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Folgen des Ukraine-Kriegs

Verunsicherung bei Milchbauern: Wird GVO-freies Soja reichen?

Junge Sojabohnen
am Donnerstag, 19.05.2022 - 16:05 (1 Kommentar)

Während immer mehr Milchbauern befürchten, wegen fehlender Futtermittel keine GVO-freie Milch mehr produzieren zu können, sieht der Verein Donau Soja gerade jetzt wachsende Chancen für den Einsatz europäischer, gentechnikfreier Sojabohnen.

In einem Pressegespräch der internationalen Organisation Donau Soja sagte der Pressesprecher des Vereins, der Sojaanbau in der EU habe 2022 um 10 bis 15 Prozent zugenommen. Voraussichtlich werde in diesem Jahr ein neuer Rekord in der europäischen Sojaernte erreicht, der auch mögliche Ausfälle aus der Ukraine und auch aus Russland kompensieren könnte. Donau Soja hat jeweils einen Standort in der Ukraine, in Serbien und Moldawien; der Hauptsitz ist in Wien.

Ganz im Widerspruch zur optimistischen Einschätzung von Donau Soja steht die Befürchtung von Milchbauern, bald keine gentechnikfreien Futtermittel mehr beziehen zu können. Milchviehhalter, die ihre GVO-freie Milch an das Deutsche Milchkontor (DMK) abliefern, können nun auf Antrag zeitweise mit dem Standard pausieren.

DMK-Betriebe müssen Knappheit nachweisen

Milchanlieferung an einem DMK-Standort

Wie ein Pressesprecher des DMK gegenüber agrarheute erklärt, stellen derzeit einige Landwirte fest, dass gentechnikfreie Futtermittel in naher Zukunft in mehr zur Verfügung stehen. Daher hätten sie den Kontakt zur Molkerei gesucht.

Daraufhin habe das DMK das vorübergehende Aussetzen von GVO-freien Milchlieferungen ermöglicht. In einem Antrag auf Vertragspause müssten die Landwirte Angaben zur ihrer Futtermittelversorgung machen und sich diese – beispielsweise vom Futtermittelhändler – bestätigen lassen. Bis die Versorgung mit GVO-freien Futtermitteln wieder möglich ist, werde der vertragliche VLOG-Standard (Verband Lebensmittel Ohne Gentechnik) ausgesetzt. Die Pausen könnten immer zum 1. eines Monats beginnen, so der DMK-Pressesprecher.

Um die Sammeltour anpassen zu können, sei eine frühzeitige Mitteilung an das DMK erforderlich. Mit dem Beginn der Pausierung entfalle der Zuschlag für VLOG-Qualität. Die Molkerei weist darauf hin, dass sie selbst an die Kontraktlaufzeiten mit dem Lebensmitteleinzelhandel für die GVO-freie Milch gebunden ist.

Donau Soja: Gentechnikfreies Soja aus Europa ist gesichert

Bei ihrer Veranstaltungsreihe, an der auch die Lidl Stiftung und Rewe Group teilnahmen, wies Donau Soja das Szenario über eine Knappheit auf dem Sojamarkt allerdings deutlich zurück. Zweieinhalb Monate nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine habe sich für Soja im Vergleich zu anderen Agrarerzeugnissen ein anderes Bild ergeben.

Vitaly Kushnir, der als Berater des ukrainischen Landwirtschaftsministers und als Partner von Donau Soja tätig ist, betonte, dass in der Ukraine intensiv an einer Lösung für Sojaexporte über alternative Handelswege gearbeitet werde. Hier gebe es von der EU große Unterstützung.

Nach Angaben von Kushnir befinden sich in den ukrainischen Lagerbeständen 400.000 Tonnen Soja, das für den Export vorgesehen ist. An den Grenzen gebe es momentan zwar einen Lieferstau, dennoch habe die Ukraine im April 1,2 Mio. Tonnen an Agrarerzeugnissen exportiert.

Von den prognostizierten 1,5 Mio. Hektar ukrainischer Sojafläche seien inzwischen etwa 1 Mio. Hektar bestellt, so Kushnir. Ende Mai solle die Aussaat abgeschlossen sein.

Weiter machte Kushnir deutlich, die Handelspartnerschaften erweitern zu wollen. Susanne Fromwald, Beraterin bei Donau Soja, bestätigte, dass die ukrainischen Sojaerzeuger wegen des Krieges vermehrt auf der Suche nach europäischen Partnern sind. Die Unternehmen seien in der Lage, Soja zu liefern – der Krieg dürfe nicht als Ausrede für ein Einstellen des Exports aus der Ukraine beziehungsweise für ein Abschaffen der Gentechnikfreiheit in Europa genutzt werden. Außerdem sei Europa wegen seiner hohen Nachhaltigkeitsstandards sehr auf das ukrainische Soja angewiesen. Neben Deutschland gehören laut Kushnir Polen und Österreich zu den wichtigsten Abnehmerländern.

DRV warnt vor Knappheiten bei Eiweißfuttermitteln ab Herbst

DRV-Präsident Franz-Josef Holzenkamp

Vor Einschränkungen bei der Verfügbarkeit von eiweiß- und stärkehaltigen Rohstoffen und Futtermitteln warnte DRV-Präsident Franz-Josef Holzenkamp in einem offenen Brief an Josef Sanktjohanser, Präsident des Handelsverbands Deutschland (HDE). „Klar ist: Eine seriöse Prognose für die Verfügbarkeit von nonGMO-Futtermitteln in den kommenden Monaten ist nicht möglich. Zu unsicher sind die Rahmenbedingungen“, warnt Holzenkamp.

Die in der Milchviehhaltung benötigten Eiweißfuttermittel seien bisher noch – zu stark angestiegenen Preisen – verfügbar. Spätestens ab Herbst 2022 könne die flächendeckende Versorgung des Markts mit gentechnisch nicht veränderten Futtermitteln aber nicht mehr garantiert werden. Daher könnten viele Unternehmen der Milchwirtschaft, auch im Biosegment, „ihr Angebot an Milchprodukten auf Basis gentechnisch nicht veränderter Futtermittel künftig nicht mehr sicherstellen“.

Holzenkamp weist außerdem darauf hin, dass gentechnikfreies Rapsschrot in der Menge zwar noch eine ausreichende Verfügbarkeit aufweise, die tatsächliche Verfügbarkeit aber schon heute nicht mehr in allen Regionen Deutschlands gewährleistet sei. „Fakt ist: In bestimmten Fällen kann nach der Ernte 2022 kein non-GMO-Rapsschrot geliefert werden. Kontraktlaufzeiten haben sich deshalb bereits deutlich verkürzt“, so der DRV-Präsident.

VLOG und AbL: Marktunsicherheiten werden instrumentalisiert

Der VLOG und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) glauben – wie Donau Soja – nicht an bevorstehende Knappheiten bei GVO-freien Futtermitteln. Nach Ansicht der beiden Organisationen instrumentalisierten einige Verbände die Marktunsicherheiten, um die bewährten Qualitätsstandards zu kippen. „Aktuell wird der Krieg in der Ukraine genutzt, um eine angeblich drohende Nicht-Verfügbarkeit gentechnikfreier Futtermittel zu behaupten“, so der VLOG und die AbL.

Beim Raps rechneten der DRV, die AMI und die EU-Kommission mit einer deutschen Ernte von bis zu 4 Mio. Tonnen. Die möglichen Importrückgänge aus der Ukraine könnten kompensiert werden.

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