene oder Interessen naher Verwandter berührt seien.
Kurzkommentar
agrarheute meint: Die Sozialdemokratin aus Rosenheim legt mit ihrer Forderung, dass aktive Landwirte nicht über die Agrarpolitik abstimmen dürfen, einen moralischen Maßstab an, der bei konsequenter Anwendung interessante Folgen hätte.
Nach dieser Denkweise dürften Abgeordnete, die einer Gewerkschaft angehören, wohl kaum mehr an Voten über das Arbeitsrecht oder die betriebliche Mitbestimmung teilnehmen. Und Mitglieder einer Umweltorganisation sollten dann im Parlament auch nicht mehr mit abstimmen dürfen, wenn es um das Umwelt- oder Spendenrecht geht. Ob die SPD-Politikerin das bedacht hat? Oder gelten in diesen Fällen andere Maßstäbe für das Vorliegen von Befangenheit?
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