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Aktualisiert am 16. März, 17:10 Uhr: Perspektiven zur Agrarpolitik

Zukunftskommission Landwirtschaft: Merkel lässt sich Arbeit vorstellen

Peter Strohschneider, Vorsitzender der Zukunftskommission Landwirtschaft
am Dienstag, 16.03.2021 - 11:35 (Jetzt kommentieren)

In ihrer heutigen (16.03.) Sitzung empfängt die Zukunftskommission Landwirtschaft Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Kommission will über ihre Arbeit informieren und in einem anschließenden Zukunftsgespräch die künftige Ausrichtung der Agrarpolitik diskutieren.

Bis Juni soll die Zukunftskommission Landwirtschaft Empfehlungen für ein nachhaltiges Landwirtschaftssystem vorlegen. Über den aktuellen Stand der Arbeit informiert sich die Bundeskanzlerin, die die Gründung einer Kommission 2019 nach mehreren Bauernprotesten empfohlen hatte, heute bei einer außerordentlichen Sitzung. Vor einem halben Jahr hat die Zukunftskommission Landwirtschaft ihre Arbeit aufgenommen.

Nach Merkels digitaler Teilnahme an der Sitzung ist ein öffentliches Zukunftsgespräch unter Leitung von Prof. Dr. Peter Strohschneider, dem Vorsitzenden der Zukunftskommission und dem ehemaligen Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft, geplant. Am Zukunftsgespräch teilnehmen werden darüber hinaus die Mitglieder der Kommission, die nicht nur aus dem Agrarbereich, sondern auch aus der Wirtschaft, dem Verbraucherschutz, dem Umwelt- und Tierschutz und der Wissenschaft kommen.

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Kommission wird nicht in EU-Agrarreform eingebunden

Dass die Verhandlungen zur EU-Agrarpolitik ab 2023 ohne die Zukunftskommission Landwirtschaft stattfinden, kritisiert das Kommissionmitglied und der WWF-Naturschutzvorstand Christoph Heinrich. Nach Heinrichs Auffassung würden Dialoge nur so lange akzeptiert, bis es ernste werde.

Dieser Kritik schließt sich auch der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder, an. In den Verhandlungen zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) wirke es so, als sei die Kommission für das Bundeslandwirtschaftsministerium „nerviges Beiwerk“. Bei der Zukunftskommission handele es sich zwar nicht um eine GAP-Kommission, doch „statt die Meinung der Zukunftskommission maximal zu missachten, wäre Julia Klöckner gut beraten, sie in die Beratungen einzubinden“, sagt Schröder.

Uwe Feiler, Parlamentarischer Staatssekretär beim BMEL, erklärte zu den Vorwürfen über die fehlende Einbindung der Kommission in die GAP, dass es "gar keine einheitliche Position der Zukunftskommission zur GAP gibt". Es sei außerdem nicht vorgesehen, dass sich die Kommission über die aktuelle Tagespolitik äußert, da sie an einem längerfristigen Auftrag arbeite. Die Organisationen sollten "nicht den Eindruck erwecken, für die Zukunftskommission Landwirtschaft insgesamt zu sprechen", so Feiler. 

Deutscher Tierschutzbund und Greenpeace wollen aus Kommission austreten

Laut einer Pressemitteilung des CSU-Bundestagsabgeordneten Max Straubinger zögen Greenpeace und der Deutsche Tierschutzbund als weitere Mitglieder derzeit einen Austritt aus der Kommission in Erwägung. Eine Pressesprecherin des Deutschen Tierschutzbundes erklärte inzwischen gegenüber agrarheute, dass der Deutsche Tierschutzbund keinen Austritt beabsichtige und dies an keiner Stelle geäußert habe. 

Im Namen der Tierschutzorganisationen erklärt der Deutsche Tierschutzbund jedoch, dass das Vertrauen in die Bundesregierung beim Tierschutz extrem belastet sei. So habe Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) den im Koalitionsvertrag zugesicherten Tierschutz nur halbherzig oder zu spät umgesetzt.

