Ein Papier in Berlin sorgt derzeit hinter den Kulissen für heftigen Diskussionsstoff. Es geht um den Referentenentwurf des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) für ein Tierhaltungskennzeichnungsgesetz für Schweinefleisch. Nicht nur Agrarverbände sind mit dem Entwurf unzufrieden, sondern auch Tierschützer.
Nach Auffassung von Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands (DBV) stimmt zwar die Richtung, allerdings sei „der Inhalt zu kurz gesprungen“. Er moniert erneut, dass lediglich die Schweinemast maßgeblich für die Haltungskennzeichnung sein solle. Daraus resultiere ein immenses Glaubwürdigkeitsproblem. Beispielsweise könne Fleisch von Tieren in einer hohen Haltungsstufe gekennzeichnet werden, die als Ferkel außerhalb von Deutschland betäubungslos kastriert und anschließend importiert worden seien.
Haltungsform: Verband sieht unnötige Bürokratie
Zudem sieht der Entwurf für Tierhalter erheblichen zusätzlichen bürokratischen Aufwand vor. Laut Krüsken will das Bundesagrarminister Cem Özdemir ein zusätzliches eigenes Register für landwirtschaftliche Betriebe einführen. Nicht nachvollziehbar sei, warum Özdemir nicht auf das bestehende System der VVVO-Nummern zurückgreife. Die geplanten Aufzeichnungspflichten belasteten die Betriebe mit zusätzlicher, überflüssiger Bürokratie. So seien die geforderten Daten ohnehin in der Datenbank des Herkunftssicherungs- und Informationssystem für Tiere (HIT) vorhanden und könnten für die Haltungskennzeichnung genutzt werden.
Demgegenüber gebe es kein belastbares Kontrollkonzept und keine Kontrollsystematik für die nachgelagerten Stufen und für ausländische Betriebe. Der DBV befürchtet, dass dort Manipulationen sehr einfach möglich sein werden. Zudem könnten sich Verarbeiter ganz einfach der Kennzeichnungspflicht entziehen, indem sie zum Beispiel einen Verarbeitungsschritt ins europäische Ausland verlagern könnten.
Gastronomie ist im Entwurf zur Tierhaltungskennzeichnung komplett nicht erfasst
Massive Beschwerden kommen aus der Geflügelwirtschaft. „Der vorliegende Referentenentwurf kann und darf in dieser Form nicht Gesetz werden“, kritisiert Friedrich-Otto Ripke, Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft. Das Papier beschränke sich weitestgehend auf den Vermarktungsweg Handel und lasse den gesamten Bereich des Außer-Haus-Verzehrs beziehungsweise der Gastronomie außen vor. Auch weiterverarbeitete Fleischerzeugnisse vermisst Ripke in dem Entwurf. Nach ZDG-Angaben fließt mehr als die Hälfte des Fleischabsatzes in den Außer-Haus-Verzehr. Gerade hier wäre mehr Transparenz zu Haltung und Herkunft von Tieren besonders wichtig.
Der Deutsche Tierschutzbund fordert indes weitere Verschärfungen für Tierhalter. So sollte die Haltungsstufe „Stall“ ein Ablaufdatum erhalten, die Kriterien für alle Stufen angehoben und auf Transport und Schlachtung ausgeweitet werden. Zudem hält er ein „notwendiges engmaschiges Kontrollsystem“ für nötig.
ISN: Entwurf zur Tierhaltungskennzeichnung ist intransparent und voll Schlupflöcher
Auch die ISN schließt sich der Kritik an: In dieser Form biete die Tierhaltungskennzeichnung zu wenig Transparenz und zu viele Schlupflöcher für Preisdrücker aus dem Lebensmittelhandel. Ware, die zu geringeren als den deutschen Standards erzeugt werde, dürfe sich nicht in den gekennzeichneten Produkten verstecken lassen. Alle Absatzkanäle müssten endlich einbezogen werden. Die Schlupflöcher, die Großhandel, Außer-Haus-Verzehr, Verarbeitungsprodukte und auch Importware über zu lange Zeit gewährt würden, unterwandere die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Schweinehalter.
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