Seit Mitte August liegt der Entwurf von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir für eine verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung auf dem Tisch – und trifft auf vernichtende Kritiken von Seiten der betroffenen Wirtschaft. Als politisch motiviertes Stückwerk und fachlich unausgereifte Mogelpackung kritisiert die Initiative Tierwohl (ITW) das Paket aus Gesetzes- und Verordnungsentwurf. Rund zwei Drittel des Marktes für Schweinefleisch würden damit gar nicht erfasst, stellt die ITW in einer Stellungnahme fest.
Für den Geschäftsführer der Zentralen Koordination Handel-Landwirtschaft (ZKHL), Dr. Hermann-Josef Nienhoff, ist der Entwurf „unnütz und überflüssig“.
Die Interessengemeinschaft der Schweinehalter (ISN) findet in dem Referentenentwurf gravierende Mängel. Die ISN warnt zudem vor einem Wettbewerbsnachteil für die deutschen Schweinehalter.
Diese Kennzeichnung wird das Tierwohl-Niveau eher verschlechtern
Nach Auffassung der Initiative Tierwohl ist das geplante Gesetz fachlich nicht ausgereift. Erfasst werde nur ein kleiner Teilbereich des Marktes, nämlich nur frisches Schweinefleisch, nur der Einzelhandel und nur inländische Ware. Damit bleibe das System deutlich hinter den Initiativen der Wirtschaft zurück.
Die Frage, wie der Mehraufwand der Teilnehmer ausgeglichen werde, lasse der Gesetzentwurf offen. Ebenso offen blieben Regelungen zur systematischen Kontrolle der Teilnehmer, stellt die ITW fest.
Sie kritisiert, die Begründung des Entwurfs sei Ausdruck eines politischen Willens, der sich über Marktmechanismen hinwegsetze und die eingeführten, erfolgreichen Initiativen der Wirtschaft verdränge. Das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz würde in dieser Form das Tierwohl nicht verbessern, sondern deutlich verschlechtern. Eine Verlagerung der Produktion ins Ausland sei absehbar.
Regierung will durch Label offenbar den Konsum lenken
Aus Sicht von ZKHL-Geschäftssführer Nienhoff geht es Minister Özdemir mit seinem Entwurf um einen Versuch der Konsumlenkung, die mit weitgreifenden Regulierungen und einer überbordenden Bürokratie verbunden werde.
Der ehemalige QS-Geschäftsführer kritisiert, mit der Beschränkung der Kennzeichnung auf die Schweinemast erweise das Ministerium den Sauenhaltern in Deutschland „einen Bärendienst“, denn sie blieben bei der staatlichen Haltungskennzeichnung außen vor und würden obendrein noch benachteiligt. Zielgerichteter wäre es aus seiner Sicht, die Umsetzung der wirtschaftsgetragenen Kennzeichnung „haltungsform.de“ anzuerkennen und zu unterstützen.
Deutsche Schweinehalter durch Haltungskennzeichnung eklatant benachteiligt
ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack warnt vor einer eklatanten Benachteiligung für deutsche Schweinehalter sowie einem „Rückschritt für Tierwohl, Transparenz und vieles mehr“, sollten der Gesetzentwurf und die damit einhergehende Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung so umgesetzt werden.
Für Staack ist es nicht akzeptabel, dass die Haltungskennzeichnung für deutsche Schweinehalter verpflichtend sein soll, während sie für ausländische Ware freiwillig bleiben solle. Zudem fordert er, das Tierwohl-Label konsequent für alle Absatzkanäle für Fleisch vorzuschreiben, also auch für Verarbeitung, Großhandel und Gastronomie. „Verwirrend, verbrauchertäuschend und kaum kontrollierbar“ nennt die ISN die geplante Kennzeichnung von verarbeiteten Erzeugnissen unterschiedlicher Haltungsstufen in Prozentangaben.
Betäubungslos kastrierte Ferkel könnten Özdemirs Tierwohl-Label erhalten
Der Veredelungspräsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Hubertus Beringmeier, moniert, mit dem geplanten Gesetz könnten betäubungslos kastrierte Ferkel aus dem Ausland in den heimischen Markt importiert werden und das Tierwohl-Label erhalten.
Zudem drohe ein weiteres „Bürokratiemonster für unsere Betriebe“, weil weder ein Anschluss an vorhandene amtliche Meldesysteme noch an private Qualitätssicherungssysteme vorgesehen sei, erklärte der Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV).
Insgesamt biete der Entwurf den Betrieben wenig Planungssicherheit, auch weil eine verlässliche Finanzierung und ein angepasstes Genehmigungsrecht fehlten. Zwingend notwendig sei neben der Haltungskennzeichnung auch eine Herkunftskennzeichnung.
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