Thomas Schröder macht deutlich: „Wer von uns Tierschützern jetzt erwartet, dass wir in der Kommission Kompromisse mit Tiernutzern eingehen, der muss zuallererst einmal bei uns Vertrauen aufbauen. Ich erwarte, dass die Bundeskanzlerin hierzu Klarheit schafft und dass das Kanzleramt die Themenführung bei der Umsetzung der notwendigen Schritte hin zu mehr Tierschutz in der Landwirtschaft mit klarem Willen und Mut zu durchgreifenden Veränderungen übernimmt“.

Dass die heutige Sitzung den Riss in der Bundesregierung widerspiegle, sagt Martin Kaiser, ebenfalls Mitglied der Kommission und geschäftsführender Vorstand von Greenpeace. "Nur das Umweltministerium will die Empfehlungen der Kommission zur Reform der EU-Agrarpolitik und ihrer nationalen Umsetzung berücksichtigten" betont Kaiser. Des Weiteren nutze Angela Merkel ihre Richtlinienkompetenz nicht und lasse Julia Klöckner über das Geschehen bestimmen. Kaiser stünde der Kommission nicht mehr zur Verfügung, "wenn Julia Klöckner ihre rückwärtsgewandten Gesetzesvorschläge zur nationalen Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU durchpeitscht und damit die Agrarpolitik der nächsten sieben Jahre zementiert".  

Das Verhalten vom Tierschutzbund und von Greenpeace vergleicht Max Straubinger mit dem zweier trotziger Kinder. „Reisende soll man ziehen lassen“, kommentiert Straubinger die Austrittsankündigungen. Durch einen „Bereinigungsprozess“ könnten „die verbliebenen Mitglieder vernünftig weiterarbeiten“, so der CSU-Abgeordnete, der der Ansicht ist, dass die beiden Organisationen blind täten, was das Bundesumweltministerium von ihnen verlange.

Gemeinsame Vision von Landjugend und Umweltschützern

Im Rahmen der Zukunftskommission Landwirtschaft haben sich Vertreter des Bundes der deutschen Landjugend (BDL)  und der Jugendorganisation des BUND auf ein gemeinsames Zukunftsbild geeinigt, das eine Landwirtschaft auf Basis regionaler Kreisläufe skizziert. Kathrin Muus vom BDL und Myriam Rapior von der BUNDjugend sagten dazu :

  • „Landwirtschaftliche Betriebe sollen weiterhin gesellschaftliche und ökologische Verantwortung übernehmen. Landwirtinnen und Landwirte sollen selbstständig arbeiten können, wir möchten eine Vielzahl und Vielfältigkeit der Betriebe sehen. Dazu braucht es gute Arbeitsbedingungen, zu denen sowohl ein faires Einkommen als auch gesellschaftliche Wertschätzung gehören.
  • Die Einigkeit über die Etablierung von ökologischen Maßnahmen aber auch zum Umwelt-, Klima und Natur- und Tierschutz hat uns sehr überrascht. Wir möchten, dass Betriebszweige und landwirtschaftliche Praktiken diese Ziele verfolgen und vermehrt aufgreifen. Die Maßnahmen müssen für Landwirtinnen und Landwirte auch leicht erschließ- und umsetzbar sein. Mehrleistungen bedürfen finanzieller Unterstützung.
  • Die Landwirtschaft sollte einem fairen Markt gegenüberstehen. Die vor- und nachgelagerten Bereiche der landwirtschaftlichen Wertschöpfungskette sollten einen Schwerpunkt auf regionaler Weiterverarbeitung und Vermarktung setzen. Das deutsche Landwirtschafts- und Ernährungssystem der Zukunft sollte in regionalen Kreisläufen arbeiten. 
  • Tiere müssen in Zukunft unter hohen Tierschutzstandards gehalten werden und dabei über den ländlichen Raum verteilt sein. Der Tierbestand und die Tierhaltung müssen sich so weiterentwickeln, dass Deutschland die klima- und umweltpolitischen Vorgaben einhalten kann.“

Noch keine Einigung gibt es laut den Vertreterinnen der beiden Jugendorganisationen beispielsweise bei der Reduktion der Tierbestände in der Nutztierhaltung oder beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. 

Mit Material von dpa, Simon Michel-Berger

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