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Klimawandel und Landwirtschaft

Wasserknappheit: Landkreise haben keinen Plan

Verdorrter Mais
Norbert Lehmann, agrarheute Redakteur
Norbert Lehmann, agrarheute
am Donnerstag, 20.07.2023 - 08:26 (3 Kommentare)

Das Wasser wird knapp in Deutschland. Die Landwirtschaft leidet wegen des Klimawandels vermehrt unter Dürren und Hitze. Jetzt will die Bundesregierung die Länder und Kommunen per Gesetz zur Klimaanpassung zwingen. Das kostet viele Milliarden. Das Geld könnte über eine neue Gemeinschaftsaufgabe bereitgestellt werden.

Deutschlandkarte der Bodenfeuchte unter Mais

Mindestens 40 Landkreise haben in Deutschland Mitte Juli den Wassernotstand ausgerufen oder müssen Wasser rationieren. Das berichtet das Recherche-Netzwerk Correctiv. Wer im niedersächsischen Landkreis Lüchow-Dannenberg tagsüber bei mehr als 25 Grad Celsius die Blumen gießt, riskiert ein Bußgeld von bis zu 50.000 Euro. 

Das sind kurzfristige Maßnahmen gegen einen akuten Wassermangel. Der Klimawandel erfordert aber ein dauerhaft effizienteres Wassermanagement. Das gilt besonders für die auf eine ausreichende Wasserversorgung angewiesene Landwirtschaft. Ohne Regen oder Bewässerung kann der beste Landwirt keine Lebensmittel produzieren. 

Die große Mehrheit der Landkreise in Deutschland ist auf eine Wasserkrise aber nicht vorbereitet. Das soll sich ändern.

Lokale Anpassungsmaßnahmen für die Landwirtschaft sollen Pflicht werden

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne)

Hitze und Dürre, Starkregen und Hochwasser –Wetterextreme werden in Zukunft häufiger und zwingen uns zur Vorsorge und Anpassung an die Folgen der Klimakrise“, sagt Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne). Deshalb hat die Bundesregierung vorige Woche den Entwurf für ein Klimaanpassungsgesetz verabschiedet. 

Das Gesetz soll für Bund, Länder und Kommunen erstmals einen verbindlichen Rahmen für lokale Risikoanalysen und Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel schaffen. Im Klartext: Jede Gemeinde muss für ihr Zuständigkeitsgebiet ein Konzept zur Klimaanpassung erstellen. Darin sind auch Ziele und Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft vorzusehen.

So wollen die Landkreise auf den Wassermangel reagieren

Derzeit sind die Landkreise sehr unterschiedlich auf die Folgen des Klimawandels vorbereitet. Das zeigt eine Abfrage von Correctiv, BR, WDR und NDR unter 329 Landkreisen und kreisfreien Städten. Von diesen hat nur rund ein Viertel ein Schutzkonzept für den Klimawandel. Dabei rechnen 90 Prozent der Landkreise, die die Umfrage beantwortet haben, für ihre Region künftig mit mehr Wetterextremen

Mehr als die Hälfte, nämlich 53 Prozent, sehen das Risiko eines Wassermangels. Nur 8 Prozent sehen darin kein Risiko, während rund ein Drittel sich noch keine abschließende Meinung gebildet hat. Mehr als 70 Kreise und kreisfreie Städte haben auf die Abfrage des Recherche-Kollektivs gar nicht geantwortet.

Kaum ein Landkreis will Wasserreservoirs anlegen

In vielen Regionen planen die Landkreise und Städte allerdings Maßnahmen zur Anpassung des Wassermanagements. Das wird auch die Landwirtschaft und die Wasserverfügbarkeit für Ackerbau und Tierhaltung betreffen. 

Fast jeder Fünfte der über 300 Kreise, die an der Befragung teilnahmen, plant die Ausweisung von Überflutungsflächen. Weitere 14 Prozent halten das für nötig, haben dafür aber noch keine Finanzierung gefunden. Wasserreservoirs anzulegen, planen hingegen nur 7 Prozent der Landkreise. Und mit nur 8 Prozent sehen überraschend wenig Kreis- und Stadtverwaltungen vor, künftig zusätzliche Auflagen für die Wasserentnahme einzuführen. Fast 40 Prozent haben sich hierzu noch keine abschließende Meinung gebildet.

Finanzierung über neue Gemeinschaftsaufgabe „Klimaanpassung“?

Das Klimaanpassungsgesetz würde die Verwaltungen verpflichten, Maßnahmen zur Klimaanpassung zu planen und umzusetzen. Der Bund rechnet damit, dass das Gesetz den Ländern und Gemeinden zusätzliche Kosten verursachen wird, die jährlich in die Milliarden gehen könnten. Der Deutsche Städtetag schätzt die Gesamtkosten bis 2030 für Länder und Kommunen sogar auf 55 Milliarden Euro

Die Länder fordern daher eine dauerhafte verlässliche Finanzierung. Diskutiert wird eine neue Gemeinschaftsaufgabe „Klimaanpassung“, ähnlich der Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstruktur“. Die Einführung einer zusätzlichen grundgesetzlich abgesicherten Gemeinschaftsaufgabe hatte das Umweltbundesamt (UBA) bereits 2021 vorgeschlagen. 

Die Bundesregierung lässt die Möglichkeiten hierfür nun durch ein finanzverfassungsrechtliches Gutachten prüfen. In der Umweltministerkonferenz (UMK) werden Bund und Länder dann gegebenenfalls über die Umsetzung beraten.

Widerstand der Länder gegen Gesetzentwurf der Bundesregierung erwartet

Der Gesetzentwurf der Ampel-Koalition geht nun in die parlamentarischen Beratungen. Bemerkenswert ist, dass das Bundesumweltministerium seine Vorlage als Einspruchsgesetz und nicht als Zustimmungsgesetz formuliert hat. Das bedeutet, der Bundesrat könnte gegen die Mehrheit der Koalition im Bundestag keine Änderungen an dem Entwurf durchsetzen, obwohl das Gesetz tief in die Pflichten, Kompetenzen und Ausgaben der Länder und Kommunen eingreift. Die Länder könnten zu dem Gesetz lediglich den Vermittlungsausschuss anrufen. 

Es ist nicht anzunehmen, dass dies die Beratungen erleichtern wird, zumal im Herbst mit Bayern und Hessen in zwei unionsgeführten Bundesländern die Landtagswahlen anstehen.

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