Der designierte EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski hat bei der gestrigen Anhörung vor dem Landwirtschafts- und dem Umweltausschuss des Europaparlaments die überwiegende Mehrheit der Abgeordneten noch nicht überzeugt.
Bei einem unmittelbar nach der Befragung abgehaltenen Treffen der Agrarkoordinatoren aus den verschiedenen Fraktionen sprachen sich mit Ausnahme der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) alle übrigen sechs Fraktionen für weitere Schritte im Anhörungsprozess aus. Damit bleibt der Pole weiterhin einer der Wackelkandidaten unter den von der gewählten Kommissionspräsidentin Dr. Ursula von der Leyen vorgeschlagenen Kommissare.
Eiertanz um Kappung
Auf die Frage des Europaabgeordneten Dr. Peter Jahr, wie er zu einer obligatorischen Obergrenze für Direktzahlungen stehe, erklärte der Pole, dass auch eine für die EU-Mitgliedstaaten fakultative Kappung möglich sein könne, da es in der EU sehr unterschiedliche Strukturen gebe.
In seinen schriftlichen Antworten an das Parlament hatte sich Wojciechowski in der vergangenen Woche hingegen noch für eine verpflichtende Obergrenze bei den Direktzahlungen ausgesprochen. Jahr ist der neue Berichterstatter zur Verordnung über die strategischen Pläne der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP).
Keinen Hehl machte der mögliche künftige Brüsseler Agrarchef allerdings aus seiner Unterstützung für kleine und mittlere bäuerliche Familienbetriebe. Es sei besser, 1.000 Betriebe mit 100 Schweinen zu haben, als einen einzigen Betrieb mit 1.000.000 Schweinen. Er werde „ein Kommissar für eine extensive Landwirtschaft sein“, betonte Wojciechowski.
Baut der Neue Intervention aus?
Im Weiteren unterstrich Wojciechowski, dass er die Stellung der Landwirte in der Lebensmittelkette verbessern wolle. Ein wichtiges Ziel sei dabei die Implementierung der beschlossenen Richtlinie gegen unlautere Handelspraktiken.
Zudem stellte er eine Ausweitung der Marktinterventionen auf den Agrarmärkten in Aussicht.
Weitere Fragerunde nötig
Als nächsten Schritt wird Wojciechowski morgen ein Katalog mit sechs Fragen zur EU-Agrarpolitik übermittelt. Für die Beantwortung hat der designierte Kommissar dann bis Dienstag, 8. Oktober 2019 Zeit. Sollten die Antworten dann erneut nicht überzeugen, wovon in Parlamentskreisen ausgegangen wird, muss sich der ehemalige EU-Abgeordnete und gegenwärtige Direktor am Europäischen Rechnungshof (EuRH) einer weiteren mündlichen Anhörung vor den Ausschüssen stellen. Mögliche Termine wären der 14. oder der 15. Oktober.
Der Agrarsprecher der Europäischen Volkspartei (EVP), Herbert Dorfmann, bezeichnete die Leistung von Wojciechowski in der Anhörung als „sehr schwach“. Auf viele Fragen habe der Kandidat keine konkreten Antworten gegeben. So sei etwa unklar geblieben, wie er mit den vorliegenden Kommissionsvorschlägen zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) umgehen wolle, monierte der Südtiroler.
Klare Aussagen vermisst
Kritik kam auch vom Agrarsprecher der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten (S&D), Prof. Paolo De Castro. Er beklagte die fehlenden Details in den Antworten des nominierten Agrarkommissars. Wojciechowski habe beispielsweise keine klare Strategie gegen das Risiko einer Renationalisierung, das die GAP-Vorschläge nach Ansicht des ehemaligen italienischen Agrarministers durchaus zur Folge haben könnten. Ähnliche Bedenken brachte der ehemalige EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos vor, der mittlerweile als Fraktionsvorsitzender der liberalen „Renew Europe“ (RE) fungiert.
Ulrike Müller, RE-Agrarsprecherin, beklagte gegenüber Agra-Europe, sie habe bei zu vielen Themen eine klare Aussage vermisst. Skeptisch sehe sie vor allem die geplante Auslagerung der Zuständigkeit für staatliche Beihilfen von der Generaldirektion für Landwirtschaft (DG AGRI) an die Generaldirektion für Wettbewerb (DG COMP).
Konkrete Politikideen vermisst der Agrarkoordinator der Grünen, Martin Häusling. Auch wenn er Wojciechowski persönlich abnehme, sich für kleine Agrarbetriebe und für den Tierschutz einsetzen zu wollen, könne man nach der Anhörung den Eindruck haben, dass der Pole vollständig der Linie des bisherigen EU-Agrarkommissars Phil Hogan folge.
EU-Betrugskämpfer stellen Ermittlungen gegen Wojciechowski ein
Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) hat die Ermittlungen gegen den designierten EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski wegen fehlerhafter Reisekostenabrechnungen in seiner Zeit als Europaabgeordneter eingestellt. Allerdings habe man eine „Reihe von Inkonsistenzen“ in den Abrechnungen festgestellt, heißt es in einer Presseerklärung von OLAF.
Die Brüsseler Betrugsbekämpfer haben nach eigenen Angaben festgestellt, dass das EU‑Parlament Wojciechowski auf der Grundlage seiner Reiseerklärungen und Anwesenheitsbescheinigungen zu Unrecht 11.243 Euro gezahlt hatte. Laut OLAF wurde der betreffende Betrag bereits vollständig von Wojciechowski, der aktuell noch als Direktor am Europäischen Rechnungshof (EuRH) tätig ist, an das Europaparlament zurückerstattet.
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