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Umbau Nutztierhaltung: Sonder-AMK beerdigt Borchert-Kommission

Bundeslandwirtschaftsminister-Cem-Oezdemir-Agrarministerkonferenz
am Samstag, 06.05.2023 - 05:00 (6 Kommentare)

Die Sonder-Agrarministerkonferenz von Bund und Ländern am 5. Mai ging ohne nennenswertes Ergebnis zu Ende. Das ist der Todesstoß für die Arbeit der Borchert-Kommission. Gleichzeitig bedeutet es, dass Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir in dieser Legislaturperiode bei der Nutztierhaltung kaum etwas erreichen wird. Ein Kommentar.

Groß war die Wahrscheinlichkeit nie, dass auf der Sonder-Agrarministerkonferenz (AMK) von Bund und Ländern in Berlin noch ein Durchbruch zum Umbau der Nutztierhaltung kommen würde. Das Bundeslandwirtschaftsministerium bleibt eisern bei seiner Linie: Der Umbau der Nutztierhaltung soll zunächst nur beim Schwein stattfinden. Das Baurecht wird so angepasst, dass Modernisierung im Stall nur mit Abstockung möglich wird. Die Hoffnungen der Tierhalter, mehr Geld zu verdienen, ruhen auf einer vagen staatlichen Tierhaltungskennzeichnung und einer noch nebelhafteren Öko-Kennzeichnung in der Gastronomie. Mehr Förderung oder ein Gesamtkonzept, so wie die Borchert-Kommission es vorgeschlagen hatte, gibt es weiterhin nicht.

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Was hätten die Agrarminister erreichen können?

Porträt von Simon Michel-Berger

Die Agrarminister von Bund und Länder hätten auf ihrer Konferenz immerhin alle heute bekannten Bausteine des Umbaus der Nutztierhaltung, so bescheiden sie auch sein mögen, nebeneinanderlegen können. Auf Basis so einer Bestandsaufnahme hätte man versuchen können, die letzten verbleibenden Stellschrauben – insbesondere die Agrarförderung von Bund und Ländern – noch unterstützend ausrichten zu können. Doch nicht einmal das ist passiert, unter anderem auch, weil der wichtige Baustein des Immissionsschutzes, der in der sogenannten TA Luft geregelt wird, noch nicht vorliegt. Hier sind die Umweltminister noch am Zug. Solange aber alle Beteiligten weiter an ihren jeweiligen Rädchen drehen und dabei vor allem ihre eigenen Interessen im Blick haben, wird es kein neues Gesamtkonzept aus einem Guss geben.

Warum die Borchert-Kommission gescheitert ist

Ein solches Gesamtkonzept liegt seit geraumer Zeit auf dem Tisch, mit den Vorschlägen der Borchert-Kommission. Doch bei der Sonder-AMK ist klar geworden: Es gibt keinen politischen Willen, dieses Gesamtkonzept umzusetzen. Stattdessen picken sich die Beteiligten die jeweils für sie interessantesten Punkte heraus. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir brachte es deutlich zum Ausdruck, als er sagte, dass Ergebnisse von Kommissionen selten 1:1 umgesetzt werden würden. Mag sein, aber wozu braucht es dann überhaupt breit aufgestellte Gremien, die versuchen Lösungen für komplexe Probleme zu finden? Mehrfach hat die Borchert-Kommission Cem Özdemir die weitere Zusammenarbeit angeboten und mehrfach Chancen für einen praktikablen Umbau der Nutztierhaltung eingefordert. Wenn die Borchert-Kommission nach dieser Sonder-AMK ihr Gesicht wahren will, muss sie jetzt ihre Arbeit einstellen. Die geforderte Chance wird sie nicht bekommen.

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Warum auch Cem Özdemir gescheitert ist

Klar ist nach dieser Sonder-AMK allerdings auch, dass selbst Cem Özdemir mit dem Umbau der Nutztierhaltung gescheitert ist. Das ist nur zum Teil seine Schuld: Aus der Europäischen Kommission hatte man dem Bundeslandwirtschaftsminister zugesichert, zügig einen Vorstoß für eine europäische Tierhaltungskennzeichnung starten zu wollen. Dieser Vorstoß wurde wiederholt verzögert und liegt immer noch nicht auf dem Tisch. Außerdem gelang es der zerstrittenen Bundesregierung nicht, ausreichend Geld für den Umbau der Nutztierhaltung zu mobilisieren. Was man Özdemir aber vorwerfen kann, ist, keine wirklich neuen Ideen auf den Weg gebracht zu haben, wie Landwirte mit Nutztierhaltung Geld verdienen sollen. Kennzeichnungen, die es in ähnlicher Form schon gibt, sei es bei der Tierhaltung oder in der Gastronomie, werden kaum etwas an der Nachfrage nach Fleisch ändern. Entscheidend für die Nachfrage bleibt der Preis – und daran kann Özdemir praktisch nichts ändern. Bis zum Ende der Legislaturperiode wird er darum kaum etwas vorzuweisen haben.

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Wonach richten sich die Zukunftsperspektiven der deutschen Nutztierhaltung?

Wie gut die Zukunftsperspektiven der Nutztierhaltung in Deutschland sind, hängt, angesichts der Absage an die Vorschläge Borchert-Kommission, an Faktoren, die außerhalb der Kontrolle der Bundesregierung liegen. Um nur für den Schweinebereich zu sprechen geht es um Punkte wie:

  • Drängen Bürgerproteste und Sorgen um Umweltschutz die in Spanien massiv gewachsene Schweinehaltung wieder zurück?
  • Wickeln die Niederlande ihre Schweinehaltung mit dem Herauskauf-Programm schneller ab, als deutsche Landwirte frustriert aufgeben?
  • Wann bricht die Afrikanische Schweinepest in anderen großen EU-Erzeugerländern wie den Niederlanden und Dänemark aus?
  • Kommt über Handelsabkommen, insbesondere Mercosur, bald noch mehr billiges Schweinefleisch auf den europäischen Markt oder nicht?

Traurig, dass es so weit gekommen ist. Bessere Wege wären möglich gewesen.

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