Im Brennpunkt der Proteste stand die Stadt Clermont-Ferrand in Zentralfrankreich. Zwischen 4.000 und 5.000 Landwirte mit 400 bis 500 Traktoren waren in der vergangenen Woche in die Großstadt am Rande des Zentralmassivs angereist. Sie blockierten den zentralen Place de Jaude mit ihren Schleppern.
Die Landwirte protestieren vor der örtlichen Präfektur gegen die geplante Umsetzung der EU-Agrarreform in Frankreich und ein Gesetz zur Stärkung der Landwirte in der Agrar- und Ernährungsbranche (EGalim). Zu den Aktionen aufgerufen hatten die regionalen Organisationen des französischen Bauernverbandes (FNSEA) und der Junglandwirte (JA). Auch in Lyon fand eine Kundgebung statt. In Clermont-Ferrand kam es zu gewalttätigen Aktionen und Auseinandersetzungen mit der Polizei. Dabei setzten die Sicherheitskräfte Tränengas ein, um der Situation Herr zu werden.
Tierhalter verärgert über Abbau der gekoppelten Beihilfen
Vor allem die Tierhalter aus dem französischen Zentralmassiv sind verärgert. Das hat mehrere Gründe. Zum einen sind sie wütend, weil das oberste französische Gericht die verpflichtende Herkunftskennzeichnung für Milchprodukte für illegal erklärt hat. Dabei folgte der Staatsrat einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Oktober vergangenen Jahres (Urteil C-485/18).
Heftige Kritik der Rinderhalter löst aber auch der Entwurf des nationalen Strategieplans zur Umsetzung der EU-Agrarreform in Frankreich aus. Rund die Hälfte der gekoppelten Beihilfen für die Tierhaltung soll zur Förderung von Eiweißpflanzen umgewidmet werden. Die gekoppelte Beihilfe für die Mutterkuhhaltung soll mit einer Prämie für Milchkühe zur einer neuen Beihilfe pro Rinder-Großvieheinheit (GVE) verschmolzen werden. Der Bauernverband fürchtet, dass die Rinderhalter in der Region etwa 30 bis 50 Prozent ihres bisherigen Beihilfenvolumens verlieren werden.
Bauernverband fordert Kappung in der ersten Säule
FNSEA und JA sprechen sich dafür aus, eine Umverteilungsprämie auf die ersten Hektare zu erhalten. Außerdem sollen die Zahlungen aus der ersten Säule ab einer bestimmten Betriebsgröße gekappt werden. Die Verbände verlangen außerdem, dass die für unrechtmäßig erklärte Herkunftskennzeichnung verpflichtend bleibt. Zudem sollen die Erzeugerpreise in Abhängigkeit von den Produktionskosten der Landwirte festgelegt werden.
Mit ihren Protesten erkämpften sich die französischen Bauern ein Krisentreffen mit Landwirtschaftsminister Julien Denormandie im Laufe dieser Woche. Dabei werden die Landwirte fordern, das sogenannte EGalim-Gesetz für eine gerechtere Verteilung der Wertschöpfung nachzuschärfen.
Ex-Handelsmanager schlägt unverhandelbare, kostenorientierte Erzeugerpreise vor
Rückendeckung gibt ihnen dabei ein Bericht von Serge Papin. Der ehemalige Leiter der Supermarktkette Système U hat die Wirkung des 2018 erlassenen EGalim-Gesetzes im Auftrag der Regierung untersucht – und einige Schwachstellen aufgedeckt. Seinen Abschlussbericht überreichte der Handelsexperte vorige Woche an Minister Denormandie.
Papin schlägt unter anderem vor, dass kostendeckende Preise für Agrarrohstoffe, die von bestimmten Kostenindikatoren abgeleitet werden, innerhalb der Kette nicht verhandelbar sein sollten. Außerdem spricht er sich für mehrjährige Lieferkontrakte und eine Stärkung der Erzeugergenossenschaften und der Herkunftskennzeichnung aus.
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