Im ukrainischen Parlament hat eine Diskussion über die geplante Freigabe des Handels mit Agrarland zu sehr heftigen Auseinandersetzungen zwischen Abgeordneten geführt. In der der Vergangenheit wurden alle bisherigen Vorhaben zur Freigabe des Bodenmarktes immer wieder aufgeschoben. Dies soll sich nun aber ändern.
Der neue Präsident Selenskyj hat die Einrichtung eines Bodenmarktes zur Priorität erklärt. Dies soll bis zum 1. Oktober 2020 geschehen. In Umfragen ist eine Mehrheit der Ukrainer jedoch weiterhin dagegen. Die Regierung erhofft sich jedoch Investitionen und einen kräftigen finzanziellen Schub für die Landwirtschaft.
Seit dem Jahr 2000 gilt in der Ukraine ein Moratorium über "das Verbot der Entfremdung und Veränderung der Zweckbestimmung der Bodenparzellen mit landwirtschaftlicher Nutzung". Dieses Moratorium soll erst mit dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes „Über den Verkehr an landwirtschaftlichen Flächen“ aufgehoben werden. Im Jahr 2017 wurde das Moratorium zuletzt verlängert.
Die ukrainischen Bürger dürfen Bodenparzellen auf der Grundlage der ihnen ausgestellten Zertifikate zwar besitzen. Sie dürfen diese Flächen insbesondere zur landwirtschaftlichen Produktion nutzen. Die Verfügung über diese Parzellen beschränkt sich jedoch lediglich auf das Verpachten oder Vererben.
Ausländer können weiter kein Land kaufen
Eigentümer eines nicht beanspruchten Grundstücks oder ihre unmittelbaren Erben müssen ihr Eigentumsrecht jetzt offiziell registrieren lassen. Für Ausländer bleibt der Erwerb von landwirtschaftlichen Flächen in der Ukraine jedoch weiterhin untersagt. Diese können zwar Wohneigentum erwerben und auch Baugrundstücke. Diese dürfen aber nicht als landwirtschaftliche Flächen eingestuft sein.
„Das von uns und von der Regierung vorgeschlagene Modell sieht vor – Grund und Boden gehören den Ukrainern, den Boden kaufen oder verkaufen, dürfen nur ukrainische Bürger und ukrainische Unternehmen“, so Präsident Volodymyr Selenskyj Für die ausländischen Investoren wird die Landpacht also weiterhin die einzige Möglichkeit für Investitionen sein. Selbst wenn Ausländer Land erhalten, zum Beispiel durch Vererbung, sind sie verpflichtet, es im Laufe eines Jahres wieder zu veräußern. Außerdem sieht der Gesetzentwurf vor, Bürgern und juristischen Personen bestimmter Länder den Erwerb von Boden zu verbieten.
Landwirtschaftliche Grundstücke dürfen aber auch von Ukrainern bisher weder veräußert noch als Sacheinlage in eine Gesellschaft eingebracht werden. Wegen der Unmöglichkeit der Veräußerung und der Bildung anerkannter Marktwerte wird der Boden deshalb bisher auch von den Finanzeinrichtungen nicht als Pfand akzeptiert. Die Möglichkeit, den Boden künftig als Kreditsicherung zu nutzen, wird in der Diskussion als Argument zu Gunsten der Freigabe des Bodenmarktes angeführt.
Agrarholdings werden reguliert
In dem von der Regierung vorgeschlagenen Gesetzesentwurf über den Bodenmarkt, werden weitere Beschränkungen eingeführt. Demnach darf die maximale Fläche der landwirtschaftlich genutzten Böden im Eigentum einer Person 15 % der gesamten Menge der landwirtschaftlichen Böden in einem bestimmten Gebiet und 0,5 % der gesamten Bodenfläche der Ukraine nicht übersteigen.
Dabei geht es offenbar darum, den Kauf großer Bodenflächen durch Agrarholdings zu beschränken. Agrarholdings entstehen bislang durch die Pacht von großen Bodenflächen. Nach Informationen des Ukrainischen Klubs der Agrarwirtschaft gibt es 93 landwirtschaftliche Betriebe, die mehr als 10.000 Hektar bewirtschaften. Die größte ukrainische Agrarholding bewirtschaftet etwa 600.000 Hektar. Zurzeit verfügen in der Ukraine lediglich fünf Unternehmen über nutzbaren Boden, die über 0,5 % der gesamten Bodenmenge liegt. Die meisten dieser Böden sind verpachtet.
Ingesamt werden zurzeit etwa 22 Mio. Hektar, von denen 97 % (20,3 Mio. Hektar) landwirtschaftliches Ackerland sind, zu Pachtbedingungen genutzt. Ein bedeutender Teil der Pachtverträge wird aber nur für kurze Zeit abgeschlossen, etwa für 8 bis 10 Jahre. Diese Situation macht eine langfristige Planung schwer und behindert Investitionen in die Landwirtschaft, insbesondere in den Bereichen, in denen der Rückfluss der Kosten über eine längere Zeit erfolgt, heißt es in einer Untersuchung des Deutsch-Ukrainischen Agarpolitischen Dialogs.
Bodenpreise zunächst bei 2000 USD je Hektar
Der Hektarpreis für den ab 1. Oktober 2020 nach Öffnung des Bodenmarktes gehandelten Boden könnte zunächst bei rund 2.000 US-Dollar (1.792 Euro) liegen. Davon geht Alexej Muschik aus, der den ukrainischen Ministerpräsidenten Oleksij Hontscharuk berät.
Individuelle Preise werden jedoch, je nach Bodenqualität und Nachfrage, von diesem Erwartungswert abweichen. Muschik rechnet für die Regionen Cherson und Wolhynien mit niedrigeren Preisen, während die Flächen etwa in Poltawa, Tscherkassy und Winniza teurer sein dürfte. Die weitere Entwicklung der Bodenpreise werde sich an den Kreditzinsen in der Ukraine orientieren, so Muschak. So würde sich beispielsweise bei einer Jahrespacht von 200 US-Dollar (179 Euro) und einem Zinssatz von 5 Prozent ein Hektarpreis von 4.000 USD (3.585 Euro) ergeben, erklärt Muschak.
Statistische Daten über den Werte landwirtschaftlicher Flächen, die bereits 2018 einmal in der Ukraine ermittelt wurden, zeigen etwas geringere Werte als Muschik sie nennt: 1 Hektar Ackerland und Altbrache wurden durchschnittlich mit etwa 30,9 Tausend Hryvnja (1,12 Tausend Euro) bewertet. Der Preis für mehrjährige Pflanzungen beträgt 53,8 Tausend Hryvnja (1,95 Tausend Euro) und für natürliche Weiden – 5,6 Tausend Hryvnja 0,2 Tausend Euro).
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