In der Machbarkeitsstudie bewerteten Experten die möglichen Varianten, um den Umbau der Nutztierhaltung zu finanzieren. Infrage kommen eine Verbrauchssteuer auf tierische Produkte, die Anhebung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes und eine Ergänzungsabgabe auf die Einkommensteuer. Klöckner betonte, dass es jetzt darum ginge, nicht mehr über das „Ob“, sondern über das „Wie“ der Transformation zu diskutieren.
Für den tierwohlgerechteren Umbau der Ställe und die höheren laufenden Kosten wird in der Studie von 2,9 Milliarden Euro im Jahr 2025, 4,3 Milliarden Euro im Jahr 2030 und 4,0 Milliarden Euro im Jahr 2040 ausgegangen.
Schwerpunkt der Studie war die Vereinbarkeit der Maßnahmen mit nationalen und europäischen Vorgaben. Dabei seien die Langfristigkeit und die Planungssicherheit der Landwirte besonders berücksichtigt worden. Die Beteiligten würden in den nächsten Schritten kraftvoll und erfolgsorientiert an den Plänen zum Umbau der Nutztierhaltung arbeiten, sagte Klöckner.
Nur gemeinsam mit den Landwirten könne das milliardenschwere Projekt gestemmt werden. Staatliche Vorgaben und eine staatliche Förderung, aber auch der Wille der Verbraucher seien für Umsetzung der Maßnahmen notwendig.
Kernvorschläge können umgesetzt werden
Der Rechtsanwalt Dr. Ulrich Karpenstein, der an der Erstellung der Studie mitwirkte, erklärte, dass in der Machbarkeitsstudie die Vorschläge sehr genau angeschaut wurden. Im Ergebnis der Untersuchung sei festgestellt worden, dass die wesentlichen Kernvorschläge der Bochert-Kommission umsetzbar seien.
Eine Verbrauchssteuer auf tierische Produkte sei mengenbezogen und an den Endverbraucher gerichtet, erläuterte Karpenstein. Der Verwaltungs- und Bürokratieaufwand seien bei der Verbrauchssteuer erheblich. Außerdem müsse das EU-rechtliche Diskriminierungsverbot beachtet werden; eine strikte Zweckbindung können nicht durchgesetzt werden.
Karpenstein führte weiter aus, dass eine Anhebung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes – die zweite diskutierte Möglichkeit – am Preis des Produkts ansetzte. Theoretisch sei eine Erhöhung des Steuersatzes bei tierischen Produkten auf den Normalsteuersatz denkbar. Darüber hinaus könne die Mehrwertsteuer bei allen Lebensmitteln leicht angehoben werden, allerdings müsse in diesem Fall wieder das Diskriminierungsverbot beachtet werden.
Die dritte Variante, eine Ergänzungsabgabe auf die Einkommensteuer, sei laut Karpenstein rechtlich und verwaltungsmäßig die einfachste Lösung und mit dem Unions- und Verfassungsrecht vereinbar. Da die Abgabe nicht am Produkt ansetze, könne durch ein entsprechendes Gesetz eine Ergänzungsabgabe eingeführt werden.
Jochen Borchert fasste zusammen, dass es keine unüberwindlichen Hindernisse bei der Umsetzung der Maßnahmen gebe. Der Vorsitzende des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung betonte die Notwendigkeit einer langfristigen Förderung durch den Staat, damit die Planungssicherheit für die Landwirte garantiert ist. Ein wesentlicher Bestandteil der Planungssicherheit seien Verträge zwischen den Landwirten und dem Staat. Inhaltlich gehe es in diesen Verträgen um Investitionsförderung, die Tierwohlprämie und die laufenden Kosten.
Erst EU-Recht, dann nationales Recht ändern
Bochert machte weiterhin darauf aufmerksam, dass nationale Regelungen erst nach Änderungen im europäischen Recht umgesetzt werden könnten. Daher müssten jetzt die europarechtlichen Fragen geklärt werden. Noch bestehe die Chance, die Tierhaltung selbst umzugestalten, so Borchert. Ansonsten würden Gerichtsurteile die Situation verändern.
Auch nach der Einschätzung von Prof. Rudolf Mögele, der an der Erstellung der Studie beteiligt war, müssten auf EU-Ebene noch bestimmte Regelungen angepasst werden. So plane die EU beispielsweise eine Revision der Tierschutzstandards. Nachdem im EU-Recht bestimmte Änderungen erfolgt seien, ließen sich die Pläne der Borchert-Kommission umsetzen, sagte Mögele.
Klöckner gegen Überrumpelungsmethoden
Im Hinblick auf den Zeitraum der Umsetzung der Pläne unterstrich Klöckner einerseits, dass es unter den Parteien eine große Bereitschaft gebe, an einer Lösung zu arbeiten. So solle die Diskussion über die drei möglichen Wege jetzt ernsthaft und auf allen Ebenen geführt werden.
Dabei müsse aber jeder die Chance haben, sich mit der umfangreichen Studie zu beschäftigen und sich auf dieser Grundlage eine eigene Meinung zu bilden. Deshalb sprach sich die Bundesministerin gegen „Überrumpelungsmethoden“ aus. Es sei kein Wahltermin entscheidend, sondern das Ziel.
