Bis zum Januar 2022 muss ein Bericht zur Bewertung der Stoffstrombilanzverordnung kommen. Sie ist bekanntlich ein wesentlicher Teil der verschärften Düngeverordnung. Bund, Länder und diverse Forschungseinrichtungen haben dazu mehrere Gespräche geführt. Zwar liegt der Bericht noch nicht offiziell vor, hinter den Kulissen hört man aber, dass es wieder einmal zu kräftigen Meinungsverschiedenheiten kam. Kein Wunder: Schon 2018 hat die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Betriebliche Stoffstrombilanzen“ keinen Konsens zur Bewertung der Stickstoff-Salden der Stoffstrombilanz gefunden. Das Thema hat deswegen hohe Bedeutung, weil ab 2023 alle Betriebe ab 20 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche oder mehr als 50 Großvieheinheiten verbindlich eine Stoffstrombilanz erstellen müssen. Für Cem Özdemir wird der Umgang mit dem Thema die erste große Herausforderung als Bundeslandwirtschaftsminister.
Warum ist der Bericht über die Stoffstrombilanz wichtig?
Spannend wird der Bericht zur Stoffstrombilanz, weil mehrere Seiten hier starke Interessen haben. Die Länder beklagen schon geraume Zeit den hohen Kontrollaufwand und sehen Schwierigkeiten beim Vollzug - unter anderem die Pflicht zu prüfen, wie plausibel die Aufzeichnungen sind. Die betroffenen Landwirte beklagen den hohen Dokumentationsaufwand mit engen Fristen. Außerdem müssen sie Dinge erfassen, die nur minimale Auswirkungen auf die betriebliche Stoffstrombilanz haben, etwa beim Saatgutzukauf. Auf der Umweltseite gibt es Stimmen die sagen, dass die Regeln zur Stoffstrombilanz nicht ausreichten, um eine positive Umweltwirkung zu erzielen. Schuld sei der zu hohe zulässige Bilanzwert von 175 kg N/ha, hier brauche es betriebsindividuelle Regeln. Wenn man schon dabei sei, könne man noch die zulässigen Maximalwerte für Nitrat und Phosphat deutlich absenken und die Schrauben so anziehen, dass über die Stoffstrombilanz nicht nur die Düngeverordnung sondern gleich noch die Vorgaben der EU-Richtlinie zur Luftreinhaltung (die sogenannte NEC-Richtlinie) für die Landwirtschaft eingehalten werden.
Verschärft Özdemir die Stoffstrombilanz?
Sobald der Bericht über die Auswirkungen der Stoffstrombilanz vorliegt, hat Özdemir mehrere Möglichkeiten: Er kann sich dafür einsetzen, den derzeitigen pauschalen Bilanzwert abzuschaffen und strengere Regeln einzuführen. Einzelne Stimmen fordern einen Saldo, der um hundert Kilogramm niedriger lieget als die jetzigen 175 kg N/ha. Özdemir könnte auch gleich eine Meldeverordnung anstoßen, die bundesweit für Futtermittel, Dünger und Biogassubstrate gilt und auch die Unternehmen im vor- und nachgelagerten Bereich der Landwirtschaft erfasst. Doch wäre das noch verhältnismäßig und nicht eher schon regulativer Overkill?
Vereinfacht Özdemir die Stoffstrombilanz?
Setzt Özdemir bei der Stoffstrombilanz auf Digitalisierung?
Ich bin sicher, dass im Bericht der Expertengruppe zur Stoffstrombilanz auch etwas zu den Chancen der Digitalisierung stehen wird. Auf dem Papier klingt so etwas immer gut: Einfache Datenerfassung und Vergleichsmöglichkeiten, betriebsindividuelle Tipps und so weiter. Diese Dienste erfüllen momentan aber private Anbieter wesentlich eher als der Staat. Auch auf Länderebene zieht sich die Verwaltung schließlich seit Jahren immer stärker aus der Beratung zurück. Doch wenn der Bund jetzt anfangen sollte, die Entwicklung eines einheitlichen EDV-Werkzeugs zur Umsetzung der Stoffstrombilanz zu unterstützen, dann dauert es Jahre, bis so etwas richtig funktioniert. Jahre hat Özdemir aber nicht. Die Entscheidung über die Zukunft der Stoffstrombilanz muss bald fallen. Je nachdem wie sie ausfällt, wird der neue Bundeslandwirtschaftsminister einen ersten wichtigen Wegweiser eingehauen haben.
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