Glauben Sie noch an den erfolgreichen, politikgesteuerten Umbau der Nutztierhaltung in Deutschland? Wenn ja, dann herzlichen Glückwunsch! Daran weiter zu glauben, ist heutzutage nicht gerade leicht. Mit der Sonder-Agrarministerkonferenz (AMK) im Mai stand eigentlich bereits fest, dass in dieser Legislaturperiode kein wesentlicher Durchbruch zum Umbau der Nutztierhaltung mehr zu erwarten war.
Lesen Sie dazu auch: Umbau Nutztierhaltung: Sonder-AMK beerdigt Borchert-Kommission
Warum hat die Borchert-Kommission aufgehört?
Das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung, die sogenannte „Borchert-Kommission“ hat im August dieses Jahres aus Frust darüber, dass es noch immer keine Einigung in der Bundesregierung über die Finanzierung der Umbau-Pläne gibt, die Arbeit eingestellt. Man könnte nun darüber streiten, wer mehr Schuld daran trägt: Das Bundeslandwirtschaftsministerium unter Cem Özdemir (Grüne) oder das Bundesfinanzministerium unter Christian Lindner (FDP). Doch einen Schuldigen zu suchen, macht die Sache für die betroffenen Bäuerinnen und Bauern auch nicht besser.
Mehr zum Ende der Borchert-Kommission lesen Sie hier: Die Borchert-Kommission legt ihre Arbeit nieder
Glaubte noch jemand, dass eine Tierwohl-Prämie kommt?
Eine Befragung der agrarheute-Nutzerinnen und Nutzer („Umfrage: Was halten Sie vom Aus der Borchert-Kommission?“) kurz nach dem Ende der Borchert-Kommission hat gezeigt: Knapp 50 % der gut 1100 Antwortenden glaubte im August 2023 schon nicht mehr daran, dass die Bundesregierung eine Tierwohlprämie einführen würde. Kein Wunder: Der Hickhack ums Geld zieht sich bereits über die gesamte Amtszeit von Cem Özdemir. Doch statt sich nun zu ärgern oder gar zu verzweifeln, sollte man sich erinnern, was das Besondere an der Borchert-Kommission war.
Worin lag die Stärke der Borchert-Kommission?
Die Borchert-Kommission hat ein Konzept für den Umbau der Nutztierhaltung erarbeitet, an dem Vertreterinnen und Vertreter aller Stakeholder beteiligt waren: von Wirtschaft und Wissenschaft über die Länder bis hin zu einem wichtigen Umweltverband. Das Meisterstück zu diesem übergreifenden Arbeiten hat einige Zeit nach Borchert die Zukunftskommission Landwirtschaft geschafft: Sie hat einen noch breiteren Konsens aufgebaut – zwischen noch mehr Akteuren, die bis dahin teilweise kaum miteinander geredet hatten. Die Lehre aus diesen Erfahrungen sollte sein: Reden hilft, gerade über verschiedene Lager hinweg.
Lesen Sie dazu auch: Zukunftskommission Landwirtschaft: Alte Feinde zu neuen Partnern?
Wie weiter mit den Empfehlungen der Borchert-Kommission?
Wenn die Empfehlungen der Borchert-Kommission auf bundesdeutscher Ebene nicht umzusetzen waren, dann sollte man versuchen, sie auf die europäische Ebene zu heben. Nationale Alleingänge beim Tierwohl sind seit jeher der Schrecken der Landwirte in der EU. Die Lösung muss also sein: Eine neue Borchert-Kommission, auf Ebene der Europäischen Kommission muss her. So ein Gremium müsste nicht bei Null anfangen, denn den deutschen Bericht gibt es ja bereits. Wenn auch hier Beteiligte aus Wissenschaft, Wirtschaft, Verbraucherverbänden, Umweltschutz und Tierschutz einbezogen werden, kann ein Durchbruch gelingen. Die Zeit ist reif dafür.
Eine „europäische“ Borchert-Kommission schaffen
Bislang gibt es auf EU-Ebene noch kein Gremium, das wie die Borchert-Kommission Empfehlungen zum Umbau der Nutztierhaltung machen kann. Beratende Organe gibt es viele, doch in diesem Fall braucht es mehr: Ein neues Gremium, das überparteilich und institutionenübergreifend aufgestellt wird, und dessen Empfehlungen die EU-Kommission verspricht, in jedem Fall zu einem Gesetzesvorschlag zu machen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat, ohne allzu konkret zu werden, einen solchen Dialog zur Gemeinsamen Agrarpolitik bereits angekündigt (siehe: „Von der Leyen rückt vom Green Deal ab, kündigt GAP-Dialog an“).
Hier sollte die Landwirtschaft sie beim Wort nehmen. Auch die Bundesregierung könnte einen solchen europäischen Dialog forcieren. Ein neuer, EU-weiter Kompromiss, würde zwar noch dauern. Aber besser als jetzt zu verzagen und Schuldige zu suchen, ist es allemal.
Hier ist Ihre Meinung gefragt
Werden Sie Teil unserer Community und diskutieren Sie mit! Dazu benötigen Sie ein myDLV-Nutzerkonto.