Bauernverband für schnelle Umsetzung
Der Deutsche Bauernverband (DBV) sieht in der Machbarkeitsstudie eine klare Bestätigung der Vorschläge des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung. Der Umbau der Nutztierhaltung könne gelingen, „wenn die Handlungsempfehlungen der Studie nun rasch und vor allem in Gänze umgesetzt werden“, erklärte DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken.
Vorrang hat aus Sicht Krüskens jedoch, einen Umbau überhaupt baurechtlich möglich zu machen sowie ein tragfähiges langfristiges Finanzierungskonzept. Viele Landwirte würden in den Startlöchern stehen, brauchten aber dringend Planungssicherheit. Entscheidend sei eine langfristige Verlässlichkeit der vorgeschlagenen Tierwohlprämien. Fünf oder sieben Jahre seien keine verlässliche Grundlage, sagte Krüsken. Zum anderen sei für die vereinnahmten Mittel eine langfristige Zweckbindung erforderlich, damit das Geld dauerhaft beim Landwirt ankommt.
Nach Einschätzung des DBV muss der im Gutachten erwähnte Verlust von Fördermöglichkeiten bei Anhebung nationaler gesetzlicher Standards vermieden werden. In jedem Fall müsse die Differenz zwischen niedrigeren EU-Vorgaben und den zukünftig sehr hohen heimischen Standards durch Förderprogramme ausgeglichen werden können. Ansonsten drohe eine Verlagerung der Tierhaltung ins Ausland.
Positiv bewertet der DBV die Forderungen der Studie zum Baurecht für Tierwohlställe. Damit werde die langjährige Forderung des Bauernverbandes bestätigt, wonach das Bau- und Umweltrecht Hand in Hand mit den fachrechtlichen Vorgaben zur landwirtschaftlichen Tierhaltung gehen müsse und dem darüber hinausgehenden Umbau der Tierhaltung nicht im Wege stehen dürfe.
DRV fordert Anpassungen im Bau- und Immissionsschutzrecht
Dass die Diskussion über die Empfehlungen der Borchert-Kommission weitergeführt wird, begrüßt der Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes, Franz-Josef Holzenkamp. Noch in dieser Legislaturperiode sollte der rechtliche Weg für die Umsetzung der Maßnahmen geebnet werden, so Holzenkamp. Die Empfehlungen böten "die Chance, die Tierhaltung in Deutschland zukunftsfähig zu machen und gesellschaftlich auf eine breite tragbare Basis zu stellen", heißt es in einer Pressemitteilung des DRV.
Nach Ansicht von Holzenkamp ist eine Erhöhung der Umsatzsteuer für tierische Produkte von 7 auf 19 Prozent, die in der Machbarkeitsstudie favorisiert werde, aber nicht ausreichend. "Ich begrüße es ausdrücklich, dass die Gutachter eine zeitnahe politische Entscheidung über die Finanzierungsoption fordern. Mir erscheint eine alleinige Erhöhung der Umsatzsteuer beim aktuellen Preisniveau für tierische Produkte allerdings nicht ausreichend", sagt der DRV-Präsident.
Zudem befürwortet Holzenkamp die in der Studie empfohlenen Anpassungen im Bau- und Immissionsschutzrecht sowie die Reprivilegierung gewerblicher Tierhaltungsbetriebe. Ansonsten könnten Stallumbauten nicht durchgeführt werden.
CDU will zügig Finanzierungsstrategie aufstellen
Albert Stegemann, agrarpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, will noch in dieser Wahlperiode eine erste Grundsatzentscheidung über die Finanzierung der Maßnahmen treffen. Dazu brauche es in der Koalition einen gemeinsamen Willen. Außerdem müssten die Mittel unmittelbar den Betrieben zur Verfügung stehen, die in mehr Tierwohl investieren wollen. Daneben begrüßte Stegemann den in der Studie empfohlenen Abbau bürokratischer Hürden durch die Änderung des Baugesetzbuchs. An den Koalitionspartner appelliert Stegemann: "Hier muss sich unser Koalitionspartner aber nun endlich bewegen und Farbe bekennen. Wer bei mehr Tierwohl in den Medien A sagt, muss bei den dazu notwendigen baurechtlichen Anpassungen im Parlament auch B sagen. [...] Der entsprechende Gesetzentwurf zur Verbesserung des Tierwohls in Tierhaltungsanlagen liegt auf dem Tisch; jetzt ist Zeit zu entscheiden."
Für eine schnelle Finanzierungsstrategie sprach sich auch Niedersachsens Landwirtschaftsministerin, Babara Otte-Kinast, aus. Es sei nun Aufgabe des Bundes, zeitnah ein Konzept vorzulegen. Berücksichtigt werden müsse außerdem die Einführung eines Tierwohl-Labels und das Bau- und Umweltrecht. Für die nächste Bundesratssitzung am kommenden Freitag (05.03.) kündigt Otte-Kinast eine Initiative des Landes Niedersachsen an.
Livestream zur Pressekonferenz aus dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL):
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