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Tierwohllabel: Wie man Tierwohl nach Julia Klöckners Scheitern fördert

Tierwohl-Schwein
am Mittwoch, 16.06.2021 - 05:30 (Jetzt kommentieren)

Das Tierwohllabel von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner ist krachend gescheitert, obwohl 2019 der Kabinettbeschluss dafür politisch teuer erkauft wurde. Gerade deswegen darf jetzt nicht auch noch die Weiterentwicklung der Nutztierhaltung zu mehr Tierwohl scheitern.

Niemand ist gegen mehr Tierwohl, am wenigsten die Landwirte. Doch wie die Bauern in dieser Legislaturperiode hier vom Bundeslandwirtschaftsministerium hängen gelassen wurden, sucht seinesgleichen. Bis zur letzten Sekunde kämpfte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner für ein freiwilliges staatliches Tierwohllabel, das außerhalb ihres Ministeriums kaum jemand haben will: Die Tierschützer sind nicht überzeugt, die Bauern wollen das Klöckner-Label ebenso wenig, der Koalitionspartner SPD hält es für Mist und der Bundesrechnungshof hat die gesamte Vorgehensweise des Bundesministeriums scharf verurteilt. Am Ende ist außer Spesen nichts gewesen – schon gar nicht mehr Tierwohl.

Tierwohl: Wie soll es nächste Legislaturperiode weitergehen?

Als erstes muss der Kollateralschaden des Vorschlags für ein freiwilliges staatliches Tierwohllabel begrenzt werden. Eine Folgenabschätzung des Thünen-Instituts vom Mai hat ergeben, dass mehr Tierwohl in der Nutztierhaltung nur gelingen könne, wenn dies auch mit der Einführung eines Tierwohl-Labels einher geht. Das bedeutet aber nicht, dass es eine freiwillige staatliche Kennzeichnung im Sinne des Bundeslandwirtschaftsministeriums sein muss.

Niemand sollte jetzt den Fehler machen, die Empfehlungen zum Umbau der Nutztierhaltung von Ex-Landwirtschaftsminister Jochen Borchert an ein freiwilliges staatliches Tierwohllabel zu knüpfen. Bei dieser Lösung wird das Tierwohllabel zu einem Mühlstein, der auch gleich die Borchert-Ideen in den Abgrund reißt.

Mehr Tierwohl nur auf europäischem Weg

Porträt von Simon Michel-Berger

Viel besser wäre es, jetzt ein verpflichtendes Tierwohllabel auf EU-Ebene anzuschieben. Das Schreckgespenst, dass so etwas ewig dauert, sollte niemand mehr Angst einflößen. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner hat bewiesen, wie schnell ihr Herumgetue rund um das freiwillige staatliche Tierwohllabel eine ganze Legislaturperiode vergeudet. Greifbares ist dabei bisher nicht herausgekommen. Die politische Rechnung dieser Luftnummer zahlen die Nutztierhalter in Deutschland, denn sie sind es, die die gesellschaftliche Kritik abbekommen. Dabei sehnen sich gerade die Tierhalter wieder nach mehr gesellschaftlicher Anerkennung und suchen Wege, wie sie dieses Ziel erreichen können. Eine vernünftige Lösung wird an ihnen nicht scheitern.

Es zeigt sich, dass es nicht klug gewesen ist, den Aufwand für eine europäische Lösung zu scheuen. Ein Modell einer EU-weiten verpflichtenden Haltungs- und Herkunftskennzeichnung für tierische Erzeugnisse nach dem Vorbild der Eierkennzeichnung ist möglich. Neben verschiedenen kleineren Ländern stünden Frankreich und Italien sicher an der Seite der Deutschen.

Wie gelingt mehr Tierwohl in der Nutztierhaltung?

Politik muss den Mut haben, ein Tierwohllabel vollständig neu zu denken: EU-weit, verpflichtend, durchaus auch mit mehr als drei Stufen, mit Herkunftsangabe und aufbauend auf den Erfolgen der Haltungsformkennzeichnung des Lebensmitteleinzelhandels bzw. der Initiative Tierwohl. Nur so kann es gelingen, das Tierwohl in der Nutztierhaltung voranzubringen ohne dass dabei die heimischen Landwirte auf der Strecke bleiben.

Es steht viel auf dem Spiel: Gelingt diese Weiterentwicklung nämlich nicht, wird das Fleisch aus Ländern importiert, in denen sich niemand um Tierwohl etwas schert. Auch für diesen Fall wären es die heimischen Nutztierhalter, die die Rechnung für das politische Versagen bezahlen. Sie müssten mit der Tierhaltung aufhören.

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