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Tierschutz

Tiertransporte: Özdemir bleibt auf Kurs der Vorgängerregierung

Über zwei Jahre mussten die Bundesländer auf eine Antwort der Bundesregierung zur Frage eines nationalen Verbots von Lebendtiertransporten in Drittstaaten warten. Das Ergebnis enttäuscht nicht nur die Länder.
am Montag, 03.04.2023 - 15:48 (Jetzt kommentieren)

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir meint, in Deutschland kein nationales Verbot für Lebendtiertransporte in Drittstaaten einführen zu können. Das EU-Recht verhindere ein solches Verbot. Tierschützer sehen das anders.

Im Februar 2021 forderte das Land Nordrhein-Westfalen im Bundesrat, Lebendtiertransporte in bestimmte Drittstaaten zu verbieten, wenn von einem mangelnden Tierschutz in den Zielländern ausgegangen werden muss. Der Antrag aus Nordrhein-Westfalen wurde mehrheitlich unterstützt, sodass die Bundesregierung aufgefordert wurde, zu der Entschließung Stellung zu nehmen.

Dafür hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) mehr als zwei Jahre gebraucht. Und der in dieser Zeit erfolgte Regierungswechsel scheint in die rechtliche Problematik, die damals schon Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel angeführt hatte, keine Bewegung zu bringen.

Bundesrat forderte höhere Tierschutzstandards in Drittstaaten

Fuchtel wies vor zwei Jahren im Bundesrat auf bereits existierende Veterinärzertifikate hin, die einen tierschutzkonformen Transport von lebenden Tieren in Drittstaaten sicherstellen sollen. Um solche Exporte über eine Rechtsverordnung zu regeln, müssten valide Beweise für Tierschutzverstöße vorliegen. Entgegen stünden außerdem die Vorschriften des Welthandelsrechts.

Die Länderkammer forderte ein Verbot der Transporte, wenn sie länger als acht Stunden dauern, die Tiere Hitze- beziehungsweise Kältestress, Verletzungen oder andere Leiden erfahren. Darüber hinaus setzen sich die Länder dafür ein, Versorgungsstationen, Verlade- und Zielhäfen sowie Transportschiffe im Ausland zu prüfen. Insbesondere Versorgungsstationen in Russland sollten von EU-Organen zertifiziert werden. Außerdem sollten die Behörden einen Echtzeit-Zugang zum Navigationssystem der Fahrzeuge erhalten.

BMEL: EU-Recht verhindert nationales Verbot von Tiertransporten in Drittstaaten

In der Unterrichtung an den Bundesrat spricht sich das BMEL zwar für eine stärke Regulierung von Tiertransporten aus, bevorzugt jedoch eine europäische Lösung durch eine Überarbeitung der EU-Tierschutz-Transportverordnung.

Da nach geltendem Recht eine neue Beförderung beginnt, wenn der Transport für 48 Stunden unterbrochen wurde, könne lediglich auf deutschem Boden die direkte Abfertigung von Tiertransporten in Drittstaaten verhindert werden. Eine Umgehung durch eine Endabfertigung durch einen anderen EU-Mitgliedstaat sei weiterhin möglich.

Zudem widerspreche ein Transportverbot der grundsätzlichen Ausfuhrfreiheit von Waren in der EU. Die Freiheit der Warenausfuhr dürfe nicht unangemessen eingeschränkt werden, es müsse der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingehalten werden. Willkürliche oder ungerechtfertigte Diskriminierungen dürften nicht entstehen. Es bestehen aus Sicht des BMEL erhebliche Zweifel daran, dass nationale Ausfuhrverbote geeignet sind, um den Tierschutz zu gewährleisten.

EU-Recht könnte für Tiertransporte deutlich strenger werden

Gemeinsam mit anderen Mitgliedstaaten hat sich Deutschland nach BMEL-Angaben für eine Verbesserung des EU-Tierschutztransportrechts eingesetzt. Die Punkte im entsprechenden Positionspapier gleichen den Forderungen der Bundesländer. Insbesondere wird ein Verbot bestimmter, langer Lebendexporte auf dem Straßen- und Seeweg angestrebt. Eine Begrenzung der Transportdauer auf acht Stunden sowie die Zertifizierung von Versorgungsstellen in Drittstaaten nach EU-Standards werden ebenfalls gefordert.

Außerdem wird auf das Zurückziehen der bilateral abgestimmten Veterinärbescheinigungen für den Export von Wiederkäuern zu Zuchtzwecken zum 1. Juli 2023 in bestimmte Länder hingewiesen. Zu diesen gehören zum Beispiel Ägypten, Irak, Iran, Marokko oder Tunesien.

Bündnis für Tierschutzpolitik sieht nicht, dass Handel abnimmt

Das Bündnis für Tierschutzpolitik reagiert auf die Stellungnahme der Bundesregierung mit Empörung und Unverständnis. Es gebe juristische Gutachten, die ein nationales Verbot als machbar einstuften. „Wir fordern ein sofortiges nationales Verbot der Lebendtierexporte nach § 12 Tierschutzgesetz, um das unfassbare Leiden von Tieren während des Transports in Drittstaaten endlich zu beenden”, sagt Bündnissprecher Patrick Müller.

In einem offenen Brief des Bündnisses an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir heißt es, dass ein EU-weites Verbot von Lebendtierexporten in Drittstaaten aktuell in keiner Weise absehbar seien. Das Zurückziehen der Veterinärzertifikate schränke den Handel außerdem keineswegs ein. Umso wichtiger sei deshalb ein nationales Verbot.

Über die Stellungnahme des BMEL sei das Bündnis für Tierschutzpolitik geradezu entsetzt. Hinzu komme, dass sie fachliche Fehler enthalte und im deutlichen Widerspruch zu unabhängigen juristischen Gutachten stehe.

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