Deutschland steht nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen vor unübersichtlichen politischen Verhältnissen. Die FDP ließ die Verhandlungen mit CDU, CSU und Grünen am späten Sonntagabend überraschend platzen.
"Es ist besser, nicht zu regieren,als falsch zu regieren", sagte FDP-Chef Christian Lindner. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stürzt damit in die schwerste Krise ihrer zwölfjährigen Amtszeit. Acht Wochen nach der Bundestagswahl ist unklar, wie es weitergeht.
Drei Szenarien
Drei Szenarien sind nun denkbar: Die SPD verhandelt doch über die erneute Bildung einer großen Koalition. Die Sozialdemokraten lehnten dies aber auch nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen ab.
Die SPD-Spitze hatte am Abend der Bundestagswahl am 24. September unmittelbar nach dem historischen Absturz auf 20,5 Prozent entschieden, eine rechnerisch mögliche erneute große Koalition mit der Union abzulehnen und in die Opposition zu gehen.
Der Weg zur Minderheitsregierung
Ein zweites denkbares Szenario ist eine Minderheitsregierung unter Führung Merkels, etwa mit den Grünen oder der FDP. Merkel bräuchte dann aber bei Abstimmungen einige Dutzend Stimmen aus anderen Fraktionen.
Als drittes Szenario denkbar sind Neuwahlen. Der Weg dorthin ist aber verfassungsrechtlich nicht einfach. Denn eine mögliche Neuwahl ist erst nach einer Kanzlerwahl möglich. Der Bundespräsident müsste zunächst jemanden für das Amt des Bundeskanzlers vorschlagen. Wäre dies Merkel und würde sie nur mit relativer Mehrheit und nicht mit der üblichen "Kanzlermehrheit" gewählt, könnte der Bundespräsident sie zur Kanzlerin einer Minderheitsregierung ernennen - er kann aber auch den Bundestag auflösen. Innerhalb von 60 Tagen muss es dann Neuwahlen geben.
Steinmeier will keine Neuwahl
Merkel kündigte an, Steinmeier im Laufe des Montags über den Stand der Dinge informieren. Steinmeier hatte erst am Wochenende die potenziellen Jamaika-Partner ermahnt, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und Neuwahlen zu vermeiden.
Bei der Landwirtschaft eng beieinander
FDP-Chef Lindner hatte den Abbruch der Sondierungen damit begründet, dass es in den gut vier Verhandlungswochen nicht gelungen sei, eine Vertrauensbasis zu schaffen. Das wäre aber Voraussetzung für eine stabile Regierung gewesen. Lindner machte deutlich, dass die Gräben zwischen FDP und Grünen aus seiner Sicht zu groß waren. Nach Wochen liege unverändert ein Papier mit zahllosen Widersprüchen, offenen Fragen und Zielkonflikten
vor.
Die Grünen-Spitze warf der FDP vor, sich vor ihrer Verantwortung gedrückt zu haben. "Ein Bündnis hätte zustande kommen können", sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Bei Klimaschutz, Landwirtschaft und Migration sei man am Ende näher beieinander gewesen, als man es gedacht hätte.
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